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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Die Moldau-Walachei und der Romanismus.

Die Bevölkerung der Moldau und Walachei ist eine durchaus gleichartige,
obgleich zahlreiche Grieche" in diesen beiden Fürstentümern ihr Glück suchen und
Tausende von Zigeunern das Land durchstreifen. Die eigentlichen Herren des
Landes, die Türken, haben nicht das Recht, in demselben zu wohnen. Stammes¬
brüder der Moldau-Walachen wohnen in dem östlichen Ungarn, in ganz Sieben¬
bürgen, in der Bukowina und in Bessarabien. So umschließen der Dniester, die
Karpathen, die Theiß, die Donau und das schwarze Meer eine stammverwandte
Nation.-

In den Zeiten des Alterthums bewohnten diese Gegenden -die Dacer und
Geten. Kaiser Trajan warf sie über den Dniester zurück und siedelte aus dem
linken Donauufer römische Kolonisten an. Die Nachkommen dieser Kolonisten
sind die Moldau-Walachei^, welche noch hente Römer, Ronmani sich nennen.
Der Name Vlaskö oder Welsche ist ein slawisches Wort, mit welchem 'die Slawen
die lateinischen Völker überhaupt und insbesondere die Italiener bezeichneten.

Als dann die großen Einfälle der Barbaren in das römische Reich erfolgten,
wurden die Bewohner Dacicns theils in die Gebirge, das trajanische Dacier,
theils auf das rechte Donauufer zurückgedrängt, wo sie unter Aurelian das anre-
lianische Dacieu bildeten. Nach dem Einzuge der Avaren in Pannonien füllten
sich die verlassenen Donanebenen wieder mit ihrer romanischen Bevölkerung, welche
in kleinen Staaten sich gruppirte, ans denen im 13. Jahrhundert das Fürsten-
thum der Walachei, im 14. das der Moldau hervorging. Die Bewohner des
anrelianischcn Dciciens dagegen verblieben ans dem rechten Donaunser und ver¬
einigten sich mit den Bulgaren, mit denen sie das walachisch-bulgarische Reich
gründeten, das von den Griechen zerstört, dann wiederhergestellt und endlich von
den Türken für immer gestürzt wurde. Die seitdem in Thracien und Mace-
donien zerstreuten Walachei" leben hier mitten unter den Griechen-Slawen unter
dem Namen der Kutzv-Walachen, der Mvrlakcn und Zinzaren.

In der mittleren und neueren Geschichte erscheinen die Moldau-Walachen


Grenzboten. IV. 1863- 36
Die Moldau-Walachei und der Romanismus.

Die Bevölkerung der Moldau und Walachei ist eine durchaus gleichartige,
obgleich zahlreiche Grieche» in diesen beiden Fürstentümern ihr Glück suchen und
Tausende von Zigeunern das Land durchstreifen. Die eigentlichen Herren des
Landes, die Türken, haben nicht das Recht, in demselben zu wohnen. Stammes¬
brüder der Moldau-Walachen wohnen in dem östlichen Ungarn, in ganz Sieben¬
bürgen, in der Bukowina und in Bessarabien. So umschließen der Dniester, die
Karpathen, die Theiß, die Donau und das schwarze Meer eine stammverwandte
Nation.-

In den Zeiten des Alterthums bewohnten diese Gegenden -die Dacer und
Geten. Kaiser Trajan warf sie über den Dniester zurück und siedelte aus dem
linken Donauufer römische Kolonisten an. Die Nachkommen dieser Kolonisten
sind die Moldau-Walachei^, welche noch hente Römer, Ronmani sich nennen.
Der Name Vlaskö oder Welsche ist ein slawisches Wort, mit welchem 'die Slawen
die lateinischen Völker überhaupt und insbesondere die Italiener bezeichneten.

Als dann die großen Einfälle der Barbaren in das römische Reich erfolgten,
wurden die Bewohner Dacicns theils in die Gebirge, das trajanische Dacier,
theils auf das rechte Donauufer zurückgedrängt, wo sie unter Aurelian das anre-
lianische Dacieu bildeten. Nach dem Einzuge der Avaren in Pannonien füllten
sich die verlassenen Donanebenen wieder mit ihrer romanischen Bevölkerung, welche
in kleinen Staaten sich gruppirte, ans denen im 13. Jahrhundert das Fürsten-
thum der Walachei, im 14. das der Moldau hervorging. Die Bewohner des
anrelianischcn Dciciens dagegen verblieben ans dem rechten Donaunser und ver¬
einigten sich mit den Bulgaren, mit denen sie das walachisch-bulgarische Reich
gründeten, das von den Griechen zerstört, dann wiederhergestellt und endlich von
den Türken für immer gestürzt wurde. Die seitdem in Thracien und Mace-
donien zerstreuten Walachei« leben hier mitten unter den Griechen-Slawen unter
dem Namen der Kutzv-Walachen, der Mvrlakcn und Zinzaren.

In der mittleren und neueren Geschichte erscheinen die Moldau-Walachen


Grenzboten. IV. 1863- 36
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[0449] Die Moldau-Walachei und der Romanismus. Die Bevölkerung der Moldau und Walachei ist eine durchaus gleichartige, obgleich zahlreiche Grieche» in diesen beiden Fürstentümern ihr Glück suchen und Tausende von Zigeunern das Land durchstreifen. Die eigentlichen Herren des Landes, die Türken, haben nicht das Recht, in demselben zu wohnen. Stammes¬ brüder der Moldau-Walachen wohnen in dem östlichen Ungarn, in ganz Sieben¬ bürgen, in der Bukowina und in Bessarabien. So umschließen der Dniester, die Karpathen, die Theiß, die Donau und das schwarze Meer eine stammverwandte Nation.- In den Zeiten des Alterthums bewohnten diese Gegenden -die Dacer und Geten. Kaiser Trajan warf sie über den Dniester zurück und siedelte aus dem linken Donauufer römische Kolonisten an. Die Nachkommen dieser Kolonisten sind die Moldau-Walachei^, welche noch hente Römer, Ronmani sich nennen. Der Name Vlaskö oder Welsche ist ein slawisches Wort, mit welchem 'die Slawen die lateinischen Völker überhaupt und insbesondere die Italiener bezeichneten. Als dann die großen Einfälle der Barbaren in das römische Reich erfolgten, wurden die Bewohner Dacicns theils in die Gebirge, das trajanische Dacier, theils auf das rechte Donauufer zurückgedrängt, wo sie unter Aurelian das anre- lianische Dacieu bildeten. Nach dem Einzuge der Avaren in Pannonien füllten sich die verlassenen Donanebenen wieder mit ihrer romanischen Bevölkerung, welche in kleinen Staaten sich gruppirte, ans denen im 13. Jahrhundert das Fürsten- thum der Walachei, im 14. das der Moldau hervorging. Die Bewohner des anrelianischcn Dciciens dagegen verblieben ans dem rechten Donaunser und ver¬ einigten sich mit den Bulgaren, mit denen sie das walachisch-bulgarische Reich gründeten, das von den Griechen zerstört, dann wiederhergestellt und endlich von den Türken für immer gestürzt wurde. Die seitdem in Thracien und Mace- donien zerstreuten Walachei« leben hier mitten unter den Griechen-Slawen unter dem Namen der Kutzv-Walachen, der Mvrlakcn und Zinzaren. In der mittleren und neueren Geschichte erscheinen die Moldau-Walachen Grenzboten. IV. 1863- 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/449>, abgerufen am 05.02.2025.