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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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oder für überflüssig erklärt; denn auch die studirten homöopathischen Aerzte haben
fast alle ihre medicinischen Kenntnisse nicht zum Heilgeschäft nöthig, sondern
nur, damit sie prästanda prästiren, d. h. den Anforderungen des Staats zur
Erlaubniß der Praris genügen." ^ Bei der feinen Beobachtungsgabe und
dem leichten, eleganten Stil deS Verfassers wird das kleine Buch nicht ver¬
fehlen, auch außerhalb der eigentlich medicinischen Kreise Aufmerksamkeit und
Interesse zu erregen. --




Brüsseler Bilder.
I. Die Brüsseler Straßen.

Man hat Brüssel und das Brüsseler Leben oft einen Abklatsch des Pariser
genannt; aber es gibt in der Natur zwar sehr große Aehnlichkeiten, jedoch
niemals vollkommene Gleichheiten. Ein Gang durch die Straßen von Brüssel
und Paris wird uns so manchen Unterschied in dem Charakter der beiden
Städte zeigen. In Paris trifft man zu jeder Stunde des Tags, mag man
nun in den vornehmen Quatieren oder in den engen schmuzjgen Gäßchen der
Cleo (die abscheulichsten fanden wir in der Nähe des Palais de justice) in der
prächtigen Rue Rivoli und dem Boulevard des Italiens oder in dem Straßen¬
gewirr des Quartier Temple mit seinen Trödelbuden und Unmassen von Ge¬
würzkrämerladen oder unter den hohen schattigen Kastanienbäumen des Garten
im Palais royal spazierengehen, eine Menge vornehmer und nicht vornehmer
Müßiggänger, die wenn sie deS Morgens ausstehen nicht wissen, was sie mit
dein langen, lieben Tag anfangen sollen, die von einem Cafe in das andere
schlendern, vor jedem Schaufenster in den Passagen, wo ein neues Bild oder
Statue ausgestellt ist, stehen bleiben, jede Prügelei zweier Chissonniers (Lumpen¬
sammler) als ein willkommenes Schauspiel betrachten, jeder hübschen Frau,
die eine feine Taille oder einen kleinen Fuß hat, straßenlang nachlaufen und
wenn sie gar nichts Anderes wissen: im Garten des Palais royal warten bis
die Sonne im Zenith steht und das Brennglas den kleinen dort aufgestellten
Böller abfeuert. Wir stießen eines Morgens in der Rue Trevise auf einen
dichten Menschenknäul, der irgendetwas, was sich inmitten des Kreises er¬
eignete, zu betrachten schien; anfänglich glaubten wir, es hätte sich eine tragische
Scene hier ereignet und blieben auch stehen, waren aber nicht wenig erstaunt, als
wir auf unser Befragen erfuhren, daß einem Savoyardenknaben eine kleine
weiße Maus, die er Kunststücke machen ließ, aus seinem Kasten entflohen und
daß alle diese Menschen nun stehen geblieben wären, um zu sehen, wie der
kleine Savoyarde seine Maus wieder einfangen würde. -- In Brüssel hin-


oder für überflüssig erklärt; denn auch die studirten homöopathischen Aerzte haben
fast alle ihre medicinischen Kenntnisse nicht zum Heilgeschäft nöthig, sondern
nur, damit sie prästanda prästiren, d. h. den Anforderungen des Staats zur
Erlaubniß der Praris genügen." ^ Bei der feinen Beobachtungsgabe und
dem leichten, eleganten Stil deS Verfassers wird das kleine Buch nicht ver¬
fehlen, auch außerhalb der eigentlich medicinischen Kreise Aufmerksamkeit und
Interesse zu erregen. —




Brüsseler Bilder.
I. Die Brüsseler Straßen.

Man hat Brüssel und das Brüsseler Leben oft einen Abklatsch des Pariser
genannt; aber es gibt in der Natur zwar sehr große Aehnlichkeiten, jedoch
niemals vollkommene Gleichheiten. Ein Gang durch die Straßen von Brüssel
und Paris wird uns so manchen Unterschied in dem Charakter der beiden
Städte zeigen. In Paris trifft man zu jeder Stunde des Tags, mag man
nun in den vornehmen Quatieren oder in den engen schmuzjgen Gäßchen der
Cleo (die abscheulichsten fanden wir in der Nähe des Palais de justice) in der
prächtigen Rue Rivoli und dem Boulevard des Italiens oder in dem Straßen¬
gewirr des Quartier Temple mit seinen Trödelbuden und Unmassen von Ge¬
würzkrämerladen oder unter den hohen schattigen Kastanienbäumen des Garten
im Palais royal spazierengehen, eine Menge vornehmer und nicht vornehmer
Müßiggänger, die wenn sie deS Morgens ausstehen nicht wissen, was sie mit
dein langen, lieben Tag anfangen sollen, die von einem Cafe in das andere
schlendern, vor jedem Schaufenster in den Passagen, wo ein neues Bild oder
Statue ausgestellt ist, stehen bleiben, jede Prügelei zweier Chissonniers (Lumpen¬
sammler) als ein willkommenes Schauspiel betrachten, jeder hübschen Frau,
die eine feine Taille oder einen kleinen Fuß hat, straßenlang nachlaufen und
wenn sie gar nichts Anderes wissen: im Garten des Palais royal warten bis
die Sonne im Zenith steht und das Brennglas den kleinen dort aufgestellten
Böller abfeuert. Wir stießen eines Morgens in der Rue Trevise auf einen
dichten Menschenknäul, der irgendetwas, was sich inmitten des Kreises er¬
eignete, zu betrachten schien; anfänglich glaubten wir, es hätte sich eine tragische
Scene hier ereignet und blieben auch stehen, waren aber nicht wenig erstaunt, als
wir auf unser Befragen erfuhren, daß einem Savoyardenknaben eine kleine
weiße Maus, die er Kunststücke machen ließ, aus seinem Kasten entflohen und
daß alle diese Menschen nun stehen geblieben wären, um zu sehen, wie der
kleine Savoyarde seine Maus wieder einfangen würde. — In Brüssel hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/428>, abgerufen am 28.12.2024.