Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Staaten werden entweder eine Beule der Russen, oder sie lösen sich einzeln ab Nachtrag. -- Als wir obiges schrieben, war die nähere Erläuterung der Demokratische Bewegungen. Wir haben vor einem Monat ein neu erschienenes geistvolles Werk über die Staaten werden entweder eine Beule der Russen, oder sie lösen sich einzeln ab Nachtrag. — Als wir obiges schrieben, war die nähere Erläuterung der Demokratische Bewegungen. Wir haben vor einem Monat ein neu erschienenes geistvolles Werk über die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96747"/> <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> Staaten werden entweder eine Beule der Russen, oder sie lösen sich einzeln ab<lb/> und treten dann in eine Föderativverbindnng. Wenn das letztere nicht möglich<lb/> ist — und es wird nicht möglich sein, wenn bis zu dem Termin, wo es eintritt,<lb/> nicht die russische Macht bereits eiuen starke» Stoß erlitten hat >— dann kommt<lb/> über die Griechen das Verhängnis;, aus türkischen Unterthanen russische zu werden,<lb/> und wir zweifeln doch daran, ob diese Veränderung ihrer Lage ihnen bequem<lb/> sein würde. Zur Gründung eines neuen Kaiserthums auf deu Trümmern eines<lb/> alten gehört eine bestehende, kräftige Nationalität, wozu den unter dem Collectiv¬<lb/> begriff „Griechen" zusammengefaßten Völkerschaften nichts weniger als alles abgeht.</p><lb/> <div n="2"> <head> Nachtrag. — </head> <p xml:id="ID_96"> Als wir obiges schrieben, war die nähere Erläuterung der<lb/> russischen Note, die sachliche Beleuchtung der türkischen Forderungen, noch nicht<lb/> bekannt geworden. Durch diese wird allerdings vieles geändert. Mit einer<lb/> Offenheit, die in Mitte der allgemeinen Schwäche und Unbestimmtheit etwas Aner-<lb/> kennenswerthes hat, präcifirt Rußland seine Ansprüche, und indem es erklärt,<lb/> daß diese in dem Wiener Notenentwurf im wesentlichen ihre volle Befriedigung<lb/> gefunden haben, widerlegt es die Sophisten, welche mit diesem Entwürfe die<lb/> gerechten Ansprüche der Türkei befriedigt sahen, und gibt den türkischen<lb/> Staatsmännern vollkommen recht, die sich gegen Mißverständnisse zu wahren<lb/> suchten. In jener Erläuterung ist das Maßloseste, was man bis jetzt hinter<lb/> den russischen Forderungen vermuthete, nicht nur bestätigt, sondern übertroffen.<lb/> Die Türkei wird zu einem Vasallenstaat erniedrigt, der, ganz nach der Auf¬<lb/> fassung der Wiener Korrespondenz, für jeden Fußtritt, der ihm widerrechtlich<lb/> gegeben wird, um Verzeihung bitten soll, damit die Ehre des russischen Kaisers<lb/> nicht gekränkt werde. Wenn Neschid Pascha schon damals erklärte, kein<lb/> türkischer Staatsmann könne sich soweit erniedrigen, eine so schimpfliche Note zu<lb/> unterzeichnen, so ist es nach dieser Note noch unmöglicher geworden. Der Krieg<lb/> scheint also — Dank der Aberdeeuscheu Weisheit! — unvermeidlich, und wir<lb/> wollen es abwarten, ob sich die englischen Flotten wirklich dazu hergeben werden,<lb/> die Büttel Rußlands zu spielen, um doch auch in dieser Beziehung das Beispiel<lb/> eines andern Staats nachzuahmen, der so vielen Anstoß erregte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Demokratische Bewegungen.</head><lb/> <p xml:id="ID_97" next="#ID_98"> Wir haben vor einem Monat ein neu erschienenes geistvolles Werk über die<lb/> „Realpolitik" mit großem Interesse besprochen; es ist seit der Zeit auch von den<lb/> meisten übrigen Blättern nach Gebühr gewürdigt worden. Gegen unsere Kritik</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Staaten werden entweder eine Beule der Russen, oder sie lösen sich einzeln ab
und treten dann in eine Föderativverbindnng. Wenn das letztere nicht möglich
ist — und es wird nicht möglich sein, wenn bis zu dem Termin, wo es eintritt,
nicht die russische Macht bereits eiuen starke» Stoß erlitten hat >— dann kommt
über die Griechen das Verhängnis;, aus türkischen Unterthanen russische zu werden,
und wir zweifeln doch daran, ob diese Veränderung ihrer Lage ihnen bequem
sein würde. Zur Gründung eines neuen Kaiserthums auf deu Trümmern eines
alten gehört eine bestehende, kräftige Nationalität, wozu den unter dem Collectiv¬
begriff „Griechen" zusammengefaßten Völkerschaften nichts weniger als alles abgeht.
Nachtrag. — Als wir obiges schrieben, war die nähere Erläuterung der
russischen Note, die sachliche Beleuchtung der türkischen Forderungen, noch nicht
bekannt geworden. Durch diese wird allerdings vieles geändert. Mit einer
Offenheit, die in Mitte der allgemeinen Schwäche und Unbestimmtheit etwas Aner-
kennenswerthes hat, präcifirt Rußland seine Ansprüche, und indem es erklärt,
daß diese in dem Wiener Notenentwurf im wesentlichen ihre volle Befriedigung
gefunden haben, widerlegt es die Sophisten, welche mit diesem Entwürfe die
gerechten Ansprüche der Türkei befriedigt sahen, und gibt den türkischen
Staatsmännern vollkommen recht, die sich gegen Mißverständnisse zu wahren
suchten. In jener Erläuterung ist das Maßloseste, was man bis jetzt hinter
den russischen Forderungen vermuthete, nicht nur bestätigt, sondern übertroffen.
Die Türkei wird zu einem Vasallenstaat erniedrigt, der, ganz nach der Auf¬
fassung der Wiener Korrespondenz, für jeden Fußtritt, der ihm widerrechtlich
gegeben wird, um Verzeihung bitten soll, damit die Ehre des russischen Kaisers
nicht gekränkt werde. Wenn Neschid Pascha schon damals erklärte, kein
türkischer Staatsmann könne sich soweit erniedrigen, eine so schimpfliche Note zu
unterzeichnen, so ist es nach dieser Note noch unmöglicher geworden. Der Krieg
scheint also — Dank der Aberdeeuscheu Weisheit! — unvermeidlich, und wir
wollen es abwarten, ob sich die englischen Flotten wirklich dazu hergeben werden,
die Büttel Rußlands zu spielen, um doch auch in dieser Beziehung das Beispiel
eines andern Staats nachzuahmen, der so vielen Anstoß erregte.
Demokratische Bewegungen.
Wir haben vor einem Monat ein neu erschienenes geistvolles Werk über die
„Realpolitik" mit großem Interesse besprochen; es ist seit der Zeit auch von den
meisten übrigen Blättern nach Gebühr gewürdigt worden. Gegen unsere Kritik
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