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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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hat Lamartine darum nicht verstanden, weil er selbst keinen hat. Er lehrt
heute, was er gestern gelernt. Ihm ist in "den Quellen, die er benutzt, daS
meiste neu und 'daher interessant und er findet keinen Anstoß, in dem Leser ein
gleiches Interesse vorauszusetzen, und ihm in der größten Ausführlichkeit alles,
was ihm vorkommt, mitzutheilen. Ganze Reden aus dem Moniteur, ganze
Briefe aus der Correspondenz sind wieder abgedruckt. Nun hat zwar Lamartine
stets den Vorzug eines fließenden Stils und einer eleganten Rhetorik, aber
dieses reicht doch nicht aus, um den durch den trägen Fluß der Geschichte ab¬
gespannten Leser wach zu erhalten. Der Reiz des Pikanten, der sich in den
Girondisten so übermäßig geltend macht, konnte hier nur in geringer Aus¬
dehnung angewendet werden, und so haben wir das unangenehme Gefühl,
es mit einem geistvollen Mann und mit einer höchst bedeutenden historischen
Periode zu thun zu haben und doch die innere Nothwendigkeit des Werks
leugnen zu müssen. --


Karte von Kleinasien. Im Maßstabe von 1:1,300,000. Bearbeitet und ge¬
zeichnet von Heinrich Kiepert. Berlin, Dietrich Reimer. --
Karte der Kaukasus-Länder und der angrenzenden türkischen und persischen
Provinzen Armenien, Kurdistan und Azerbeidjan. Im Maßstabe von
1:1,500,000. Bearbeitet und gezeichnet von H einrieb Ki c p e r t. Berlin,
Dietrich Reimer. --

Ein dem Umfange nach kleines Werk, aber von der größten Bedeutung
für die Kenntniß des Bodens, der wieder ein welthistorischer zu werden scheint,
und daS 'Resultat vieljähriger gewissenhafter und mühevoller Forschungen.
Durch Kiepert haben die geographischen Studien einen Aufschwung genommen,
der in seiner Art ebenso wichtig ist, als die Wendung, die ihnen Ritter früher
gegeben hat. Die beiden Karten, die uns hier vorliegen, geben uns die mo¬
dernen Verhältnisse, aus denen wir das, was auf denselben vorgeht, allein
verstehen können, im größten Detail wieder, und sie versinnlichen uns zugleich
das Verhältniß zum Alterthum durch die Hinweisung auf die alten Namen
und Localitäten. Jemehr in neuerer Zeit die Entwerfung von Karten einer
leichtsinnigen Industrie anheimgefallen ist, desto lebhafter müssen wir auf ein
Werk aufmerksam machen, das aus den Ruhm wissenschaftlicher Strenge Anspruch
machen darf und zugleich durch seine verständige und zweckmäßige Ausstattung
den Bedürfnissen des größern Publicums auf das vollkommenste entspricht.
Die Industrie wird, nicht verfehlen, auch diese Früchte mühevollster Anstrengung,
soviel es geht, an sich zu reißen, aber in solchen Fällen hat auch die Nach¬
bildung ihre Schwierigkeiten, und jeder irgend Urteilsfähige wird finden, daß
wissenschaftliche Gründlichkeit auch stets das zweckmäßigste ist, und daß es für


hat Lamartine darum nicht verstanden, weil er selbst keinen hat. Er lehrt
heute, was er gestern gelernt. Ihm ist in "den Quellen, die er benutzt, daS
meiste neu und 'daher interessant und er findet keinen Anstoß, in dem Leser ein
gleiches Interesse vorauszusetzen, und ihm in der größten Ausführlichkeit alles,
was ihm vorkommt, mitzutheilen. Ganze Reden aus dem Moniteur, ganze
Briefe aus der Correspondenz sind wieder abgedruckt. Nun hat zwar Lamartine
stets den Vorzug eines fließenden Stils und einer eleganten Rhetorik, aber
dieses reicht doch nicht aus, um den durch den trägen Fluß der Geschichte ab¬
gespannten Leser wach zu erhalten. Der Reiz des Pikanten, der sich in den
Girondisten so übermäßig geltend macht, konnte hier nur in geringer Aus¬
dehnung angewendet werden, und so haben wir das unangenehme Gefühl,
es mit einem geistvollen Mann und mit einer höchst bedeutenden historischen
Periode zu thun zu haben und doch die innere Nothwendigkeit des Werks
leugnen zu müssen. —


Karte von Kleinasien. Im Maßstabe von 1:1,300,000. Bearbeitet und ge¬
zeichnet von Heinrich Kiepert. Berlin, Dietrich Reimer. —
Karte der Kaukasus-Länder und der angrenzenden türkischen und persischen
Provinzen Armenien, Kurdistan und Azerbeidjan. Im Maßstabe von
1:1,500,000. Bearbeitet und gezeichnet von H einrieb Ki c p e r t. Berlin,
Dietrich Reimer. —

Ein dem Umfange nach kleines Werk, aber von der größten Bedeutung
für die Kenntniß des Bodens, der wieder ein welthistorischer zu werden scheint,
und daS 'Resultat vieljähriger gewissenhafter und mühevoller Forschungen.
Durch Kiepert haben die geographischen Studien einen Aufschwung genommen,
der in seiner Art ebenso wichtig ist, als die Wendung, die ihnen Ritter früher
gegeben hat. Die beiden Karten, die uns hier vorliegen, geben uns die mo¬
dernen Verhältnisse, aus denen wir das, was auf denselben vorgeht, allein
verstehen können, im größten Detail wieder, und sie versinnlichen uns zugleich
das Verhältniß zum Alterthum durch die Hinweisung auf die alten Namen
und Localitäten. Jemehr in neuerer Zeit die Entwerfung von Karten einer
leichtsinnigen Industrie anheimgefallen ist, desto lebhafter müssen wir auf ein
Werk aufmerksam machen, das aus den Ruhm wissenschaftlicher Strenge Anspruch
machen darf und zugleich durch seine verständige und zweckmäßige Ausstattung
den Bedürfnissen des größern Publicums auf das vollkommenste entspricht.
Die Industrie wird, nicht verfehlen, auch diese Früchte mühevollster Anstrengung,
soviel es geht, an sich zu reißen, aber in solchen Fällen hat auch die Nach¬
bildung ihre Schwierigkeiten, und jeder irgend Urteilsfähige wird finden, daß
wissenschaftliche Gründlichkeit auch stets das zweckmäßigste ist, und daß es für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/66>, abgerufen am 28.12.2024.