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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Die mannigfaltige Bevölkerung des Gebirges paradirt zum ersten Male vor unsern
Augen.

' Das Gasthaus, das beste des Orts, ist ärmlich genug. Die Fenster der
Zimmer haben anstatt der Fester nur Läden. An Betten, selbst an eine Unter¬
lage von Stroh ist nicht zu denken; nur Matten aus Bast werden auf dem Fu߬
boden der Gemächer zum Lagern ausgebreitet. Die Türken schlagen die Füße
unter und zünden ihre Tschibucks an. Der Hanschi (Wirth) hat weder Milch noch
Butter, noch Fleisch. Für - diese Nacht sind Brot und weißer Käse die ganze
Mahlzeit.'


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Im Gebirge.

Unser Ziel liegt heute weit vom Nachtquartier. Wir haben siebenzehn
Stunden zu reiten, um hin zu gelangen, nämlich nach dem kleinen Städtchen
Florina. Am frühen Morgen noch steht der Mond am Himmel, und dicke Nebel
liegen in Heu Schluchten; steigen wir zu Pferde. Es sind bereits G.elnrgsrosse,
die uns diesmal tragen. Ein hoher, den Reiter sehr belästigender Trab unter¬
scheidet sie von denen des gestrigen Tages. Der Postknecht tröstet damit, daß
noch vor Mittag Wodina erreicht sein wird, wo neue Pferde unserer harren.

Der Weg, den wir einschlagen, ist eine der wichtigsten Verbindungslinien
in der europäischen Türkei, was nicht ausschließt, daß er dennoch herzlich schlecht
und für Fuhrwerk impraktikabel ist. Es ist die Verbindungsstraße zwischen dem
Archipel und dem adriatischen Meere. Noch jüngst, zur Zeit des montenegrinischen
Kriegs hatte dieselbe eine große Wichtigkeit. Das Heer Omer Paschas basirte
sich nämlich nicht sowol aus Skutari und den Hafen von Dnrazzo an der albani¬
schen Küste, als vielmehr aus Mouastir und Salonik. Die meisten Armee¬
bedürfnisse, welche er in letzter Instanz aus Stambul bezog, wurden im letztern
Hafenplatz gelandet, über Imi-Schchir und Wodina nach Mvnaftir und von
da über Ochrida nach Skutari geführt.

Bis Wodina sind die Berge nicht hoch. Wir reiten stundenlang ans Pla¬
teaus einher; endlich sehen wir den erwähnten Ort auf der Mittelhohe eines
ans der Ferne schroff sich ausnehmenden Berghangcs. Die Sonne steht eben
im Mittag, als unsre Pferde die Höhe erklommen haben und das Pflaster der
engen Straßen betreten, in deren Mitte ein klarer Bergbach dahinbranst.

Ein Frühstück in den macedonischen Bergen ist ein änßerst einfaches Mahl,
bei dem Brod und Wasser zumeist die Hauptrolle spielen. Dieses Mal geschah
es durch eine besondere Begünstigung des Glücks, daß auch gesottene Eier und
Weintrauben erschienen. Letztere werden hier nicht in der üppigen Größe, wie
zu Stambul, vou der Natur hervorgebracht, sie sind aber von ebenso würzigem
Geschmack und mundeten uns trefflich zu dem groben, schwarzen, steinigen Brode des


Die mannigfaltige Bevölkerung des Gebirges paradirt zum ersten Male vor unsern
Augen.

' Das Gasthaus, das beste des Orts, ist ärmlich genug. Die Fenster der
Zimmer haben anstatt der Fester nur Läden. An Betten, selbst an eine Unter¬
lage von Stroh ist nicht zu denken; nur Matten aus Bast werden auf dem Fu߬
boden der Gemächer zum Lagern ausgebreitet. Die Türken schlagen die Füße
unter und zünden ihre Tschibucks an. Der Hanschi (Wirth) hat weder Milch noch
Butter, noch Fleisch. Für - diese Nacht sind Brot und weißer Käse die ganze
Mahlzeit.'


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Im Gebirge.

Unser Ziel liegt heute weit vom Nachtquartier. Wir haben siebenzehn
Stunden zu reiten, um hin zu gelangen, nämlich nach dem kleinen Städtchen
Florina. Am frühen Morgen noch steht der Mond am Himmel, und dicke Nebel
liegen in Heu Schluchten; steigen wir zu Pferde. Es sind bereits G.elnrgsrosse,
die uns diesmal tragen. Ein hoher, den Reiter sehr belästigender Trab unter¬
scheidet sie von denen des gestrigen Tages. Der Postknecht tröstet damit, daß
noch vor Mittag Wodina erreicht sein wird, wo neue Pferde unserer harren.

Der Weg, den wir einschlagen, ist eine der wichtigsten Verbindungslinien
in der europäischen Türkei, was nicht ausschließt, daß er dennoch herzlich schlecht
und für Fuhrwerk impraktikabel ist. Es ist die Verbindungsstraße zwischen dem
Archipel und dem adriatischen Meere. Noch jüngst, zur Zeit des montenegrinischen
Kriegs hatte dieselbe eine große Wichtigkeit. Das Heer Omer Paschas basirte
sich nämlich nicht sowol aus Skutari und den Hafen von Dnrazzo an der albani¬
schen Küste, als vielmehr aus Mouastir und Salonik. Die meisten Armee¬
bedürfnisse, welche er in letzter Instanz aus Stambul bezog, wurden im letztern
Hafenplatz gelandet, über Imi-Schchir und Wodina nach Mvnaftir und von
da über Ochrida nach Skutari geführt.

Bis Wodina sind die Berge nicht hoch. Wir reiten stundenlang ans Pla¬
teaus einher; endlich sehen wir den erwähnten Ort auf der Mittelhohe eines
ans der Ferne schroff sich ausnehmenden Berghangcs. Die Sonne steht eben
im Mittag, als unsre Pferde die Höhe erklommen haben und das Pflaster der
engen Straßen betreten, in deren Mitte ein klarer Bergbach dahinbranst.

Ein Frühstück in den macedonischen Bergen ist ein änßerst einfaches Mahl,
bei dem Brod und Wasser zumeist die Hauptrolle spielen. Dieses Mal geschah
es durch eine besondere Begünstigung des Glücks, daß auch gesottene Eier und
Weintrauben erschienen. Letztere werden hier nicht in der üppigen Größe, wie
zu Stambul, vou der Natur hervorgebracht, sie sind aber von ebenso würzigem
Geschmack und mundeten uns trefflich zu dem groben, schwarzen, steinigen Brode des


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[0454] Die mannigfaltige Bevölkerung des Gebirges paradirt zum ersten Male vor unsern Augen. ' Das Gasthaus, das beste des Orts, ist ärmlich genug. Die Fenster der Zimmer haben anstatt der Fester nur Läden. An Betten, selbst an eine Unter¬ lage von Stroh ist nicht zu denken; nur Matten aus Bast werden auf dem Fu߬ boden der Gemächer zum Lagern ausgebreitet. Die Türken schlagen die Füße unter und zünden ihre Tschibucks an. Der Hanschi (Wirth) hat weder Milch noch Butter, noch Fleisch. Für - diese Nacht sind Brot und weißer Käse die ganze Mahlzeit.' n-^^^s^,'-^ Im Gebirge. Unser Ziel liegt heute weit vom Nachtquartier. Wir haben siebenzehn Stunden zu reiten, um hin zu gelangen, nämlich nach dem kleinen Städtchen Florina. Am frühen Morgen noch steht der Mond am Himmel, und dicke Nebel liegen in Heu Schluchten; steigen wir zu Pferde. Es sind bereits G.elnrgsrosse, die uns diesmal tragen. Ein hoher, den Reiter sehr belästigender Trab unter¬ scheidet sie von denen des gestrigen Tages. Der Postknecht tröstet damit, daß noch vor Mittag Wodina erreicht sein wird, wo neue Pferde unserer harren. Der Weg, den wir einschlagen, ist eine der wichtigsten Verbindungslinien in der europäischen Türkei, was nicht ausschließt, daß er dennoch herzlich schlecht und für Fuhrwerk impraktikabel ist. Es ist die Verbindungsstraße zwischen dem Archipel und dem adriatischen Meere. Noch jüngst, zur Zeit des montenegrinischen Kriegs hatte dieselbe eine große Wichtigkeit. Das Heer Omer Paschas basirte sich nämlich nicht sowol aus Skutari und den Hafen von Dnrazzo an der albani¬ schen Küste, als vielmehr aus Mouastir und Salonik. Die meisten Armee¬ bedürfnisse, welche er in letzter Instanz aus Stambul bezog, wurden im letztern Hafenplatz gelandet, über Imi-Schchir und Wodina nach Mvnaftir und von da über Ochrida nach Skutari geführt. Bis Wodina sind die Berge nicht hoch. Wir reiten stundenlang ans Pla¬ teaus einher; endlich sehen wir den erwähnten Ort auf der Mittelhohe eines ans der Ferne schroff sich ausnehmenden Berghangcs. Die Sonne steht eben im Mittag, als unsre Pferde die Höhe erklommen haben und das Pflaster der engen Straßen betreten, in deren Mitte ein klarer Bergbach dahinbranst. Ein Frühstück in den macedonischen Bergen ist ein änßerst einfaches Mahl, bei dem Brod und Wasser zumeist die Hauptrolle spielen. Dieses Mal geschah es durch eine besondere Begünstigung des Glücks, daß auch gesottene Eier und Weintrauben erschienen. Letztere werden hier nicht in der üppigen Größe, wie zu Stambul, vou der Natur hervorgebracht, sie sind aber von ebenso würzigem Geschmack und mundeten uns trefflich zu dem groben, schwarzen, steinigen Brode des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/454>, abgerufen am 22.07.2024.