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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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schen, englischen, italienischen, spanischen und portugiesischen Gedichten, aus ver¬
schiedener Zeit und von verschiedenem Inhalt. Die Uebersetzung ist fast durch¬
weg sehr gelungen; die Sprache ist poetisch und rein, als ob man es mit Ori-
ginalgedichteu zu thun hätte, und die Auswahl verständig. Die Kaiserslinde ist
bei Gelegenheit der Vermählung des Herzogs von Brabant mit der östreichischen
Erzherzogin gedichtet, und feiert das Verhältniß zwischen den beiden erlauchten
Häusern. Die komischen Reimereien sind sür das größere Publicum eingerichtet.
Es ist sehr viel gute Laune darin und wenn die Sprache nicht ganz correct ist,
so liegt das am Ende am Gegenstande.




Der Tag, welcher die orientalische Frage endlich zur Entscheidung bringen
wird, kann nicht mehr fern sein. Wie Sie wissen, hatte die Pforte auf die letzte
Proposition der Großmächte (us äato Wien vom 3. und 6. August) eine ab¬
lehnende Erwiderung gegeben. Derselbe wurde höchst wahrscheinlich am 20.
(August) gleichzeitig nach Wien, London und Paris gesendet, und, von ersterer
Hauptstadt aus, nach Petersburg übermittelt. Sie kann demnach in diesem Augen¬
blicke bereits an der Newa eingetroffen sein. Ob das hiesige Ministerium seiner¬
seits einen Ausgleichnngsentwurf beifügte, habe ich nicht in Erfahrung bringen
können. (Ist bereits von uns im vor. Heft besprochen. Die Red.) Wäre letzteres
der Fall, so käme es darauf an: ob Rußland sich den Propositionen der Pforte
geneigt zeigen wird; wogegen unter der ersteren Voraussetzung die Propouirung
eines neuen Arrangements seitens der Großmächte erwartet werden müßte. Nach
den gemachten Erfahrungen würden hierzu nur drei Wochen und zum Befördern
des Vorschlages von Wien hierher, sowie zur Rücksendung mindestens vierzehn
Tage gehören. Darum ist es wahrscheinlich, daß der Knoten sich im October lösen
wird. Daß er es überhaupt werde, daran zweifeln hier nur die fanatischen Musel¬
männer, die Freunde Rußlands und einige Emigranten, also die Leute des Extrems.

Man kann nicht leugnen, daß die Haltung der Pforte im Verlauf der ganzen
Krisis eine würdige gewesen ist. Mag man es immer zähe Indolenz nennen
(siehe östreichische Blätter), was die Türken bewogen, so fest an ihrem guten Recht
zu halten: ihre Wirkung hat diese Festigkeit nicht verfehlt, und sie hat
ein Beispiel hingestellt, welches sür manches europäische Land und für die Lenker
manches civilistrten Staates mustergiltig heißen könnte. Welch ein Unterschied
zwischen der Geschichte dieser letztern Tage und der jener Zeitspanne, in welcher
Polens Geschicke zur letzten Entscheidung kamen!


schen, englischen, italienischen, spanischen und portugiesischen Gedichten, aus ver¬
schiedener Zeit und von verschiedenem Inhalt. Die Uebersetzung ist fast durch¬
weg sehr gelungen; die Sprache ist poetisch und rein, als ob man es mit Ori-
ginalgedichteu zu thun hätte, und die Auswahl verständig. Die Kaiserslinde ist
bei Gelegenheit der Vermählung des Herzogs von Brabant mit der östreichischen
Erzherzogin gedichtet, und feiert das Verhältniß zwischen den beiden erlauchten
Häusern. Die komischen Reimereien sind sür das größere Publicum eingerichtet.
Es ist sehr viel gute Laune darin und wenn die Sprache nicht ganz correct ist,
so liegt das am Ende am Gegenstande.




Der Tag, welcher die orientalische Frage endlich zur Entscheidung bringen
wird, kann nicht mehr fern sein. Wie Sie wissen, hatte die Pforte auf die letzte
Proposition der Großmächte (us äato Wien vom 3. und 6. August) eine ab¬
lehnende Erwiderung gegeben. Derselbe wurde höchst wahrscheinlich am 20.
(August) gleichzeitig nach Wien, London und Paris gesendet, und, von ersterer
Hauptstadt aus, nach Petersburg übermittelt. Sie kann demnach in diesem Augen¬
blicke bereits an der Newa eingetroffen sein. Ob das hiesige Ministerium seiner¬
seits einen Ausgleichnngsentwurf beifügte, habe ich nicht in Erfahrung bringen
können. (Ist bereits von uns im vor. Heft besprochen. Die Red.) Wäre letzteres
der Fall, so käme es darauf an: ob Rußland sich den Propositionen der Pforte
geneigt zeigen wird; wogegen unter der ersteren Voraussetzung die Propouirung
eines neuen Arrangements seitens der Großmächte erwartet werden müßte. Nach
den gemachten Erfahrungen würden hierzu nur drei Wochen und zum Befördern
des Vorschlages von Wien hierher, sowie zur Rücksendung mindestens vierzehn
Tage gehören. Darum ist es wahrscheinlich, daß der Knoten sich im October lösen
wird. Daß er es überhaupt werde, daran zweifeln hier nur die fanatischen Musel¬
männer, die Freunde Rußlands und einige Emigranten, also die Leute des Extrems.

Man kann nicht leugnen, daß die Haltung der Pforte im Verlauf der ganzen
Krisis eine würdige gewesen ist. Mag man es immer zähe Indolenz nennen
(siehe östreichische Blätter), was die Türken bewogen, so fest an ihrem guten Recht
zu halten: ihre Wirkung hat diese Festigkeit nicht verfehlt, und sie hat
ein Beispiel hingestellt, welches sür manches europäische Land und für die Lenker
manches civilistrten Staates mustergiltig heißen könnte. Welch ein Unterschied
zwischen der Geschichte dieser letztern Tage und der jener Zeitspanne, in welcher
Polens Geschicke zur letzten Entscheidung kamen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/501>, abgerufen am 29.06.2024.