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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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keit zeigen, und von denen man, wenn auch nur in sehr uneigentlichen Sinn, eine
Geschichte schreiben kann. So haben wir z> B. vor etwa einem Jahr von Pro¬
fessor Hinrichs in Halle eine Geschichte "der Könige" erwähnt. Auch hier konnten wir
die Wahl des Gegenstandes nicht billigen, denn die Beschaffenheit der verschie¬
denen Monarchien ist nicht aus dem Begriff des Königthums, sondern aus der
Natur der verschiedenen Völker, die unter Königen standen, sowie ans ihrer Lage
im Verhältniß zu andern Völkern hervorgegangen. Man kaun eine Geschichte
"der Könige" nicht schreiben, ohne die Geschichte ihrer Völker, uno da ist es zweck¬
mäßiger, man erspart sich diesen Umweg überhaupt. Aber im Begriff des König¬
thums liegt doch immer noch etwas Concretes und Einheitliches, das im Begriff
der "politischen Parteiung" gänzlich seht. Dieser Begriff ist vollständig farblos
und leer, wenn man ihn von den übrigen geschichtlichen Momenten isolirt. Wir
haben nach dem Titel nicht verstanden, wie sich diese "Geschichte der Parteiungen"
von einer allgemeinen Geschichte unterscheiden sollte, und wir verstehen es nach
der Durchsicht des Buches noch viel weniger. Im Anfange glaubten wir, es solle
die technische Seite des Gegenstandes hervorgehoben werde", die Art und Weise
der Organisation, der Geschäftsführung u. s. w. Aber schon die Ausführlichkeit,
mit welcher die alte Geschichte, selbst der Orient, die Juden, die Griechen u. s. w.
behandelt waren, brachte uns vondieser Idee zurück, und wir fanden in der That kei¬
nen andern Unterschied, als das stärkere Hervorheben des specifisch politischen Elements
über das religiöse, militärische, culturhistorische u. s. w., also die alte abstracte
Form der Geschichte, aus der die neuere Geschichtschreibung grade herausznstre^
ben scheint. So wird es wol am zweckmäßigsten sein, das Buch als eine allge¬
meine Geschichte aufzufassen, in der ein reflectirter, folglich einseitiger Standpunkt
festgehalten, in der aber durch eigene Forschungen manches Eigenthümliche und
Interessante gegeben ist.


Das deutsche Volk, dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart zur Begründung der
Zukunft. (Leipzig. T. O. Weigel). Bd. VII, >X u. XI.

Dieses Unternehmen ist im Gegensatz gegen das vorige ein höchst zweck¬
mäßiges, praktisches und nützliches. Es geht darauf ans, das deutsche Volk
durch Monographien, die aber alle populär gehalten sind, mit seiner eignen Größe
bekannt zu machen, die ihm in den üblichen Haupt- und Staatsactionen seiner
kaiserlichen Abenteuer ziemlich fremd geblieben ist. Nicht in der schimmernden
Romantik unserer Ghibellinen ist das zu suche", worauf wir in unserer Geschichte
stolz sein können, denn keine glänzende Außenseite kann die innere Zwecklosigkeit
verstecken. Wenn man unser Volk richtig würdigen will, so muß man es bei
seiner Arbeit aufsuchen, auch in der Geschichte. -- Diese Aufgabe verfolgen auch
die vorliegenden drei Bände. Mit dem 1. Band ist die "Geschichte des deut¬
schen Städtewesens von F. W. Barthold" geschlossen; zugleich beginnt mit


keit zeigen, und von denen man, wenn auch nur in sehr uneigentlichen Sinn, eine
Geschichte schreiben kann. So haben wir z> B. vor etwa einem Jahr von Pro¬
fessor Hinrichs in Halle eine Geschichte „der Könige" erwähnt. Auch hier konnten wir
die Wahl des Gegenstandes nicht billigen, denn die Beschaffenheit der verschie¬
denen Monarchien ist nicht aus dem Begriff des Königthums, sondern aus der
Natur der verschiedenen Völker, die unter Königen standen, sowie ans ihrer Lage
im Verhältniß zu andern Völkern hervorgegangen. Man kaun eine Geschichte
„der Könige" nicht schreiben, ohne die Geschichte ihrer Völker, uno da ist es zweck¬
mäßiger, man erspart sich diesen Umweg überhaupt. Aber im Begriff des König¬
thums liegt doch immer noch etwas Concretes und Einheitliches, das im Begriff
der „politischen Parteiung" gänzlich seht. Dieser Begriff ist vollständig farblos
und leer, wenn man ihn von den übrigen geschichtlichen Momenten isolirt. Wir
haben nach dem Titel nicht verstanden, wie sich diese „Geschichte der Parteiungen"
von einer allgemeinen Geschichte unterscheiden sollte, und wir verstehen es nach
der Durchsicht des Buches noch viel weniger. Im Anfange glaubten wir, es solle
die technische Seite des Gegenstandes hervorgehoben werde», die Art und Weise
der Organisation, der Geschäftsführung u. s. w. Aber schon die Ausführlichkeit,
mit welcher die alte Geschichte, selbst der Orient, die Juden, die Griechen u. s. w.
behandelt waren, brachte uns vondieser Idee zurück, und wir fanden in der That kei¬
nen andern Unterschied, als das stärkere Hervorheben des specifisch politischen Elements
über das religiöse, militärische, culturhistorische u. s. w., also die alte abstracte
Form der Geschichte, aus der die neuere Geschichtschreibung grade herausznstre^
ben scheint. So wird es wol am zweckmäßigsten sein, das Buch als eine allge¬
meine Geschichte aufzufassen, in der ein reflectirter, folglich einseitiger Standpunkt
festgehalten, in der aber durch eigene Forschungen manches Eigenthümliche und
Interessante gegeben ist.


Das deutsche Volk, dargestellt in Vergangenheit und Gegenwart zur Begründung der
Zukunft. (Leipzig. T. O. Weigel). Bd. VII, >X u. XI.

Dieses Unternehmen ist im Gegensatz gegen das vorige ein höchst zweck¬
mäßiges, praktisches und nützliches. Es geht darauf ans, das deutsche Volk
durch Monographien, die aber alle populär gehalten sind, mit seiner eignen Größe
bekannt zu machen, die ihm in den üblichen Haupt- und Staatsactionen seiner
kaiserlichen Abenteuer ziemlich fremd geblieben ist. Nicht in der schimmernden
Romantik unserer Ghibellinen ist das zu suche», worauf wir in unserer Geschichte
stolz sein können, denn keine glänzende Außenseite kann die innere Zwecklosigkeit
verstecken. Wenn man unser Volk richtig würdigen will, so muß man es bei
seiner Arbeit aufsuchen, auch in der Geschichte. — Diese Aufgabe verfolgen auch
die vorliegenden drei Bände. Mit dem 1. Band ist die „Geschichte des deut¬
schen Städtewesens von F. W. Barthold" geschlossen; zugleich beginnt mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/149>, abgerufen am 05.02.2025.