Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.schränkt in den Adel erheben und dieser Adel hatte fast ausschließlichen Anspruch Die Kaiserin Katharina 1l. gab dem Adel korporative und politische Rechte. Es hat dies darin seinen Grund, daß der russische Adel kein Landadel, son¬ schränkt in den Adel erheben und dieser Adel hatte fast ausschließlichen Anspruch Die Kaiserin Katharina 1l. gab dem Adel korporative und politische Rechte. Es hat dies darin seinen Grund, daß der russische Adel kein Landadel, son¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96937"/> <p xml:id="ID_647" prev="#ID_646"> schränkt in den Adel erheben und dieser Adel hatte fast ausschließlichen Anspruch<lb/> auf alle Staatsämter. Peter der Große hob zwar die Militär- und Hofdienst¬<lb/> pflicht des Adels auf, aber wenn zwei Generationen einer Familie nicht dienten,<lb/> so verloren.sie den Adel und seine Vorrechte. Nur derjenige hat in Nußland<lb/> Geltung in der Gesellschaft, der dient oder gedient hat. Der Adel ist die Pepi-<lb/> niere für den Offizierstand der Armee. Das russische Gesetzbuch, das Swod sagt:<lb/> „Der Adel ist eine Folge der Eigenschaften und Tugenden der im Alterthum<lb/> mit Staatswürden bekleideten Männer, die sich durch Verdienste ausgezeichnet,<lb/> wodurch sie den Dienst in Verdienst umwandelnd, ihrer Nachkommenschaft den<lb/> Titel „Wohlgeboren" erworben haben. Wohlgeboren heißen alle diejenigen,<lb/> welche entweder von wohlgeborner Vorfahren abstammen oder denen dieser Titel<lb/> von dem Monarchen verliehen worden. Der Adel wird eingetheilt 1) in den erb¬<lb/> liche» 2) in den persönlichen." Als Grundlagen alles Dienstranges in Nußland<lb/> gelten die 14 Gradationen im Offizierstande, denen die Rangstufen im Civildienst<lb/> entsprechen. Die Erwerbung des Fähnrichranges gewährt den persönlichen, die<lb/> Erwerbung des Stabsvfftzierranges erst den erblichen Adel. Im Civildieust ge¬<lb/> währt die Erwerbung der 4 i. oder Fähnrichsrangclasse nur den Rang eines per¬<lb/> sönlichen Ehrenbürgers, die der 9. Classe den persönlichen und erst die 3. Classe<lb/> den erblichen Adel.</p><lb/> <p xml:id="ID_648"> Die Kaiserin Katharina 1l. gab dem Adel korporative und politische Rechte.<lb/> Der Adel jedes Gouvernements bildet seitdem eine Corporation unter einem ge¬<lb/> wählten Adelsmarschall und so vielen Kreismarschällen, als Kreise im Gouverne¬<lb/> ment. Alle drei Jahre versammeln sich die Mitglieder der Corporation zu freien<lb/> Berathungen, denen der Gouverneur nicht beiwohnen darf. Die Corporation hat<lb/> ihr Siegel, ihr Archiv, ihr Secretariat, ihre Kasse. Sie kann Strafen über ihre<lb/> Mitglieder verhängen. Sie führt Geschlechtsregister und Adelsbücher. Sie hat<lb/> eine permanente Deputation, welche mit der der Städte zur Prüfung und Ver-<lb/> theilnng der Landessteucrn zusammentritt. Sie controlirt auch das Verhalten der<lb/> Gutsherrn gegen ihre Leibeigenen. In ihren Händen liegen fast alle administra¬<lb/> tiven und polizeilichen Functionen des Gouvernements. Sie wählt den größeren<lb/> Theil der richterlichen und Verwaltungsbeamten, leitet das Necrutirungswesen<lb/> und erhebt die Staatsabgabeu.</p><lb/> <p xml:id="ID_649" next="#ID_650"> Es hat dies darin seinen Grund, daß der russische Adel kein Landadel, son¬<lb/> dern ein Dienstadel ist. Er besitzt keine Landsitze, keine Oekonomien. Aller<lb/> Grund und Boden, der ihm gehört, ist einer bäuerlichen Dorfgemeinde überlassen,<lb/> die ihn einhaut und dem Herrn dafür steuert. Die Adeligen leben als Rentner<lb/> in der Stadt und besuchen ihre Landhäuser uur ans Wochen und Monate. Sie<lb/> veräußer» ihre Landsitze, sobald sie irgend einen Vortheil dabei sehen; die west¬<lb/> europäische Anhänglichkeit an das Vatcrerbe kennen sie nicht. Ueberdies wird<lb/> der Landbesitz durch die gleiche Theilung unter sämmtliche Söhne ungemein zer-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
schränkt in den Adel erheben und dieser Adel hatte fast ausschließlichen Anspruch
auf alle Staatsämter. Peter der Große hob zwar die Militär- und Hofdienst¬
pflicht des Adels auf, aber wenn zwei Generationen einer Familie nicht dienten,
so verloren.sie den Adel und seine Vorrechte. Nur derjenige hat in Nußland
Geltung in der Gesellschaft, der dient oder gedient hat. Der Adel ist die Pepi-
niere für den Offizierstand der Armee. Das russische Gesetzbuch, das Swod sagt:
„Der Adel ist eine Folge der Eigenschaften und Tugenden der im Alterthum
mit Staatswürden bekleideten Männer, die sich durch Verdienste ausgezeichnet,
wodurch sie den Dienst in Verdienst umwandelnd, ihrer Nachkommenschaft den
Titel „Wohlgeboren" erworben haben. Wohlgeboren heißen alle diejenigen,
welche entweder von wohlgeborner Vorfahren abstammen oder denen dieser Titel
von dem Monarchen verliehen worden. Der Adel wird eingetheilt 1) in den erb¬
liche» 2) in den persönlichen." Als Grundlagen alles Dienstranges in Nußland
gelten die 14 Gradationen im Offizierstande, denen die Rangstufen im Civildienst
entsprechen. Die Erwerbung des Fähnrichranges gewährt den persönlichen, die
Erwerbung des Stabsvfftzierranges erst den erblichen Adel. Im Civildieust ge¬
währt die Erwerbung der 4 i. oder Fähnrichsrangclasse nur den Rang eines per¬
sönlichen Ehrenbürgers, die der 9. Classe den persönlichen und erst die 3. Classe
den erblichen Adel.
Die Kaiserin Katharina 1l. gab dem Adel korporative und politische Rechte.
Der Adel jedes Gouvernements bildet seitdem eine Corporation unter einem ge¬
wählten Adelsmarschall und so vielen Kreismarschällen, als Kreise im Gouverne¬
ment. Alle drei Jahre versammeln sich die Mitglieder der Corporation zu freien
Berathungen, denen der Gouverneur nicht beiwohnen darf. Die Corporation hat
ihr Siegel, ihr Archiv, ihr Secretariat, ihre Kasse. Sie kann Strafen über ihre
Mitglieder verhängen. Sie führt Geschlechtsregister und Adelsbücher. Sie hat
eine permanente Deputation, welche mit der der Städte zur Prüfung und Ver-
theilnng der Landessteucrn zusammentritt. Sie controlirt auch das Verhalten der
Gutsherrn gegen ihre Leibeigenen. In ihren Händen liegen fast alle administra¬
tiven und polizeilichen Functionen des Gouvernements. Sie wählt den größeren
Theil der richterlichen und Verwaltungsbeamten, leitet das Necrutirungswesen
und erhebt die Staatsabgabeu.
Es hat dies darin seinen Grund, daß der russische Adel kein Landadel, son¬
dern ein Dienstadel ist. Er besitzt keine Landsitze, keine Oekonomien. Aller
Grund und Boden, der ihm gehört, ist einer bäuerlichen Dorfgemeinde überlassen,
die ihn einhaut und dem Herrn dafür steuert. Die Adeligen leben als Rentner
in der Stadt und besuchen ihre Landhäuser uur ans Wochen und Monate. Sie
veräußer» ihre Landsitze, sobald sie irgend einen Vortheil dabei sehen; die west¬
europäische Anhänglichkeit an das Vatcrerbe kennen sie nicht. Ueberdies wird
der Landbesitz durch die gleiche Theilung unter sämmtliche Söhne ungemein zer-
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