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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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weit vom Lom und der Donau. Es war ein neues Haus und als solches
ein Muster des neuesten türkischen Stils., Durch ein niedriges Thorweg ge¬
langte man in eine aus Holz gewölbte, mit vielem Schnitzwerk verzierte Vor¬
halle , von der aus nach rechts und links schmale Treppen zur oberen Etage
hinaufführten, deren Haupttheil in der Mitte von >einem in Kreuzform erbau¬
ten Saal eingenommen wurde. ' Die einspringenden Ecken dieses Saals ließen
den Raum für vier andere Gemächer reservirt, die indeß nur klein waren und
sich durch nichts als breite, mit buntem Kattun überzogene Divans und außer¬
gewöhnlich große weiße Kachelofen auszeichneten. Es ist bemerkenswerth, daß
die Oefen das Hauptunterscheidungsmerkmal der innern Hauseinrichtung zwi¬
schen den Wohnungen im Norden und Süden des Balkan ausmachen. In
Rumelien, auch dem nördlicheren, kennt man keine andere Heizvorrichtung wie
das Kohlenbecken oder Mangal. Es ist nicht immer ausreichend, genügt aber
in den meisten Fällen. Dagegen würde der Winter in Bulgarien und Serbien,
desgleichen in der Dvbrudscha und dem Paschalik Sophia ohne Oefen ganz
unerträglich sein.

Rustschuck ist erst um die Mitte der Negierung Sultan Mahmud II. aus
einer bloßen Toprak Kate (Erdsestung) zu einer Tahas Kate erhoben worden,
was einen Platz bedeuten will, dessen Escarpen und Contreescarpen mit Stein
repetirt sind. Der greise Commandant der Artillerie in der Festung, Mehemmed
Pascha, erinnerte sich noch deutlich der Belagerung vom Jahre 1810, und
namentlich des am 3. August glücklich abgeschlagenen Sturmversuchs der Russen
aus die untere (östliche) Stadtfronte. Die Türken verloren dabei seinen An¬
gaben nach 2000, dagegen die Russen 11,000 Mann. Aehnlich wie in den
heutigen Tagen vor Silistria wurde ein Waffenstillstand geschlossen, um die
Leichen zu beerdigen.

In türkischen Städten hat es für den Europäer stets außerordentliche
Schwierigkeiten, einen Mittagstisch zu finden. Die ganze Classe der Gasthäuser
wird zumeist ausnahmelos durch jene elenden Hans repräsentirt, in denen man
nicht Messer noch Gabel auftreiben kann und wo nichtsdestoweniger der Franke
über alle Maßen zahlen muß, um das Nothwendigste an Speise und Trank
zu bekommen. Nach langem Suchen fand sich indeß eine Locanda, die von
einem Ungarn, der mit der Emigration vom Jahre 1849 nach Bulgarien ge¬
kommen war, etablirt worden ist. Es bedarf nicht erst der Versicherung, daß
die Kochkunst hier keineswegs auf einer hohen Stufe stand. Aber was das
Haus bot, war dennoch'bei weitem den Producten der Hanküchcn vorzuziehen.
Zum ersten Male nach langer Zeit wieder eine leidliche Fleischbrühsuppe, welche
beiläufig bemerkt die türkischen Köche kaum zu kennen scheinen, sodann Kar¬
toffeln und Kalbfleisch -- beides ebenfalls Raritäten auf dem rechten Ufer der
untern Donau. Kälber zu schlachten gilt in den Augen der Osmanen für eine arge


weit vom Lom und der Donau. Es war ein neues Haus und als solches
ein Muster des neuesten türkischen Stils., Durch ein niedriges Thorweg ge¬
langte man in eine aus Holz gewölbte, mit vielem Schnitzwerk verzierte Vor¬
halle , von der aus nach rechts und links schmale Treppen zur oberen Etage
hinaufführten, deren Haupttheil in der Mitte von >einem in Kreuzform erbau¬
ten Saal eingenommen wurde. ' Die einspringenden Ecken dieses Saals ließen
den Raum für vier andere Gemächer reservirt, die indeß nur klein waren und
sich durch nichts als breite, mit buntem Kattun überzogene Divans und außer¬
gewöhnlich große weiße Kachelofen auszeichneten. Es ist bemerkenswerth, daß
die Oefen das Hauptunterscheidungsmerkmal der innern Hauseinrichtung zwi¬
schen den Wohnungen im Norden und Süden des Balkan ausmachen. In
Rumelien, auch dem nördlicheren, kennt man keine andere Heizvorrichtung wie
das Kohlenbecken oder Mangal. Es ist nicht immer ausreichend, genügt aber
in den meisten Fällen. Dagegen würde der Winter in Bulgarien und Serbien,
desgleichen in der Dvbrudscha und dem Paschalik Sophia ohne Oefen ganz
unerträglich sein.

Rustschuck ist erst um die Mitte der Negierung Sultan Mahmud II. aus
einer bloßen Toprak Kate (Erdsestung) zu einer Tahas Kate erhoben worden,
was einen Platz bedeuten will, dessen Escarpen und Contreescarpen mit Stein
repetirt sind. Der greise Commandant der Artillerie in der Festung, Mehemmed
Pascha, erinnerte sich noch deutlich der Belagerung vom Jahre 1810, und
namentlich des am 3. August glücklich abgeschlagenen Sturmversuchs der Russen
aus die untere (östliche) Stadtfronte. Die Türken verloren dabei seinen An¬
gaben nach 2000, dagegen die Russen 11,000 Mann. Aehnlich wie in den
heutigen Tagen vor Silistria wurde ein Waffenstillstand geschlossen, um die
Leichen zu beerdigen.

In türkischen Städten hat es für den Europäer stets außerordentliche
Schwierigkeiten, einen Mittagstisch zu finden. Die ganze Classe der Gasthäuser
wird zumeist ausnahmelos durch jene elenden Hans repräsentirt, in denen man
nicht Messer noch Gabel auftreiben kann und wo nichtsdestoweniger der Franke
über alle Maßen zahlen muß, um das Nothwendigste an Speise und Trank
zu bekommen. Nach langem Suchen fand sich indeß eine Locanda, die von
einem Ungarn, der mit der Emigration vom Jahre 1849 nach Bulgarien ge¬
kommen war, etablirt worden ist. Es bedarf nicht erst der Versicherung, daß
die Kochkunst hier keineswegs auf einer hohen Stufe stand. Aber was das
Haus bot, war dennoch'bei weitem den Producten der Hanküchcn vorzuziehen.
Zum ersten Male nach langer Zeit wieder eine leidliche Fleischbrühsuppe, welche
beiläufig bemerkt die türkischen Köche kaum zu kennen scheinen, sodann Kar¬
toffeln und Kalbfleisch — beides ebenfalls Raritäten auf dem rechten Ufer der
untern Donau. Kälber zu schlachten gilt in den Augen der Osmanen für eine arge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/268>, abgerufen am 09.11.2024.