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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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dem 1. Bd. eine "Geschichte der Hansa" von demselben Verfasser. -- Professor
Barthold in Greifswalde gehört zu denjenigen deutschen Geschichtschreibern, von
denen wenig Lärm gemacht wird, weil sie sich durch keine in die Augen springende
Sonderbarkeit, durch keine auffallende fixe Idee, durch keine romantischen Ge>
sichtspuukte auszeichnen, die aber mehr Gutes gewirkt haben, als ein ganzes
Heer von Sophisten nud Romantikern, weil sie uns das concrete und wirkliche
Leben deutlich und anschaulich vor Augen gestellt und in einer würdigen Gesinnung
aufgefaßt hahen. In der Reihe der "neuern deutschen Geschichtschreiber", deren
Charakteristik wir im vorigen Heft begonnen haben, gedenken wir näher darauf
einzugehen. Hier nur einige vorläufige Anmerkungen. -- Die Einleitung zu
seiner Geschichte der Hansa ist sehr schön geschrieben; die geographischen und
politischen Schwierigkeiten, mit denen der deutsche Handel zu kämpfen hatte, um
sich zu einer selbstständigen Macht und europäischer Bedeutung zu erheben, werden
uns deutlich und eindringlich vorgestellt, und alsdann in einer Skizze, welche die
ältesten Zeiten der deutscheu Geschichte bis zum Sturz Heinrich deö Löwen um¬
faßt, das allmälige Wachsen des deutsche" Gewerbfleißes und der municipalen
Selbstständigkeit mitgetheilt, die beiden Grundlagen der Hansa. Das zweite Buch,
mit welchem der erste Band schließt, geht bis zum Ende des Interregnums. Das
Ganze ist auf drei Baude berechnet. -- In der "Geschichte, des Städtewesens"
ist die höchst schwierige Aufgabe, mit jenem Detail und jener Fülle localer Be¬
ziehungen, die einem solchen Werk allein Werth verleihen kaun, die für ein Ge¬
schichtwerk nothwendige Deutlichkeit und Durchsichtigkeit zu verbinde", durch
geschickte Gruppirung glücklich gelöst. Wer sich irgend für Geschichte interessirt,
wird dies schöne Denkmal deutschen Lebens, die Geschichte der bedeutendsten
Thätigkeit, zu der sich unser Volk emporgerasst hat, und die seine Natur am
schärfsten charakterisirt, mit demselben Wohlgefallen durchlesen, wie mau sonst
den leichten Spielen der Phantasie zu folgen gewohnt ist, und er wird sich dabei
die Früchte eines langjährigen patriotischen Studiums aneignen. Mochten doch
alle unsere höhern Schulen, in denen gewöhnlich die vaterländische Geschichte
uach der alten Schablone vorgetragen wird, sich dieses Buch aneignen, um zu¬
nächst die Philologen, die in der Regel den historischen Unterricht ertheilen, darauf
aufmerksam zu machen, daß es in der deutschen Geschichte vor Luther noch einiges
andere giebt, als Karl den Großen und die verschiedenen Kaiserdynastien, und
dann auch dem fähigeren Schüler ein anschauliches Bild von dem Leben seiner
Väter zu verschaffen. -- Es wäre wünschenswerth, wenn in den Kreis dieses
Unternehmens anch eine deutsche Rechtsgeschichte und eine Geschichte des deutschen,
Militärweseus gezogen würden.--Würdig schließt sich an diese Darstellungen
die "Geschichte der deutschen Kunst" von Ernst Förster an, die auf 3 Bde.
berechnet ist. Der zweite Band, der uns vorliegt, enthält die Geschichte der
deutschen Architektur, Sculptur und Malerei von Anfang des Is. bis Mitte des


dem 1. Bd. eine „Geschichte der Hansa" von demselben Verfasser. — Professor
Barthold in Greifswalde gehört zu denjenigen deutschen Geschichtschreibern, von
denen wenig Lärm gemacht wird, weil sie sich durch keine in die Augen springende
Sonderbarkeit, durch keine auffallende fixe Idee, durch keine romantischen Ge>
sichtspuukte auszeichnen, die aber mehr Gutes gewirkt haben, als ein ganzes
Heer von Sophisten nud Romantikern, weil sie uns das concrete und wirkliche
Leben deutlich und anschaulich vor Augen gestellt und in einer würdigen Gesinnung
aufgefaßt hahen. In der Reihe der „neuern deutschen Geschichtschreiber", deren
Charakteristik wir im vorigen Heft begonnen haben, gedenken wir näher darauf
einzugehen. Hier nur einige vorläufige Anmerkungen. — Die Einleitung zu
seiner Geschichte der Hansa ist sehr schön geschrieben; die geographischen und
politischen Schwierigkeiten, mit denen der deutsche Handel zu kämpfen hatte, um
sich zu einer selbstständigen Macht und europäischer Bedeutung zu erheben, werden
uns deutlich und eindringlich vorgestellt, und alsdann in einer Skizze, welche die
ältesten Zeiten der deutscheu Geschichte bis zum Sturz Heinrich deö Löwen um¬
faßt, das allmälige Wachsen des deutsche» Gewerbfleißes und der municipalen
Selbstständigkeit mitgetheilt, die beiden Grundlagen der Hansa. Das zweite Buch,
mit welchem der erste Band schließt, geht bis zum Ende des Interregnums. Das
Ganze ist auf drei Baude berechnet. — In der „Geschichte, des Städtewesens"
ist die höchst schwierige Aufgabe, mit jenem Detail und jener Fülle localer Be¬
ziehungen, die einem solchen Werk allein Werth verleihen kaun, die für ein Ge¬
schichtwerk nothwendige Deutlichkeit und Durchsichtigkeit zu verbinde«, durch
geschickte Gruppirung glücklich gelöst. Wer sich irgend für Geschichte interessirt,
wird dies schöne Denkmal deutschen Lebens, die Geschichte der bedeutendsten
Thätigkeit, zu der sich unser Volk emporgerasst hat, und die seine Natur am
schärfsten charakterisirt, mit demselben Wohlgefallen durchlesen, wie mau sonst
den leichten Spielen der Phantasie zu folgen gewohnt ist, und er wird sich dabei
die Früchte eines langjährigen patriotischen Studiums aneignen. Mochten doch
alle unsere höhern Schulen, in denen gewöhnlich die vaterländische Geschichte
uach der alten Schablone vorgetragen wird, sich dieses Buch aneignen, um zu¬
nächst die Philologen, die in der Regel den historischen Unterricht ertheilen, darauf
aufmerksam zu machen, daß es in der deutschen Geschichte vor Luther noch einiges
andere giebt, als Karl den Großen und die verschiedenen Kaiserdynastien, und
dann auch dem fähigeren Schüler ein anschauliches Bild von dem Leben seiner
Väter zu verschaffen. — Es wäre wünschenswerth, wenn in den Kreis dieses
Unternehmens anch eine deutsche Rechtsgeschichte und eine Geschichte des deutschen,
Militärweseus gezogen würden.--Würdig schließt sich an diese Darstellungen
die „Geschichte der deutschen Kunst" von Ernst Förster an, die auf 3 Bde.
berechnet ist. Der zweite Band, der uns vorliegt, enthält die Geschichte der
deutschen Architektur, Sculptur und Malerei von Anfang des Is. bis Mitte des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/150>, abgerufen am 05.02.2025.