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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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bisher in kleinlichen, mit dem wahren Wohle Deutschlands unvereinbarer
Intriguen ausgab, wird dann auf eine segensreiche Weise fortgesetzt werden
können, indem jeder der beiden organisirten Großstaaten seine natürliche
Attractionskrast auf die verwandten Elemente ruhig walten läßt.




Die Standesherrlichen Beschwerden gegen Würtemberg
und der souveräne Staat.

Kaum hat irgendeine Nachricht die öffentliche Aufmerksamkeit schmerzlicher
in Anspruch genommen, als jene der Franks. Postzeitung, wonach Würtemberg
eine Rechtfertigung seines Verfahrens im Streite mit seinen Standesherrn,
also eine rein innere, rein deutsche, zu Rußland ganz beziehungslose Ange¬
legenheit, dem Petersburger Cabinet unaufgefordert vorgelegt haben soll. Die
Nachricht war zu bestimmt gegeben, die damit bezeichnete Thatsache wäre im
gegenwärtigen Momente von zu charakteristischer Bedeutung, als daß die Ne¬
gierung eine so schwere Anklage ihres nationalen wie souveränen Bewußtseins
ignoriren könnte. Leider harrt man trotzdem his heute (6. Dec.) umsonst aus
ein entschiedenes, officielles Dementi jener Nachricht, oder doch auf eine Er¬
läuterung des jedenfalls auffallenden Schrittes; auffallend selbst dann, wenn
etwa von Seite der Standesherrn gewissermaßen die Initiative und Veran¬
lassung dadurch gegeben gewesen sein sollte, daß sie ihre Beschwerden gegen
den modernen Rechtsbestand im Königreich Würtemberg dem Petersburger
Hofe mittheilten.

Soviel bekannt, haben ihre Differenzen mit dem Staat und ihre speciel¬
len Beschwerden in der Journalistik noch nirgends eine eingänglichere Dar¬
stellung gefunden. Es dürfte also nicht uninteressant sein, sie kennen zu
lernen.

Bekanntlich trat der Fürst Karl v. Oettingen-Wallerstein im Innern der
Standesherrlichen Häuser "wegen ihres durch die Landesgesetzgebung seit -18^8
verletzten Rechtszustandes" mit einer Beschwerde gegen die würtenbergische
Negierung bei dem Bundestag aus; vorher waren mannigfache directe Ver¬
handlungen zwischen ihm und der Regierung in derselben Angelegenheit ge¬
pflogen worden. In dieser Eingabe (vom 22. Febr. 1854) waren aber die
Namen seiner Vollmachtgeber nicht genannt, auch die Vollmacht selbst nicht
constatirt. Letzteres erfolgte nachträglich; und die Namensnennung der Voll¬
machtgeber erschien um so wichtiger, als in der Beschwerde zwar ein allge¬
meines gleiches Interesse vorhanden ist, dagegen aber hinsichtlich der einzel¬
nen Punkte, soweit es sich um Wiederherstellung des frühern Rechtszustandes


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bisher in kleinlichen, mit dem wahren Wohle Deutschlands unvereinbarer
Intriguen ausgab, wird dann auf eine segensreiche Weise fortgesetzt werden
können, indem jeder der beiden organisirten Großstaaten seine natürliche
Attractionskrast auf die verwandten Elemente ruhig walten läßt.




Die Standesherrlichen Beschwerden gegen Würtemberg
und der souveräne Staat.

Kaum hat irgendeine Nachricht die öffentliche Aufmerksamkeit schmerzlicher
in Anspruch genommen, als jene der Franks. Postzeitung, wonach Würtemberg
eine Rechtfertigung seines Verfahrens im Streite mit seinen Standesherrn,
also eine rein innere, rein deutsche, zu Rußland ganz beziehungslose Ange¬
legenheit, dem Petersburger Cabinet unaufgefordert vorgelegt haben soll. Die
Nachricht war zu bestimmt gegeben, die damit bezeichnete Thatsache wäre im
gegenwärtigen Momente von zu charakteristischer Bedeutung, als daß die Ne¬
gierung eine so schwere Anklage ihres nationalen wie souveränen Bewußtseins
ignoriren könnte. Leider harrt man trotzdem his heute (6. Dec.) umsonst aus
ein entschiedenes, officielles Dementi jener Nachricht, oder doch auf eine Er¬
läuterung des jedenfalls auffallenden Schrittes; auffallend selbst dann, wenn
etwa von Seite der Standesherrn gewissermaßen die Initiative und Veran¬
lassung dadurch gegeben gewesen sein sollte, daß sie ihre Beschwerden gegen
den modernen Rechtsbestand im Königreich Würtemberg dem Petersburger
Hofe mittheilten.

Soviel bekannt, haben ihre Differenzen mit dem Staat und ihre speciel¬
len Beschwerden in der Journalistik noch nirgends eine eingänglichere Dar¬
stellung gefunden. Es dürfte also nicht uninteressant sein, sie kennen zu
lernen.

Bekanntlich trat der Fürst Karl v. Oettingen-Wallerstein im Innern der
Standesherrlichen Häuser „wegen ihres durch die Landesgesetzgebung seit -18^8
verletzten Rechtszustandes" mit einer Beschwerde gegen die würtenbergische
Negierung bei dem Bundestag aus; vorher waren mannigfache directe Ver¬
handlungen zwischen ihm und der Regierung in derselben Angelegenheit ge¬
pflogen worden. In dieser Eingabe (vom 22. Febr. 1854) waren aber die
Namen seiner Vollmachtgeber nicht genannt, auch die Vollmacht selbst nicht
constatirt. Letzteres erfolgte nachträglich; und die Namensnennung der Voll¬
machtgeber erschien um so wichtiger, als in der Beschwerde zwar ein allge¬
meines gleiches Interesse vorhanden ist, dagegen aber hinsichtlich der einzel¬
nen Punkte, soweit es sich um Wiederherstellung des frühern Rechtszustandes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/459>, abgerufen am 22.07.2024.