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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Ueber Discontogesellschaften.

Wo die socialen und die politischen Zustände der nützlichen Thätigkeit
freie Bewegung, den Personen und dem Eigenthum Schutz und Sicherheit
gewähren, wo eine zahlreiche Bevölkerung, mit Fertigkeiten, Capital und Un¬
ternehmungsgeist ausgerüstet, durch Production und Handel ihre Lage zu ver¬
bessern, ihre Macht zu stärken und im Weltverkehr mit andern zu wetteifern
strebt, wo sich in ihr der Trieb regt, zu solchen Zwecken die Kräfte vieler zu
vereinigen: da erscheint der Credit, gründet seine Anstalten, erschafft seine
Zeichen und vermittelt einen Verkehr, wie es die alleinige Hilfe.des Geldes
von ferne nicht vermocht haben würde. Er nimmt nicht dem einen, was er
dem andern gibt, er setzt das Vertrauen an die Stelle der List und Gewalt
und leistet der Gesellschaft weit mehr, als die rohen Mittel der Sklaven-'und
Frohndienste. der Eroberungen und Erpressungen jemals denen eingebracht ha¬
ben, die sich derselben bedienen konnten.

Der Credit verrichtet zweierlei: er schafft Capital von einem Ort zum an¬
dern, und er trennt den Zeitpunkt des Kaufens von dem des Bezahlens, in¬
dem er die niedergeschriebene Forderung des Gläubigers verkäuflich und um¬
laufsfähig macht. Er bringt sonach nicht unmittelbar neue Werthe hervor,
aber er bewirkt, daß solche in größerer Menge hervorgebracht und eingesetzt
werden können, als ohne seine Hilfe möglich sein würde.

Der Credit kann also nicht kommen vor seiner Zeit und er kann keine
Wunder thun; er läßt sich nicht schenken, sondern er will verdient sein. Er
setzt,eine bereits vorgeschrittene volkswirthschaftliche Entwicklung voraus, die,
wie, jede andre, von vorn anfängt, und es ist ebensowenig möglich, unter
allen Umständen durch Creditzeichen den Wohlstand zu verschaffen, alö einen
Wilden dadurch zum Gelehrten zu machen, daß man ihm eine Bibliothek zur
Verfügung stellt.

In der neueren Gestaltung des Weltverkehrs bildet der Credit einen we¬
sentlichen Bestandtheil neben der Vermehrung und Beschleunigung der Ver¬
bindungen und dem Hereinziehen bisher unbeachteter Länder in die stets sich
erweiternden Kreise der, Menschen- und Güterbewegung. Er hat, namentlich
auch in Deutschland, seine volle Ausbildung noch nicht erreicht, aber er strebt,
den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, zu genüge,,,, indem er neben
den älteren immer neue Organe schafft, zu denen sich zahlreiche Theilnehmer
aus allen Classen der Bevölkerung vereinigen.

Die meisten Creditanstalten, die am besten gerathenen, sind zur Abhilfe
drückender Uebelstände, localer oder allgemeiner Natur, geschaffen worden, wie
Finanzverlegenheiten der Staaten, Ueberschüttung des Grundbesitzes, Münz-


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Ueber Discontogesellschaften.

Wo die socialen und die politischen Zustände der nützlichen Thätigkeit
freie Bewegung, den Personen und dem Eigenthum Schutz und Sicherheit
gewähren, wo eine zahlreiche Bevölkerung, mit Fertigkeiten, Capital und Un¬
ternehmungsgeist ausgerüstet, durch Production und Handel ihre Lage zu ver¬
bessern, ihre Macht zu stärken und im Weltverkehr mit andern zu wetteifern
strebt, wo sich in ihr der Trieb regt, zu solchen Zwecken die Kräfte vieler zu
vereinigen: da erscheint der Credit, gründet seine Anstalten, erschafft seine
Zeichen und vermittelt einen Verkehr, wie es die alleinige Hilfe.des Geldes
von ferne nicht vermocht haben würde. Er nimmt nicht dem einen, was er
dem andern gibt, er setzt das Vertrauen an die Stelle der List und Gewalt
und leistet der Gesellschaft weit mehr, als die rohen Mittel der Sklaven-'und
Frohndienste. der Eroberungen und Erpressungen jemals denen eingebracht ha¬
ben, die sich derselben bedienen konnten.

Der Credit verrichtet zweierlei: er schafft Capital von einem Ort zum an¬
dern, und er trennt den Zeitpunkt des Kaufens von dem des Bezahlens, in¬
dem er die niedergeschriebene Forderung des Gläubigers verkäuflich und um¬
laufsfähig macht. Er bringt sonach nicht unmittelbar neue Werthe hervor,
aber er bewirkt, daß solche in größerer Menge hervorgebracht und eingesetzt
werden können, als ohne seine Hilfe möglich sein würde.

Der Credit kann also nicht kommen vor seiner Zeit und er kann keine
Wunder thun; er läßt sich nicht schenken, sondern er will verdient sein. Er
setzt,eine bereits vorgeschrittene volkswirthschaftliche Entwicklung voraus, die,
wie, jede andre, von vorn anfängt, und es ist ebensowenig möglich, unter
allen Umständen durch Creditzeichen den Wohlstand zu verschaffen, alö einen
Wilden dadurch zum Gelehrten zu machen, daß man ihm eine Bibliothek zur
Verfügung stellt.

In der neueren Gestaltung des Weltverkehrs bildet der Credit einen we¬
sentlichen Bestandtheil neben der Vermehrung und Beschleunigung der Ver¬
bindungen und dem Hereinziehen bisher unbeachteter Länder in die stets sich
erweiternden Kreise der, Menschen- und Güterbewegung. Er hat, namentlich
auch in Deutschland, seine volle Ausbildung noch nicht erreicht, aber er strebt,
den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, zu genüge,,,, indem er neben
den älteren immer neue Organe schafft, zu denen sich zahlreiche Theilnehmer
aus allen Classen der Bevölkerung vereinigen.

Die meisten Creditanstalten, die am besten gerathenen, sind zur Abhilfe
drückender Uebelstände, localer oder allgemeiner Natur, geschaffen worden, wie
Finanzverlegenheiten der Staaten, Ueberschüttung des Grundbesitzes, Münz-


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[0025] Ueber Discontogesellschaften. Wo die socialen und die politischen Zustände der nützlichen Thätigkeit freie Bewegung, den Personen und dem Eigenthum Schutz und Sicherheit gewähren, wo eine zahlreiche Bevölkerung, mit Fertigkeiten, Capital und Un¬ ternehmungsgeist ausgerüstet, durch Production und Handel ihre Lage zu ver¬ bessern, ihre Macht zu stärken und im Weltverkehr mit andern zu wetteifern strebt, wo sich in ihr der Trieb regt, zu solchen Zwecken die Kräfte vieler zu vereinigen: da erscheint der Credit, gründet seine Anstalten, erschafft seine Zeichen und vermittelt einen Verkehr, wie es die alleinige Hilfe.des Geldes von ferne nicht vermocht haben würde. Er nimmt nicht dem einen, was er dem andern gibt, er setzt das Vertrauen an die Stelle der List und Gewalt und leistet der Gesellschaft weit mehr, als die rohen Mittel der Sklaven-'und Frohndienste. der Eroberungen und Erpressungen jemals denen eingebracht ha¬ ben, die sich derselben bedienen konnten. Der Credit verrichtet zweierlei: er schafft Capital von einem Ort zum an¬ dern, und er trennt den Zeitpunkt des Kaufens von dem des Bezahlens, in¬ dem er die niedergeschriebene Forderung des Gläubigers verkäuflich und um¬ laufsfähig macht. Er bringt sonach nicht unmittelbar neue Werthe hervor, aber er bewirkt, daß solche in größerer Menge hervorgebracht und eingesetzt werden können, als ohne seine Hilfe möglich sein würde. Der Credit kann also nicht kommen vor seiner Zeit und er kann keine Wunder thun; er läßt sich nicht schenken, sondern er will verdient sein. Er setzt,eine bereits vorgeschrittene volkswirthschaftliche Entwicklung voraus, die, wie, jede andre, von vorn anfängt, und es ist ebensowenig möglich, unter allen Umständen durch Creditzeichen den Wohlstand zu verschaffen, alö einen Wilden dadurch zum Gelehrten zu machen, daß man ihm eine Bibliothek zur Verfügung stellt. In der neueren Gestaltung des Weltverkehrs bildet der Credit einen we¬ sentlichen Bestandtheil neben der Vermehrung und Beschleunigung der Ver¬ bindungen und dem Hereinziehen bisher unbeachteter Länder in die stets sich erweiternden Kreise der, Menschen- und Güterbewegung. Er hat, namentlich auch in Deutschland, seine volle Ausbildung noch nicht erreicht, aber er strebt, den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, zu genüge,,,, indem er neben den älteren immer neue Organe schafft, zu denen sich zahlreiche Theilnehmer aus allen Classen der Bevölkerung vereinigen. Die meisten Creditanstalten, die am besten gerathenen, sind zur Abhilfe drückender Uebelstände, localer oder allgemeiner Natur, geschaffen worden, wie Finanzverlegenheiten der Staaten, Ueberschüttung des Grundbesitzes, Münz- Krenzl'otcii. III. IN;/»,. > Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/25>, abgerufen am 27.07.2024.