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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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England, Eskimos von Peels River hätten erzählt, es wären zwei Boote oder Schiffe
mit Weißen, östlich von Makenzie River gelandet und von den Eingeborenen er¬
mordet worden. Die Hypothese, daß Franklin nach dem Polarl'assin vorgedrungen,
hat man jetzt aufgegeben, weil seine Jnstructionen nicht dahin lauteten" und er
jedenfalls auf seinem letzten Rastort, am Cap Ulley, Nachricht hinterlassen hätte,
wenn er von ihnen abgewichen wäre. Eher glaubt man, daß er versucht hat,
nach Westen vorzudringen, und in einem der zahllosen Kanäle, welche die
Behrings- von der Davisstraße trennen, rettungslos vom Eise eingeschlossen oder
gesunken ist. Von praktischem Nutzen kaun selbstverständlich die Nvrdwestdurchfahrt
nicht sei", da sie mehre Sommer in Anspruch nimmt, und nur dnrch schmale,
seichte Kanäle, wo beständig widrige Wiude herrschen, und die häusig von Eis
verstopft werden, dicht am nördlichen Rande des Festlandes von Amerika hin
möglich ist.




Der russische Adel.

Der russische Adel, früher ans die Hauptstadt Moskau eingeschränkt, hat sich
gegenwärtig uuter einer Anzahl Gouveruementöstadte vertheilt, obgleich anch Mos¬
kau jetzt noch Hauptsitz des reichere" unabhängige" Adels ist, während in Peters¬
burg fast n"r der Dienstadel sich befindet.

Als Rurik mit seinen Brüdern und Gefolgschaften über das Meer kam, und
Großrußland unterjochte, vertheilte er das Land unter die ihn begleitenden War¬
äger. DaS war der Anfang der Monarchie und des Adels, der Bojaren oder
edle Krieger genannt wurde. Der erste Adel Rußlands ist el" eingewanderter,
fremder Dienstadel. Später entstände" Classen im Adel. Eine eigene Classe
bildeten die Krähe oder Fürsten, die theils von Rurik nud seinen Nachkommen
theils von vornehmen Warägergeschlcchtern oder fremden Fürstengeschlechter", wie
die Galizin, K"raki", Zagari" und Trubetzkoi abstammten. Eigentliche gesetzliche
Vorrechte und Privilegien hatte der Adel nicht. Auch Steuerfreiheit bestand nicht.
Die Tartaren besteuerten selbst Bojaren nud Krähe; mir die Geistlichkeit war
steuerfrei.

Unter den Romanows theilte sich der Adel in zwei Hauptclassen, in den
Hvfdienstadel und in den Stadtadel. Nur die Stellung im Hof- oder Staatsdienst,
nicht die Abkunft, gab dem einzelne" seine" Rang. Jeder Adelige war mit -18
Jahren dienstpflichtig, er erhielt dann aber auch Dieustgüter oder Geldeinkommen.
Zugleich wurde der Adel steuerfrei.

Die bisherige Adelsverfassiing aber, die zu steten Rangstreitigkeiten und in¬
neren Zerwürfnisse" führte, löste Zar Fevdor, der Bruder Peters des Großen,
ans. Er setzte völlige Gleichheit uuter dem Adel sest. Der Zar konnte unde-


England, Eskimos von Peels River hätten erzählt, es wären zwei Boote oder Schiffe
mit Weißen, östlich von Makenzie River gelandet und von den Eingeborenen er¬
mordet worden. Die Hypothese, daß Franklin nach dem Polarl'assin vorgedrungen,
hat man jetzt aufgegeben, weil seine Jnstructionen nicht dahin lauteten" und er
jedenfalls auf seinem letzten Rastort, am Cap Ulley, Nachricht hinterlassen hätte,
wenn er von ihnen abgewichen wäre. Eher glaubt man, daß er versucht hat,
nach Westen vorzudringen, und in einem der zahllosen Kanäle, welche die
Behrings- von der Davisstraße trennen, rettungslos vom Eise eingeschlossen oder
gesunken ist. Von praktischem Nutzen kaun selbstverständlich die Nvrdwestdurchfahrt
nicht sei», da sie mehre Sommer in Anspruch nimmt, und nur dnrch schmale,
seichte Kanäle, wo beständig widrige Wiude herrschen, und die häusig von Eis
verstopft werden, dicht am nördlichen Rande des Festlandes von Amerika hin
möglich ist.




Der russische Adel.

Der russische Adel, früher ans die Hauptstadt Moskau eingeschränkt, hat sich
gegenwärtig uuter einer Anzahl Gouveruementöstadte vertheilt, obgleich anch Mos¬
kau jetzt noch Hauptsitz des reichere» unabhängige» Adels ist, während in Peters¬
burg fast n»r der Dienstadel sich befindet.

Als Rurik mit seinen Brüdern und Gefolgschaften über das Meer kam, und
Großrußland unterjochte, vertheilte er das Land unter die ihn begleitenden War¬
äger. DaS war der Anfang der Monarchie und des Adels, der Bojaren oder
edle Krieger genannt wurde. Der erste Adel Rußlands ist el» eingewanderter,
fremder Dienstadel. Später entstände» Classen im Adel. Eine eigene Classe
bildeten die Krähe oder Fürsten, die theils von Rurik nud seinen Nachkommen
theils von vornehmen Warägergeschlcchtern oder fremden Fürstengeschlechter», wie
die Galizin, K»raki», Zagari» und Trubetzkoi abstammten. Eigentliche gesetzliche
Vorrechte und Privilegien hatte der Adel nicht. Auch Steuerfreiheit bestand nicht.
Die Tartaren besteuerten selbst Bojaren nud Krähe; mir die Geistlichkeit war
steuerfrei.

Unter den Romanows theilte sich der Adel in zwei Hauptclassen, in den
Hvfdienstadel und in den Stadtadel. Nur die Stellung im Hof- oder Staatsdienst,
nicht die Abkunft, gab dem einzelne» seine» Rang. Jeder Adelige war mit -18
Jahren dienstpflichtig, er erhielt dann aber auch Dieustgüter oder Geldeinkommen.
Zugleich wurde der Adel steuerfrei.

Die bisherige Adelsverfassiing aber, die zu steten Rangstreitigkeiten und in¬
neren Zerwürfnisse» führte, löste Zar Fevdor, der Bruder Peters des Großen,
ans. Er setzte völlige Gleichheit uuter dem Adel sest. Der Zar konnte unde-


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[0231] England, Eskimos von Peels River hätten erzählt, es wären zwei Boote oder Schiffe mit Weißen, östlich von Makenzie River gelandet und von den Eingeborenen er¬ mordet worden. Die Hypothese, daß Franklin nach dem Polarl'assin vorgedrungen, hat man jetzt aufgegeben, weil seine Jnstructionen nicht dahin lauteten" und er jedenfalls auf seinem letzten Rastort, am Cap Ulley, Nachricht hinterlassen hätte, wenn er von ihnen abgewichen wäre. Eher glaubt man, daß er versucht hat, nach Westen vorzudringen, und in einem der zahllosen Kanäle, welche die Behrings- von der Davisstraße trennen, rettungslos vom Eise eingeschlossen oder gesunken ist. Von praktischem Nutzen kaun selbstverständlich die Nvrdwestdurchfahrt nicht sei», da sie mehre Sommer in Anspruch nimmt, und nur dnrch schmale, seichte Kanäle, wo beständig widrige Wiude herrschen, und die häusig von Eis verstopft werden, dicht am nördlichen Rande des Festlandes von Amerika hin möglich ist. Der russische Adel. Der russische Adel, früher ans die Hauptstadt Moskau eingeschränkt, hat sich gegenwärtig uuter einer Anzahl Gouveruementöstadte vertheilt, obgleich anch Mos¬ kau jetzt noch Hauptsitz des reichere» unabhängige» Adels ist, während in Peters¬ burg fast n»r der Dienstadel sich befindet. Als Rurik mit seinen Brüdern und Gefolgschaften über das Meer kam, und Großrußland unterjochte, vertheilte er das Land unter die ihn begleitenden War¬ äger. DaS war der Anfang der Monarchie und des Adels, der Bojaren oder edle Krieger genannt wurde. Der erste Adel Rußlands ist el» eingewanderter, fremder Dienstadel. Später entstände» Classen im Adel. Eine eigene Classe bildeten die Krähe oder Fürsten, die theils von Rurik nud seinen Nachkommen theils von vornehmen Warägergeschlcchtern oder fremden Fürstengeschlechter», wie die Galizin, K»raki», Zagari» und Trubetzkoi abstammten. Eigentliche gesetzliche Vorrechte und Privilegien hatte der Adel nicht. Auch Steuerfreiheit bestand nicht. Die Tartaren besteuerten selbst Bojaren nud Krähe; mir die Geistlichkeit war steuerfrei. Unter den Romanows theilte sich der Adel in zwei Hauptclassen, in den Hvfdienstadel und in den Stadtadel. Nur die Stellung im Hof- oder Staatsdienst, nicht die Abkunft, gab dem einzelne» seine» Rang. Jeder Adelige war mit -18 Jahren dienstpflichtig, er erhielt dann aber auch Dieustgüter oder Geldeinkommen. Zugleich wurde der Adel steuerfrei. Die bisherige Adelsverfassiing aber, die zu steten Rangstreitigkeiten und in¬ neren Zerwürfnisse» führte, löste Zar Fevdor, der Bruder Peters des Großen, ans. Er setzte völlige Gleichheit uuter dem Adel sest. Der Zar konnte unde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/231>, abgerufen am 05.02.2025.