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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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her, die den Geist der Medicin zu leicht faßlich hielten, um ernste Studien
in derselben zu machen und die nach Durchlesung einer Anthropologie sich fähig
fühlten, aus philosophischer Machtvollkommenheit den ganzen Menschen nachzu-
construiren,, wie ihn Gott geschaffen haben müßte. Diesen war natürlich mit
der mühsamen, bescheidenen Art der neueren Forschung umsoweniger gedient,
da sie derselben weder folgen konnten oder wollten, noch die Resultate abzu¬
leugnen vermochten. Nach ihnen faßten die Theologen den Vorwurf auf, da
sie von jeher der Wunder wegen "mit den Aerzten im Streite lagen und selbst
schon die Schöpfungsgeschichte preisgeben mußten. Von diesen ist die Klage
über Materialismus denn auch in die noch übrigen Kreise der Gesellschaft ge¬
drungen, so daß dieses Wort heutzutage wirklich zum Stichworte geworden ist.
Versteht man darunter die ungerechtfertigte Übertragung naturwissenschaftlicher
Hypothesen auf heterogene Gebiete (um von dem Gebrauche des Worts zur
Bezeichnung von Eigennutz und Geldgier, die jetzt nicht schlimmer sind als sie
immer waren, abzusehen), so hat der Vorwurf Sinn, trifft dann aber nur wenige
Naturforscher; verlangt man aber von diesen, daß sie umkehren und die Du-
don'sche Endeckung nicht weiter verfolgen sollen, weil die weiteren Forschungen
möglicherweise mit den Religionsansichten einiger Religionsparteien in unheil¬
baren Widerspruch gerathen könnten, so hat er keinen Sinn. Der Natur¬
forscher mag glauben was er will, aber als bewiesen darf er, wie der Mathe¬
matiker, nichts ansehen, was nicht bewiesen ist; auf diesem Wege erlangt er
die sicheren Resultate, welche niemand, der sie kennt, leugnet; wenn nun also
jemand vom christlichen Standpunkte aus diese Forschungen verwirft, so beweist
er dadurch nur die Mannhaftigkeit seiner religiösen Ueberzeugung, denn sonst
müßte er wissen, daß früher oder später ein Wendepunkt eintreten und dann
Theorien, die ihm jetzt heidnisch erscheinen, gradezu zum Beweise der Richtig¬
keit christlicher Ueberzeugung ausschlagen müßten. Wir haben also von der
Naturforschung nur zu verlangen, daß sie ausschließlich materiell-bleibe und
nur zu verhüten, daß nicht voreilige Hypothesen in ihr oder in andern Wissen¬
schaften einen unrechtmäßigen Einfluß gewinnen.




Neue Historische Schriften.
Die Sachsen in England. Eine Geschichte des englischen Staatswesens bis
aus die Zeit der normannischen Eroberung. Von John Mitchel Kemble.
Uebersetzt von Chr. Brandes. 2 Bde. Leipzig, T. O. Weigel. --
Geschichte der politischen Parteiungen alterund neuer Zeit. Von W. Wachs¬
muth. 2. Bd.: Die politischen Parteiungen des Mittelalters. Braunschweig,
Schwetschke u. Sohn. --

her, die den Geist der Medicin zu leicht faßlich hielten, um ernste Studien
in derselben zu machen und die nach Durchlesung einer Anthropologie sich fähig
fühlten, aus philosophischer Machtvollkommenheit den ganzen Menschen nachzu-
construiren,, wie ihn Gott geschaffen haben müßte. Diesen war natürlich mit
der mühsamen, bescheidenen Art der neueren Forschung umsoweniger gedient,
da sie derselben weder folgen konnten oder wollten, noch die Resultate abzu¬
leugnen vermochten. Nach ihnen faßten die Theologen den Vorwurf auf, da
sie von jeher der Wunder wegen "mit den Aerzten im Streite lagen und selbst
schon die Schöpfungsgeschichte preisgeben mußten. Von diesen ist die Klage
über Materialismus denn auch in die noch übrigen Kreise der Gesellschaft ge¬
drungen, so daß dieses Wort heutzutage wirklich zum Stichworte geworden ist.
Versteht man darunter die ungerechtfertigte Übertragung naturwissenschaftlicher
Hypothesen auf heterogene Gebiete (um von dem Gebrauche des Worts zur
Bezeichnung von Eigennutz und Geldgier, die jetzt nicht schlimmer sind als sie
immer waren, abzusehen), so hat der Vorwurf Sinn, trifft dann aber nur wenige
Naturforscher; verlangt man aber von diesen, daß sie umkehren und die Du-
don'sche Endeckung nicht weiter verfolgen sollen, weil die weiteren Forschungen
möglicherweise mit den Religionsansichten einiger Religionsparteien in unheil¬
baren Widerspruch gerathen könnten, so hat er keinen Sinn. Der Natur¬
forscher mag glauben was er will, aber als bewiesen darf er, wie der Mathe¬
matiker, nichts ansehen, was nicht bewiesen ist; auf diesem Wege erlangt er
die sicheren Resultate, welche niemand, der sie kennt, leugnet; wenn nun also
jemand vom christlichen Standpunkte aus diese Forschungen verwirft, so beweist
er dadurch nur die Mannhaftigkeit seiner religiösen Ueberzeugung, denn sonst
müßte er wissen, daß früher oder später ein Wendepunkt eintreten und dann
Theorien, die ihm jetzt heidnisch erscheinen, gradezu zum Beweise der Richtig¬
keit christlicher Ueberzeugung ausschlagen müßten. Wir haben also von der
Naturforschung nur zu verlangen, daß sie ausschließlich materiell-bleibe und
nur zu verhüten, daß nicht voreilige Hypothesen in ihr oder in andern Wissen¬
schaften einen unrechtmäßigen Einfluß gewinnen.




Neue Historische Schriften.
Die Sachsen in England. Eine Geschichte des englischen Staatswesens bis
aus die Zeit der normannischen Eroberung. Von John Mitchel Kemble.
Uebersetzt von Chr. Brandes. 2 Bde. Leipzig, T. O. Weigel. —
Geschichte der politischen Parteiungen alterund neuer Zeit. Von W. Wachs¬
muth. 2. Bd.: Die politischen Parteiungen des Mittelalters. Braunschweig,
Schwetschke u. Sohn. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/258>, abgerufen am 28.12.2024.