Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.corden bewegen, werden Sie mir auch ohne meine Versicherung glauben. -- Diese In den jüngsten Tagen waren wieder Gerüchte über eine im Keime unterdrückte 2. Europa, welches sich bereits längst von der nicht enden wollenden orientalischen Man hat gesagt: Rußland handelte nicht weise, als es im Frühjahr, unmittelbar corden bewegen, werden Sie mir auch ohne meine Versicherung glauben. — Diese In den jüngsten Tagen waren wieder Gerüchte über eine im Keime unterdrückte 2. Europa, welches sich bereits längst von der nicht enden wollenden orientalischen Man hat gesagt: Rußland handelte nicht weise, als es im Frühjahr, unmittelbar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96829"/> <p xml:id="ID_325" prev="#ID_324"> corden bewegen, werden Sie mir auch ohne meine Versicherung glauben. — Diese<lb/> Reiterei besteht meistens aus zur Ruhe gesetzten oder von Dienst nicht durchaus in<lb/> Anspruch genommenen Beamten, aus Lehnsherrn mit ihren Gefolgschaften und ^!>>iUv8,<lb/> oder berittenen Polizeireitern der Provinzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_326"> In den jüngsten Tagen waren wieder Gerüchte über eine im Keime unterdrückte<lb/> Empörung im Umlaufe. Man wollte wissen, fünfzehn Ulemas hätt-en dem Sultan eine<lb/> Adresse überreicht, in welcher sie ihn zum festen Ausharren und dem Bestehen auf seinem<lb/> Recht aufgefordert, für den entgegengesetzten Fall aber mit einem massenhaften Aufstande<lb/> gedroht hätten. Diese fünfzehn, heißt eS, seien nun plötzlich verschwunden und es sei<lb/> kein Zweifel darüber zu hegen, daß sie einem heimlich vollzogenen Todesurtheil zum<lb/> Opfer gefallen wären. Gleichzeitig ward behauptet, man habe einige Kriegssahrzcuge,<lb/> aus dem oberen Bosporus, wo jetzt die Flotte ankert, zum Schutze der Hauptstadt<lb/> hierher beordert; indeß hatte diese Maßregel wol nur in der Feier des Kurban Bairam<lb/> ihren Grund.</p><lb/> <div n="3"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_327"> Europa, welches sich bereits längst von der nicht enden wollenden orientalischen<lb/> Verwickelung gelangweilt fühlt, wird wenig durch die Nachricht erbaut sein, daß dieselbe<lb/> eben im Begriff steht, wiederum — „in eine neue Phase einzutreten". Kaiser Nikolaus<lb/> hat etwas gethan, was niemand erwartete: er hat die Modificationen, denen die Pforte<lb/> den Ausgleichungsentwurf der vier Großmächte unterworfen hatte, nicht angenommen.<lb/> Sie fragen: ob nicht dadurch die Frage wiederum aus dem alten Flecke steht, worauf<lb/> ich mit Nein zu erwidern habe, denn sie ist dadurch kritischer geworden, wie jemals.</p><lb/> <p xml:id="ID_328" next="#ID_329"> Man hat gesagt: Rußland handelte nicht weise, als es im Frühjahr, unmittelbar<lb/> nach der Abreise des Fürsten Menschikoff die Gelegenheit sich entschlüpfen ließ, dnrch<lb/> einen raschen Zug gegen Stambul dem osmanischen Regiment, mindestens auf europäi¬<lb/> scher Erde, ein Ende zu machen. Die Türkei stand damals wehrlos da, und es unter¬<lb/> liegt keinem Zweifel, daß der Widerstand, den man osmanischcrscits dem russischen<lb/> Angriff würde entgegengesetzt haben, nicht hoch anzuschlagen sein dürfte.. Ein Marsch<lb/> von sechzig Tagen vielleicht und Konstantinopel hätte seine Thore geöffnet, und von der<lb/> Kuppel der Aga Sophia wäre der Halbmond niedergesunken, um dem triumphirenden<lb/> Kreuz Platz zu machen. — Rußland, so muß .man heute schließen, nützte den Augen¬<lb/> blick absichtlich nicht, um des Sieges desto gewisser zu sein. Die Türkei hätte damals<lb/> einen gewaltigen Rückhalt in den vier Großmächten gesunden, und es ist die Frage, ob<lb/> dieselben nicht im Stande gewesen sein würden, auch aus dem eroberten Stambul eine<lb/> russische Armee wiederum zu delogiren. Der russischen Staatskunst kam es vor allen<lb/> Dingen darauf an, die Sache jdcr Osmanen von dem Interesse oder mindestens von<lb/> der activen Parteinahme der europäischen Cabinctc zu scheiden. Man .mußte geschickt,<lb/> besonnen und, so eilfertig man anch an und für sich sein mochte, zaudernd und zögernd<lb/> manövriren, um dies große Resultat zu erreichen. Endlich bot der Ausgleichungscnt-<lb/> wurf der Großmächte die beste Gelegenheit dazu. Man nahm ihn an — man verwarf<lb/> aber die später vom Diva» ihm beigefügten Modifikationen. Die Pforte hat nun nur</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
corden bewegen, werden Sie mir auch ohne meine Versicherung glauben. — Diese
Reiterei besteht meistens aus zur Ruhe gesetzten oder von Dienst nicht durchaus in
Anspruch genommenen Beamten, aus Lehnsherrn mit ihren Gefolgschaften und ^!>>iUv8,
oder berittenen Polizeireitern der Provinzen.
In den jüngsten Tagen waren wieder Gerüchte über eine im Keime unterdrückte
Empörung im Umlaufe. Man wollte wissen, fünfzehn Ulemas hätt-en dem Sultan eine
Adresse überreicht, in welcher sie ihn zum festen Ausharren und dem Bestehen auf seinem
Recht aufgefordert, für den entgegengesetzten Fall aber mit einem massenhaften Aufstande
gedroht hätten. Diese fünfzehn, heißt eS, seien nun plötzlich verschwunden und es sei
kein Zweifel darüber zu hegen, daß sie einem heimlich vollzogenen Todesurtheil zum
Opfer gefallen wären. Gleichzeitig ward behauptet, man habe einige Kriegssahrzcuge,
aus dem oberen Bosporus, wo jetzt die Flotte ankert, zum Schutze der Hauptstadt
hierher beordert; indeß hatte diese Maßregel wol nur in der Feier des Kurban Bairam
ihren Grund.
2.
Europa, welches sich bereits längst von der nicht enden wollenden orientalischen
Verwickelung gelangweilt fühlt, wird wenig durch die Nachricht erbaut sein, daß dieselbe
eben im Begriff steht, wiederum — „in eine neue Phase einzutreten". Kaiser Nikolaus
hat etwas gethan, was niemand erwartete: er hat die Modificationen, denen die Pforte
den Ausgleichungsentwurf der vier Großmächte unterworfen hatte, nicht angenommen.
Sie fragen: ob nicht dadurch die Frage wiederum aus dem alten Flecke steht, worauf
ich mit Nein zu erwidern habe, denn sie ist dadurch kritischer geworden, wie jemals.
Man hat gesagt: Rußland handelte nicht weise, als es im Frühjahr, unmittelbar
nach der Abreise des Fürsten Menschikoff die Gelegenheit sich entschlüpfen ließ, dnrch
einen raschen Zug gegen Stambul dem osmanischen Regiment, mindestens auf europäi¬
scher Erde, ein Ende zu machen. Die Türkei stand damals wehrlos da, und es unter¬
liegt keinem Zweifel, daß der Widerstand, den man osmanischcrscits dem russischen
Angriff würde entgegengesetzt haben, nicht hoch anzuschlagen sein dürfte.. Ein Marsch
von sechzig Tagen vielleicht und Konstantinopel hätte seine Thore geöffnet, und von der
Kuppel der Aga Sophia wäre der Halbmond niedergesunken, um dem triumphirenden
Kreuz Platz zu machen. — Rußland, so muß .man heute schließen, nützte den Augen¬
blick absichtlich nicht, um des Sieges desto gewisser zu sein. Die Türkei hätte damals
einen gewaltigen Rückhalt in den vier Großmächten gesunden, und es ist die Frage, ob
dieselben nicht im Stande gewesen sein würden, auch aus dem eroberten Stambul eine
russische Armee wiederum zu delogiren. Der russischen Staatskunst kam es vor allen
Dingen darauf an, die Sache jdcr Osmanen von dem Interesse oder mindestens von
der activen Parteinahme der europäischen Cabinctc zu scheiden. Man .mußte geschickt,
besonnen und, so eilfertig man anch an und für sich sein mochte, zaudernd und zögernd
manövriren, um dies große Resultat zu erreichen. Endlich bot der Ausgleichungscnt-
wurf der Großmächte die beste Gelegenheit dazu. Man nahm ihn an — man verwarf
aber die später vom Diva» ihm beigefügten Modifikationen. Die Pforte hat nun nur
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |