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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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hat. Eine Kugel riß ihm das Bein ab, nachdem sie den Bauch eines vor
ihm stehenden Pferdes aufgeschlitzt hatte. Will jemand von den Herren so
freundlich sein, sprach er zu seiner Umgebung, mich aus dem Sattel zu heben?
Der alte Herr sprachs mit einem Tone, mit einer Miene, wie unsereins den
Nachbar um eine Zeitung bittet. Zwei Stunden später war er todt. Dieser
äailinx via man wird sehr von der Armee betrauert, und wenn die Kaffern
nur erst, aus den Grenzboten erfahren, daß ihr Erzfeind Cathcart todt ist, wer¬
den sie endlose Freudenburzelbäume schlagen am romantischen Fischfluß.
Seine letzten Worte waren: Gott sei Dank, so sterbe ich doch wenigstens
einen Soldatentod. -- Wenn man solche Dinge liest, kommt einem das
Sterben auf dem Schlachtfelde allerdings sehr "genteel" vor, jedenfalls weni¬
ger langweilig als der gepriesene Tod im Bett, mitten unter Medizinflaschen
und heulenden Mägden.




Wochenbericht.

-- Meine Absicht war, die wichtigsten Gegenstände namhaft
zu machen, mit denen sich die Kammern in der bevorstehenden Session beschäftigen
werden. Sie würden ohne Zweifel ein lebhaftes Interesse erregen, wenn jetzt nicht
an andren und entscheidenderen Stellen anch über das Schicksal Preußens die Würfel
fielen: aber da Preußen bei der europäischen Krisis immer ein bedeutendes Object
bildet, wenn nicht activ, so doch passiv, -- scheint mir jeder Lichtreflex ans die
eigenthümliche Stellung unsrer Regierung auch für einen NichtPreußen ein gewisses
Interesse zu besitzen, und ich wüßte nicht, was in die Regierungsansichten über den
Ernst der großen europäischen Frage einen so tiefen Blick eröffnete, als das En¬
semble der Projecte, für welche sie jetzt die Zustimmung der Kammern einzuholen
sich bemüßigt sieht. Daß die Gcmeindcgesetzgcbung von neuem eine bedeutende
Rolle spielen wird, erwähne ich nur beiläufig: wenn unsere Zeit überhaupt keinen
Beruf zur Gesetzgebung hat, so lehrt die Erfahrung der letzten Jahre, daß sie auf
dem Gebiete des Communallebens gradezu das Talent des Zerstörens besitzt, und
es ist mein aufrichtiger Wunsch, daß auch in dieser Session keine ländliche Ge-
meindeordnung zustandekommen möge, damit die rohen und primitiven Zustände
communalcr Selbstständigkeit, die durch gesetzliche Regelung Schwung und Kraft zu
erhalten verdienten, wenigstens so wie sie sind, erhalten, nicht aber durch den Geist
des Polizciregiments für alle Zukunft zerstört werden; um wirkliche Communal-
ordnungen zu schaffen, sehlt hüben und drüben der Muth zur Freiheit.

Unter den neuen Gegenständen, welche die Aufmerksamkeit der Kammern in
Anspruch nehmen werden, steht in erster Linie das Wahlgesetz für die zweite Kam¬
mer. Vei Berathung des Pairie-Gesetzes wurde, wie es Ihren Lesern erinnerlich
sein wird, von der Opposition gegen die Behauptung, daß unsre Vcrsassuugskrisis
durch die Genehmigung eines solchen Gesetzes einen Abschluß finden werde, die
triftige Einwendung erhoben, daß nach Bildung einer Pairie die zweite Kammer


hat. Eine Kugel riß ihm das Bein ab, nachdem sie den Bauch eines vor
ihm stehenden Pferdes aufgeschlitzt hatte. Will jemand von den Herren so
freundlich sein, sprach er zu seiner Umgebung, mich aus dem Sattel zu heben?
Der alte Herr sprachs mit einem Tone, mit einer Miene, wie unsereins den
Nachbar um eine Zeitung bittet. Zwei Stunden später war er todt. Dieser
äailinx via man wird sehr von der Armee betrauert, und wenn die Kaffern
nur erst, aus den Grenzboten erfahren, daß ihr Erzfeind Cathcart todt ist, wer¬
den sie endlose Freudenburzelbäume schlagen am romantischen Fischfluß.
Seine letzten Worte waren: Gott sei Dank, so sterbe ich doch wenigstens
einen Soldatentod. — Wenn man solche Dinge liest, kommt einem das
Sterben auf dem Schlachtfelde allerdings sehr „genteel" vor, jedenfalls weni¬
ger langweilig als der gepriesene Tod im Bett, mitten unter Medizinflaschen
und heulenden Mägden.




Wochenbericht.

— Meine Absicht war, die wichtigsten Gegenstände namhaft
zu machen, mit denen sich die Kammern in der bevorstehenden Session beschäftigen
werden. Sie würden ohne Zweifel ein lebhaftes Interesse erregen, wenn jetzt nicht
an andren und entscheidenderen Stellen anch über das Schicksal Preußens die Würfel
fielen: aber da Preußen bei der europäischen Krisis immer ein bedeutendes Object
bildet, wenn nicht activ, so doch passiv, — scheint mir jeder Lichtreflex ans die
eigenthümliche Stellung unsrer Regierung auch für einen NichtPreußen ein gewisses
Interesse zu besitzen, und ich wüßte nicht, was in die Regierungsansichten über den
Ernst der großen europäischen Frage einen so tiefen Blick eröffnete, als das En¬
semble der Projecte, für welche sie jetzt die Zustimmung der Kammern einzuholen
sich bemüßigt sieht. Daß die Gcmeindcgesetzgcbung von neuem eine bedeutende
Rolle spielen wird, erwähne ich nur beiläufig: wenn unsere Zeit überhaupt keinen
Beruf zur Gesetzgebung hat, so lehrt die Erfahrung der letzten Jahre, daß sie auf
dem Gebiete des Communallebens gradezu das Talent des Zerstörens besitzt, und
es ist mein aufrichtiger Wunsch, daß auch in dieser Session keine ländliche Ge-
meindeordnung zustandekommen möge, damit die rohen und primitiven Zustände
communalcr Selbstständigkeit, die durch gesetzliche Regelung Schwung und Kraft zu
erhalten verdienten, wenigstens so wie sie sind, erhalten, nicht aber durch den Geist
des Polizciregiments für alle Zukunft zerstört werden; um wirkliche Communal-
ordnungen zu schaffen, sehlt hüben und drüben der Muth zur Freiheit.

Unter den neuen Gegenständen, welche die Aufmerksamkeit der Kammern in
Anspruch nehmen werden, steht in erster Linie das Wahlgesetz für die zweite Kam¬
mer. Vei Berathung des Pairie-Gesetzes wurde, wie es Ihren Lesern erinnerlich
sein wird, von der Opposition gegen die Behauptung, daß unsre Vcrsassuugskrisis
durch die Genehmigung eines solchen Gesetzes einen Abschluß finden werde, die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/404>, abgerufen am 03.07.2024.