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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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denn nach kurzem kam er zurück und ließ nicht ab, den Ort fortdauernd zu
umkreisen.

Prawadi ist ein sehr wichtiger Paßpunkt und Straßenknoten und eben¬
deshalb in militärischer Hinsicht von großer Bedeutung. Außerdem ist eS
Centrum einer Vertheidigungslinie, deren linker Flügel sich auf Schumla stützen
würde, während der andere seine Anlehnung in.Varna hätte. In dem letzten
Russenkriege war hier ein bedeutenderes Gefecht, welches nicht zu Gunsten
der Türken endete.

Wenn Paskewitsch, oder wer sonst jetzt die Russen in der Dobrudscha com-
mandirt, weiter vorschreiten sollte, wird es wiederum möglicherweise hinter
dieser Linie sein, wo die Vertheidigung den Angriff erwarten wird -- wie ich
hoffe mit mehr Glück als das letzte Mal.

Das Plateau erweist sich nur als klein, aber ein flüchtiger Ueberblick
schon konnte zeigen, daß es sich vortrefflich zu einem festen Posten eignen
werde. Nach allen Seiten hin hatten wir von oben herunter eine herrliche
Aussicht theils in das große Prawadithal, theils in verschiedene andere Quer¬
thäler und Abgründe. Es ist dies der wildeste und romantischste Punkt, den
ich seither auf meinen Reisen in der europäischen Türkei kennen lernte. Nicht
ohne Mühe gelangten wir darauf aus dem nämlichen Pfade wieder zur Thal¬
sohle hinunter.


Von Prawadi nach Schumla.

Ehe noch ein Strahl des Frühroths in das ticfeingeschnittene Felsthal
fiel, standen unsere Wagen bespannt, um uns nach Schumla zu führen.
Indeß dauerte es ziemlich lange, bevor wir zur Abfahrt kamen, und eine
Viertelstunde darnach, als wir aus dem Kessel auf eine kleine Ebene gelangten,
sahen wir über den flacheren Bergkronen die hellen Sonnenstrahlen vorbrechen.

Der Weg von Prawadi nach Schumla ist einfach zu beschreiben. Zumeist
sind es Thäler, aus deren Sohle er entlang führt. Die Berge sind von ver¬
schiedenster Form, hierund dort Kuppen, anderwärts sargartig geformt und
erinnern in ihrer Structur an Landschaften in Hessen und Franken. Von der
reichen mitteldeutschen Waldvegetation ist freilich hier nicht die Rede.

Wir waren eine Stunde lang gefahren, als uns eine Tatarenpost begeg¬
nete: drei Reiter mit hinter dem Sattel aufgeschnallten kleinen Felleisen. An
einer andern Stelle bemerkte ich wol schon einiges über die Organisation des
hiesigen Postdicnstes. Derselbe ist nur für die Beförderung von Briefen und
Zeitungen bestimmt; alle andern Dinge, namentlich größere Packete, sind aus¬
geschlossen. Die Tataren sind nicht etwa Nationale dieses Volksstammes, der
Name nimmt wesentlich auf ihre Beschäftigung, zu Pferde zu dienen, Bezug.


denn nach kurzem kam er zurück und ließ nicht ab, den Ort fortdauernd zu
umkreisen.

Prawadi ist ein sehr wichtiger Paßpunkt und Straßenknoten und eben¬
deshalb in militärischer Hinsicht von großer Bedeutung. Außerdem ist eS
Centrum einer Vertheidigungslinie, deren linker Flügel sich auf Schumla stützen
würde, während der andere seine Anlehnung in.Varna hätte. In dem letzten
Russenkriege war hier ein bedeutenderes Gefecht, welches nicht zu Gunsten
der Türken endete.

Wenn Paskewitsch, oder wer sonst jetzt die Russen in der Dobrudscha com-
mandirt, weiter vorschreiten sollte, wird es wiederum möglicherweise hinter
dieser Linie sein, wo die Vertheidigung den Angriff erwarten wird — wie ich
hoffe mit mehr Glück als das letzte Mal.

Das Plateau erweist sich nur als klein, aber ein flüchtiger Ueberblick
schon konnte zeigen, daß es sich vortrefflich zu einem festen Posten eignen
werde. Nach allen Seiten hin hatten wir von oben herunter eine herrliche
Aussicht theils in das große Prawadithal, theils in verschiedene andere Quer¬
thäler und Abgründe. Es ist dies der wildeste und romantischste Punkt, den
ich seither auf meinen Reisen in der europäischen Türkei kennen lernte. Nicht
ohne Mühe gelangten wir darauf aus dem nämlichen Pfade wieder zur Thal¬
sohle hinunter.


Von Prawadi nach Schumla.

Ehe noch ein Strahl des Frühroths in das ticfeingeschnittene Felsthal
fiel, standen unsere Wagen bespannt, um uns nach Schumla zu führen.
Indeß dauerte es ziemlich lange, bevor wir zur Abfahrt kamen, und eine
Viertelstunde darnach, als wir aus dem Kessel auf eine kleine Ebene gelangten,
sahen wir über den flacheren Bergkronen die hellen Sonnenstrahlen vorbrechen.

Der Weg von Prawadi nach Schumla ist einfach zu beschreiben. Zumeist
sind es Thäler, aus deren Sohle er entlang führt. Die Berge sind von ver¬
schiedenster Form, hierund dort Kuppen, anderwärts sargartig geformt und
erinnern in ihrer Structur an Landschaften in Hessen und Franken. Von der
reichen mitteldeutschen Waldvegetation ist freilich hier nicht die Rede.

Wir waren eine Stunde lang gefahren, als uns eine Tatarenpost begeg¬
nete: drei Reiter mit hinter dem Sattel aufgeschnallten kleinen Felleisen. An
einer andern Stelle bemerkte ich wol schon einiges über die Organisation des
hiesigen Postdicnstes. Derselbe ist nur für die Beförderung von Briefen und
Zeitungen bestimmt; alle andern Dinge, namentlich größere Packete, sind aus¬
geschlossen. Die Tataren sind nicht etwa Nationale dieses Volksstammes, der
Name nimmt wesentlich auf ihre Beschäftigung, zu Pferde zu dienen, Bezug.


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[0191] denn nach kurzem kam er zurück und ließ nicht ab, den Ort fortdauernd zu umkreisen. Prawadi ist ein sehr wichtiger Paßpunkt und Straßenknoten und eben¬ deshalb in militärischer Hinsicht von großer Bedeutung. Außerdem ist eS Centrum einer Vertheidigungslinie, deren linker Flügel sich auf Schumla stützen würde, während der andere seine Anlehnung in.Varna hätte. In dem letzten Russenkriege war hier ein bedeutenderes Gefecht, welches nicht zu Gunsten der Türken endete. Wenn Paskewitsch, oder wer sonst jetzt die Russen in der Dobrudscha com- mandirt, weiter vorschreiten sollte, wird es wiederum möglicherweise hinter dieser Linie sein, wo die Vertheidigung den Angriff erwarten wird — wie ich hoffe mit mehr Glück als das letzte Mal. Das Plateau erweist sich nur als klein, aber ein flüchtiger Ueberblick schon konnte zeigen, daß es sich vortrefflich zu einem festen Posten eignen werde. Nach allen Seiten hin hatten wir von oben herunter eine herrliche Aussicht theils in das große Prawadithal, theils in verschiedene andere Quer¬ thäler und Abgründe. Es ist dies der wildeste und romantischste Punkt, den ich seither auf meinen Reisen in der europäischen Türkei kennen lernte. Nicht ohne Mühe gelangten wir darauf aus dem nämlichen Pfade wieder zur Thal¬ sohle hinunter. Von Prawadi nach Schumla. Ehe noch ein Strahl des Frühroths in das ticfeingeschnittene Felsthal fiel, standen unsere Wagen bespannt, um uns nach Schumla zu führen. Indeß dauerte es ziemlich lange, bevor wir zur Abfahrt kamen, und eine Viertelstunde darnach, als wir aus dem Kessel auf eine kleine Ebene gelangten, sahen wir über den flacheren Bergkronen die hellen Sonnenstrahlen vorbrechen. Der Weg von Prawadi nach Schumla ist einfach zu beschreiben. Zumeist sind es Thäler, aus deren Sohle er entlang führt. Die Berge sind von ver¬ schiedenster Form, hierund dort Kuppen, anderwärts sargartig geformt und erinnern in ihrer Structur an Landschaften in Hessen und Franken. Von der reichen mitteldeutschen Waldvegetation ist freilich hier nicht die Rede. Wir waren eine Stunde lang gefahren, als uns eine Tatarenpost begeg¬ nete: drei Reiter mit hinter dem Sattel aufgeschnallten kleinen Felleisen. An einer andern Stelle bemerkte ich wol schon einiges über die Organisation des hiesigen Postdicnstes. Derselbe ist nur für die Beförderung von Briefen und Zeitungen bestimmt; alle andern Dinge, namentlich größere Packete, sind aus¬ geschlossen. Die Tataren sind nicht etwa Nationale dieses Volksstammes, der Name nimmt wesentlich auf ihre Beschäftigung, zu Pferde zu dienen, Bezug.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/191>, abgerufen am 27.07.2024.