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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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war bekanntlich ein Freund Heinrich IV., ein eifriger Hugcnot, später Flüchtling
in der Schweiz und Großvater der gottesfürchtigen katholischen Königin von Frank¬
reich, der heiligen Maintenon.




Die Theater in Wien und Trieft.

Vielleicht hat kein Land solche Prodnctions- und Consumtionsfähigkeit wie
Oestreich. Dies gilt nicht nur in handelspolitischer Beziehung, auch vom Theater.
Wie" hat fünf Theater in der Stadt und in den Vorstädten und zwei Sommer-
bühueu, sogenannte Armen; und wenn es noch einmal soviele hätte, so würden
sie wahrscheinlich auch bestehen können. In Wien "speist" man drei bis vier¬
mal täglich warm und geht Abends inS Theater, oder zu irgend einer andern
Sehenswürdigkeit oder Lustbarkeit, und verausgabt dabei für sein Amüsement
durchschnittlich mindestens noch einmal soviel Geld als in Norddeutschland, aus
dem einfachen Grnnde, weil man mehr und leichter Geld verdient als dort, und
eben soviel Mal weniger ans Zinsen legt und seinen Erben hinterläßt.

Die beiden Stadtbühnen Wiens, daS k. k. Burgtheater, unter Heinrich
Landes trefflicher Leitung, für Drama und feineres Lustspiel, und das k. k.
Hofoperntheater nächst dem Kärnthnerthore, unter Julius Comer, für
Oper und Ballet, leisten wie bekannt Bedeutendes, und diese beiden unterscheiden
sich auch in ihrem ganzen Wesen nicht so sehr von norddeutschen Hofthcatern
ersten Ranges. Daß das Repertoir hier ein anderes ist, als z. B. in Berlin,
Dresden, Hamburg ze. liegt in den Localverhältnissen; daß die Usancen in der
technischen und artistischen GeschüftSführnng zum Theil andere sind als im Norden,
daß man an manchem Hergebrachten, Traditionellen festhält, das sind mehr oder
weniger Unwesentlichkeiten, die dem fremden Beschauer, der sich die Sache ober¬
flächlich ansteht, fast entgehen. Dagegen springt zweierlei bei diesen Theatern
in die Augen, ein Vorzug und ein Uebelstand. Ersterer: daß mau, namentlich
im Burgtheater und theilweise anch in der Oper mit den gegebenen Mitteln das
Beste zu leisten sich bemüht und in der That auch das möglichst Gute leistet.
Dies der Vorzug vor mancher großen norddeutschen Bühne. Ein Uebelstand
aber sind die beiden viel zu kleinen Räumlichkeiten. Mau erstaunt, wenn man
in das Burgtheater eintritt, und schon eine halbe Stunde vor dem Beginn der
Vorstellung sich überzeugt, daß nach dem Sprichwort "kein Apfel zur Erde
fallen kann"; wenn man vernimmt, daß schon um neun Uhr Morgens kein "Sitz"
mehr zu haben ist, oder wenn man im Fremdenblatt die zehnmal erfolglos wieder¬
holte Anzeige liest, daß von einer "distinguirten Frau" ein Logenplatz im zweiten
oder dritten "Stock" für jede vierte oder fünfte Vorstellung gesucht wird, --


war bekanntlich ein Freund Heinrich IV., ein eifriger Hugcnot, später Flüchtling
in der Schweiz und Großvater der gottesfürchtigen katholischen Königin von Frank¬
reich, der heiligen Maintenon.




Die Theater in Wien und Trieft.

Vielleicht hat kein Land solche Prodnctions- und Consumtionsfähigkeit wie
Oestreich. Dies gilt nicht nur in handelspolitischer Beziehung, auch vom Theater.
Wie» hat fünf Theater in der Stadt und in den Vorstädten und zwei Sommer-
bühueu, sogenannte Armen; und wenn es noch einmal soviele hätte, so würden
sie wahrscheinlich auch bestehen können. In Wien „speist" man drei bis vier¬
mal täglich warm und geht Abends inS Theater, oder zu irgend einer andern
Sehenswürdigkeit oder Lustbarkeit, und verausgabt dabei für sein Amüsement
durchschnittlich mindestens noch einmal soviel Geld als in Norddeutschland, aus
dem einfachen Grnnde, weil man mehr und leichter Geld verdient als dort, und
eben soviel Mal weniger ans Zinsen legt und seinen Erben hinterläßt.

Die beiden Stadtbühnen Wiens, daS k. k. Burgtheater, unter Heinrich
Landes trefflicher Leitung, für Drama und feineres Lustspiel, und das k. k.
Hofoperntheater nächst dem Kärnthnerthore, unter Julius Comer, für
Oper und Ballet, leisten wie bekannt Bedeutendes, und diese beiden unterscheiden
sich auch in ihrem ganzen Wesen nicht so sehr von norddeutschen Hofthcatern
ersten Ranges. Daß das Repertoir hier ein anderes ist, als z. B. in Berlin,
Dresden, Hamburg ze. liegt in den Localverhältnissen; daß die Usancen in der
technischen und artistischen GeschüftSführnng zum Theil andere sind als im Norden,
daß man an manchem Hergebrachten, Traditionellen festhält, das sind mehr oder
weniger Unwesentlichkeiten, die dem fremden Beschauer, der sich die Sache ober¬
flächlich ansteht, fast entgehen. Dagegen springt zweierlei bei diesen Theatern
in die Augen, ein Vorzug und ein Uebelstand. Ersterer: daß mau, namentlich
im Burgtheater und theilweise anch in der Oper mit den gegebenen Mitteln das
Beste zu leisten sich bemüht und in der That auch das möglichst Gute leistet.
Dies der Vorzug vor mancher großen norddeutschen Bühne. Ein Uebelstand
aber sind die beiden viel zu kleinen Räumlichkeiten. Mau erstaunt, wenn man
in das Burgtheater eintritt, und schon eine halbe Stunde vor dem Beginn der
Vorstellung sich überzeugt, daß nach dem Sprichwort „kein Apfel zur Erde
fallen kann"; wenn man vernimmt, daß schon um neun Uhr Morgens kein „Sitz"
mehr zu haben ist, oder wenn man im Fremdenblatt die zehnmal erfolglos wieder¬
holte Anzeige liest, daß von einer „distinguirten Frau" ein Logenplatz im zweiten
oder dritten „Stock" für jede vierte oder fünfte Vorstellung gesucht wird, —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/318>, abgerufen am 05.02.2025.