Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die in seiner "Wissenschaftslehre" ebenso zur theoretischen Erscheinung kommt,
wie in der französischen Revolution, abgesehen von ihren Entstellungen, zur
Praktischen. Schlegel hatte nicht so unrecht, wenn er diese beiden Erscheinungen
als die größten Tendenzen unsres Zeitalters zusammenstellte, obgleich er es
sich wol selbst nicht recht klar gemacht hat, was er damit meinte.

(Der Schluß im folgenden Heft.)




Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Rustschu et.

Rustschuck ist in den rechtswärtigen Stromwinkel zwischen Donau und
Lom eingeschoben und hat demnach zwei Wasserfronten, von denen die nörd¬
liche dem Ister, die andere, westliche, dem erwähnten hier mündenden Neben-
,flusse zugewendet ist. Diese Lage spricht eine nicht geringe Bedeutung an.
Gleich unterwärts der Stadt beginnt die breite, auf dem rechten Donauufer
hinziehende Niederung, welche sich bis Tvrtokan ausdehnt, und der entlang
die Donau in einer unzähligen Menge nach links übergreifender Arme fließt.
Von dem letztern Orte aufwärts ist infolge dieses Uferverhältnisseö Rustschuck
der nächste Bindcpunkt zwischen jenseits und diesseits, aber mehr im Sinne
eines Ueberganges von rechts nach links, wie umgekehrt. Mit andern Wor¬
ten: die Oertlichkeit ist behufs der Strompassage den Türken günstiges, wie
dem Feinde, welcher versuchen möchte, von der walachischen Seite her hier
die Donau zu überschreiten, und zwar nicht allein des dominirenden Ufers
wegen, sondern auch in Rücksicht auf die breite Mündung des Lom, welche
diesseits (auf dem bulgarischen User) einen gut gelegenen Sammelort für die
Brückenschiffe und zur Winterszeit einen vom Treibeis ungefährdeten Hafen
bildet.

Rustschuck macht ebensowenig wie die vorher beschriebenen türkischen Ort¬
schaften in Rücksicht auf Bauart und Reinlichkeit oder vielmehr Unreinlichkeit
auf den Gassen eine Ausnahme unter den Städten der griechischen Halbinsel.
Die Straßen sind schmal und meistens von nur niedrigen und baufälligen
Hütten eingefaßt; indeß gibt es in denjenigen Theilen des Orts, welche die
freie Aussicht auf die Donau haben, manche gut aussehende und an europäi¬
schen Ursprung erinnernde, halb im Geschmack moderner Villen erbaute Consulats-
gebäude. Sie sind meistens weiß angestrichen, mit Balkonen versehen und
haben Borhallen oder ein Sonnenzeit zum Entrüc.

Meine eigne Wohnung lag am Westende der Stadt und mithin nicht
'


33

die in seiner „Wissenschaftslehre" ebenso zur theoretischen Erscheinung kommt,
wie in der französischen Revolution, abgesehen von ihren Entstellungen, zur
Praktischen. Schlegel hatte nicht so unrecht, wenn er diese beiden Erscheinungen
als die größten Tendenzen unsres Zeitalters zusammenstellte, obgleich er es
sich wol selbst nicht recht klar gemacht hat, was er damit meinte.

(Der Schluß im folgenden Heft.)




Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Rustschu et.

Rustschuck ist in den rechtswärtigen Stromwinkel zwischen Donau und
Lom eingeschoben und hat demnach zwei Wasserfronten, von denen die nörd¬
liche dem Ister, die andere, westliche, dem erwähnten hier mündenden Neben-
,flusse zugewendet ist. Diese Lage spricht eine nicht geringe Bedeutung an.
Gleich unterwärts der Stadt beginnt die breite, auf dem rechten Donauufer
hinziehende Niederung, welche sich bis Tvrtokan ausdehnt, und der entlang
die Donau in einer unzähligen Menge nach links übergreifender Arme fließt.
Von dem letztern Orte aufwärts ist infolge dieses Uferverhältnisseö Rustschuck
der nächste Bindcpunkt zwischen jenseits und diesseits, aber mehr im Sinne
eines Ueberganges von rechts nach links, wie umgekehrt. Mit andern Wor¬
ten: die Oertlichkeit ist behufs der Strompassage den Türken günstiges, wie
dem Feinde, welcher versuchen möchte, von der walachischen Seite her hier
die Donau zu überschreiten, und zwar nicht allein des dominirenden Ufers
wegen, sondern auch in Rücksicht auf die breite Mündung des Lom, welche
diesseits (auf dem bulgarischen User) einen gut gelegenen Sammelort für die
Brückenschiffe und zur Winterszeit einen vom Treibeis ungefährdeten Hafen
bildet.

Rustschuck macht ebensowenig wie die vorher beschriebenen türkischen Ort¬
schaften in Rücksicht auf Bauart und Reinlichkeit oder vielmehr Unreinlichkeit
auf den Gassen eine Ausnahme unter den Städten der griechischen Halbinsel.
Die Straßen sind schmal und meistens von nur niedrigen und baufälligen
Hütten eingefaßt; indeß gibt es in denjenigen Theilen des Orts, welche die
freie Aussicht auf die Donau haben, manche gut aussehende und an europäi¬
schen Ursprung erinnernde, halb im Geschmack moderner Villen erbaute Consulats-
gebäude. Sie sind meistens weiß angestrichen, mit Balkonen versehen und
haben Borhallen oder ein Sonnenzeit zum Entrüc.

Meine eigne Wohnung lag am Westende der Stadt und mithin nicht
'


33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281418"/>
            <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> die in seiner &#x201E;Wissenschaftslehre" ebenso zur theoretischen Erscheinung kommt,<lb/>
wie in der französischen Revolution, abgesehen von ihren Entstellungen, zur<lb/>
Praktischen. Schlegel hatte nicht so unrecht, wenn er diese beiden Erscheinungen<lb/>
als die größten Tendenzen unsres Zeitalters zusammenstellte, obgleich er es<lb/>
sich wol selbst nicht recht klar gemacht hat, was er damit meinte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_821"> (Der Schluß im folgenden Heft.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Rustschu et.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_822"> Rustschuck ist in den rechtswärtigen Stromwinkel zwischen Donau und<lb/>
Lom eingeschoben und hat demnach zwei Wasserfronten, von denen die nörd¬<lb/>
liche dem Ister, die andere, westliche, dem erwähnten hier mündenden Neben-<lb/>
,flusse zugewendet ist. Diese Lage spricht eine nicht geringe Bedeutung an.<lb/>
Gleich unterwärts der Stadt beginnt die breite, auf dem rechten Donauufer<lb/>
hinziehende Niederung, welche sich bis Tvrtokan ausdehnt, und der entlang<lb/>
die Donau in einer unzähligen Menge nach links übergreifender Arme fließt.<lb/>
Von dem letztern Orte aufwärts ist infolge dieses Uferverhältnisseö Rustschuck<lb/>
der nächste Bindcpunkt zwischen jenseits und diesseits, aber mehr im Sinne<lb/>
eines Ueberganges von rechts nach links, wie umgekehrt. Mit andern Wor¬<lb/>
ten: die Oertlichkeit ist behufs der Strompassage den Türken günstiges, wie<lb/>
dem Feinde, welcher versuchen möchte, von der walachischen Seite her hier<lb/>
die Donau zu überschreiten, und zwar nicht allein des dominirenden Ufers<lb/>
wegen, sondern auch in Rücksicht auf die breite Mündung des Lom, welche<lb/>
diesseits (auf dem bulgarischen User) einen gut gelegenen Sammelort für die<lb/>
Brückenschiffe und zur Winterszeit einen vom Treibeis ungefährdeten Hafen<lb/>
bildet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_823"> Rustschuck macht ebensowenig wie die vorher beschriebenen türkischen Ort¬<lb/>
schaften in Rücksicht auf Bauart und Reinlichkeit oder vielmehr Unreinlichkeit<lb/>
auf den Gassen eine Ausnahme unter den Städten der griechischen Halbinsel.<lb/>
Die Straßen sind schmal und meistens von nur niedrigen und baufälligen<lb/>
Hütten eingefaßt; indeß gibt es in denjenigen Theilen des Orts, welche die<lb/>
freie Aussicht auf die Donau haben, manche gut aussehende und an europäi¬<lb/>
schen Ursprung erinnernde, halb im Geschmack moderner Villen erbaute Consulats-<lb/>
gebäude. Sie sind meistens weiß angestrichen, mit Balkonen versehen und<lb/>
haben Borhallen oder ein Sonnenzeit zum Entrüc.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_824" next="#ID_825"> Meine eigne Wohnung lag am Westende der Stadt und mithin nicht<lb/>
'</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 33</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] die in seiner „Wissenschaftslehre" ebenso zur theoretischen Erscheinung kommt, wie in der französischen Revolution, abgesehen von ihren Entstellungen, zur Praktischen. Schlegel hatte nicht so unrecht, wenn er diese beiden Erscheinungen als die größten Tendenzen unsres Zeitalters zusammenstellte, obgleich er es sich wol selbst nicht recht klar gemacht hat, was er damit meinte. (Der Schluß im folgenden Heft.) Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei. Rustschu et. Rustschuck ist in den rechtswärtigen Stromwinkel zwischen Donau und Lom eingeschoben und hat demnach zwei Wasserfronten, von denen die nörd¬ liche dem Ister, die andere, westliche, dem erwähnten hier mündenden Neben- ,flusse zugewendet ist. Diese Lage spricht eine nicht geringe Bedeutung an. Gleich unterwärts der Stadt beginnt die breite, auf dem rechten Donauufer hinziehende Niederung, welche sich bis Tvrtokan ausdehnt, und der entlang die Donau in einer unzähligen Menge nach links übergreifender Arme fließt. Von dem letztern Orte aufwärts ist infolge dieses Uferverhältnisseö Rustschuck der nächste Bindcpunkt zwischen jenseits und diesseits, aber mehr im Sinne eines Ueberganges von rechts nach links, wie umgekehrt. Mit andern Wor¬ ten: die Oertlichkeit ist behufs der Strompassage den Türken günstiges, wie dem Feinde, welcher versuchen möchte, von der walachischen Seite her hier die Donau zu überschreiten, und zwar nicht allein des dominirenden Ufers wegen, sondern auch in Rücksicht auf die breite Mündung des Lom, welche diesseits (auf dem bulgarischen User) einen gut gelegenen Sammelort für die Brückenschiffe und zur Winterszeit einen vom Treibeis ungefährdeten Hafen bildet. Rustschuck macht ebensowenig wie die vorher beschriebenen türkischen Ort¬ schaften in Rücksicht auf Bauart und Reinlichkeit oder vielmehr Unreinlichkeit auf den Gassen eine Ausnahme unter den Städten der griechischen Halbinsel. Die Straßen sind schmal und meistens von nur niedrigen und baufälligen Hütten eingefaßt; indeß gibt es in denjenigen Theilen des Orts, welche die freie Aussicht auf die Donau haben, manche gut aussehende und an europäi¬ schen Ursprung erinnernde, halb im Geschmack moderner Villen erbaute Consulats- gebäude. Sie sind meistens weiß angestrichen, mit Balkonen versehen und haben Borhallen oder ein Sonnenzeit zum Entrüc. Meine eigne Wohnung lag am Westende der Stadt und mithin nicht ' 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/267>, abgerufen am 27.07.2024.