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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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uhren und allerhand jenes Geräthes, womit man sonst auf Titelvignetten den In¬
halt eines gelehrten Buches anzudeuten pflegte, und durch welches man hier den
Culturfortschritt darzustellen beabsichtigt.

Wenn ich recht unterrichtet worden bin, hat nun endlich der Lord, wie man
hier kurzweg den britischen Gesandten nennt, sein Sommerpalais in Therapia
mit dem stattlichen Hotel auf der Westseite des Perahügels vertauscht. Zwischen
ihm und dem commander in chies in der Krim soll nicht eben das freundlichste
Einvernehmen bestehen, und man kann vielleicht hieraus den Schluß ziehen, daß
Lord Stratford und der Herzog von Cambridge sich um so besser zu stellen wissen
werden.

Die Verhältnisse sind nicht darnach angethan, um zwischen den Vertretern der
Großmächte im allgemeinen hier einen intimeren geselligen Verkehr bestehen zu
lassen. Nach wie vor stehen sich der britische und östreichische Botschafter arg¬
wöhnisch und mißtrauisch gegenüber, und dieselbe Kluft scheint den preußischen von
beiden zu scheiden. Dieser letztere bewohnt übrigens nach wie vor sein unschein¬
bares Häuschen in der Arnautkoj, und dürste anch in diesem Winter dort ver¬
bleiben. Von der nahen Saison hat man die Ansicht, daß sie nicht glänzend wer¬
den wird. Lord Stratford wird dies Mal kaum repräsentiren (was er übrigens
auch im vergangenen Jahre nicht gethan hat) und ob Herr von Bruck, nachdem er
im vorigen Winter äußerst glänzende Feste gegeben, dieselben im kommenden wie¬
derholen wird, steht noch sehr dahin.

. Inzwischen hat sich hier eine Sängertruppe eingesunken und wöchentlich zu
mehren Malen offnen sich wiederum die Räume des hiesigen Theaters, die Lei¬
stungen sollen jedoch wenig zufriedenstellend sein.

-- Seit gestern herrscht hier ein militärisches Gewühl,
wie es nach den Tagen der Einleitung des Kriegs nicht dagewesen ist. Der Ein¬
gang des Bosporus und das weite Bassin des goldnen Horns wimmeln von Kricgs-
und Transportschiffen -- der Flagge nach zu urtheilen meistens französischen. Auf
den Straßen stößt man nicht nur alle Augenblicke aus Soldatengruppen, nein, man
geht sozusagen durch ein dichtes Gedränge von Infanterie, Artillerie und, was
auffallen kann, von Husaren, Dragonern und schwerer Reiterei. Auch Tunis scheint
aufs neue ein bedeutendes Kontingent gesendet zu haben. Desgleichen sieht man
Zuaven aus Algerien und eingeborne afrikanische Reiter von ebendorther.

Die Truppen scheinen heute und morgen hier Ruhetag zu halten nach langer
stürmischer Seefahrt, denn das mittelländische Meer war in den beiden letztver-
gangenen Wochen stark erregt. Uebermorgen wird sich alles wieder an Bord ver¬
fügen und man wird dann mit aller Macht von Dampf und Segeln gen Balaklava
steuern.


-- Es ist ein Glück, daß wir
so mildes Wetter haben. Die Lieferanten der Krimarmee kaufen uns alle Winter-
kleiduug auf und die Wölfe, welche mit den Russen heulen, werden bald keine
Schafpelze mehr finden, sich darein zu hüllen. Und wahrlich, solcher Wölfe haben
wir noch genug unter uns. In den letzten, Tagen, als der Alliauzvcrtrag officiell


uhren und allerhand jenes Geräthes, womit man sonst auf Titelvignetten den In¬
halt eines gelehrten Buches anzudeuten pflegte, und durch welches man hier den
Culturfortschritt darzustellen beabsichtigt.

Wenn ich recht unterrichtet worden bin, hat nun endlich der Lord, wie man
hier kurzweg den britischen Gesandten nennt, sein Sommerpalais in Therapia
mit dem stattlichen Hotel auf der Westseite des Perahügels vertauscht. Zwischen
ihm und dem commander in chies in der Krim soll nicht eben das freundlichste
Einvernehmen bestehen, und man kann vielleicht hieraus den Schluß ziehen, daß
Lord Stratford und der Herzog von Cambridge sich um so besser zu stellen wissen
werden.

Die Verhältnisse sind nicht darnach angethan, um zwischen den Vertretern der
Großmächte im allgemeinen hier einen intimeren geselligen Verkehr bestehen zu
lassen. Nach wie vor stehen sich der britische und östreichische Botschafter arg¬
wöhnisch und mißtrauisch gegenüber, und dieselbe Kluft scheint den preußischen von
beiden zu scheiden. Dieser letztere bewohnt übrigens nach wie vor sein unschein¬
bares Häuschen in der Arnautkoj, und dürste anch in diesem Winter dort ver¬
bleiben. Von der nahen Saison hat man die Ansicht, daß sie nicht glänzend wer¬
den wird. Lord Stratford wird dies Mal kaum repräsentiren (was er übrigens
auch im vergangenen Jahre nicht gethan hat) und ob Herr von Bruck, nachdem er
im vorigen Winter äußerst glänzende Feste gegeben, dieselben im kommenden wie¬
derholen wird, steht noch sehr dahin.

. Inzwischen hat sich hier eine Sängertruppe eingesunken und wöchentlich zu
mehren Malen offnen sich wiederum die Räume des hiesigen Theaters, die Lei¬
stungen sollen jedoch wenig zufriedenstellend sein.

-- Seit gestern herrscht hier ein militärisches Gewühl,
wie es nach den Tagen der Einleitung des Kriegs nicht dagewesen ist. Der Ein¬
gang des Bosporus und das weite Bassin des goldnen Horns wimmeln von Kricgs-
und Transportschiffen — der Flagge nach zu urtheilen meistens französischen. Auf
den Straßen stößt man nicht nur alle Augenblicke aus Soldatengruppen, nein, man
geht sozusagen durch ein dichtes Gedränge von Infanterie, Artillerie und, was
auffallen kann, von Husaren, Dragonern und schwerer Reiterei. Auch Tunis scheint
aufs neue ein bedeutendes Kontingent gesendet zu haben. Desgleichen sieht man
Zuaven aus Algerien und eingeborne afrikanische Reiter von ebendorther.

Die Truppen scheinen heute und morgen hier Ruhetag zu halten nach langer
stürmischer Seefahrt, denn das mittelländische Meer war in den beiden letztver-
gangenen Wochen stark erregt. Uebermorgen wird sich alles wieder an Bord ver¬
fügen und man wird dann mit aller Macht von Dampf und Segeln gen Balaklava
steuern.


— Es ist ein Glück, daß wir
so mildes Wetter haben. Die Lieferanten der Krimarmee kaufen uns alle Winter-
kleiduug auf und die Wölfe, welche mit den Russen heulen, werden bald keine
Schafpelze mehr finden, sich darein zu hüllen. Und wahrlich, solcher Wölfe haben
wir noch genug unter uns. In den letzten, Tagen, als der Alliauzvcrtrag officiell


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/522>, abgerufen am 28.12.2024.