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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Die türkischen Rüstungen werden weiter betrieben, und zwar ohne Unterlaß.
Es ist leicht zu begreift", daß die Concentrirung einer Armee, welche über Länder,
die drei Welttheilen angehören, vertheilt war, ihre besonderen Schwierigkeiten
haben mußte. Dieselben sind nunmehr, nachdem bis zur Stunde gegen 100,000
Mann auf dem Raume zwischen der untersten Donau und dem Balkan versammelt
werden, überwunden. Die Pforte hat im ganzen hierzu nicht mehr als drei
Monate bedurft. Diese Schnelligkeit ist anerkennenswerth, wenn MA die Ent¬
fernungen in Erwägung zieht und sich erinnern will, daß dieses Land keine
Chausseen, geschweige denn Eisenbahnen besitzt. Freilich ohne die Mithilfe der
Dampfflvtte wäre die Sammlung kaum ausführbar gewesen. Die Pforte besitzt
funfzig Dampfschiffe; etwa dreißig davon wurden zum Truppentransport ver¬
wendet. Verhältnißmäßig am meisten leisteten die großen Dampffregatten. Es
ist mehrmals vorgekommen, daß eine derselben gegen dritthalbtausend Mann In¬
fanterie sammt Armatur und Munition an Bord genommen hat. Der Ans-
schissungspnnkt Warna war gut gewählt. Von Konstantinopel erreicht man den¬
selben per Steamer in anderthalb Tagen. Er liegt etwa so, daß dort aus¬
geschiffte Truppen nur zwei Märsche nach Schumla, drei nach Silistria und vier
nach Rustschuck haben. Man kann annehmen, daß bis jetzt gegen 60,000 Mann
ans dem Seewege nach Warna transportirt worden sind.

Diese Truppen waren zum Theil Linie, zum anderen Theil Redif oder Land¬
wehr. Daß letzterer Theil "zum Weinen" ausgesehen, wie ein Korrespondent
eines östreichischen Blattes bemerkt, ist mir nicht aufgefallen. Sie waren voll¬
ständig bekleidet und auch mit den sonstigen Ausrüstungsstücken dermaßen versorgt,
daß von vierundzwanzig Landwehrbataillonen,, die in Stambul und Skutari ein¬
gekleidet wurden, nnr ein einziges ohne Tornister an Bord geschickt werden mußte.

In diesem Augenblicke scheint man damit beschäftigt zu sein, eine große
Reserve für die Artillerie in Stambul zu organistren. Auch die im Bosporus
cmkernde Flotte wird zu Anfang Octobers durch einen neuen Zweidecker von
84 Kanonen verstärkt werden; und außerdem schreitet der Bau eines anderen
Zweideckers von ,90 Kanonen, der mit der Schraube ausgerüstet werden soll,
dermaßen in den Docks vor, daß man ihn auch binnen acht Wochen in der Bucht
von Bujukdere erwarten darf. Dort ist nämlich der Ankerplatz, wo jetzt die mei¬
sten türkischen Kriegsschiffe versammelt sind. Auch englische und amerikanische
Kriegsfahrzenge sind gegenwärtig dort zu sehen., weshalb der Ort mehr wie je
zuvor eiuen bunten Anblick darbietet. Gegenüber auf dem astatischen Ufer des
Bosporus befindet sich außerdem gegenwärtig das Lager.der.egyptischen Hilfs-
truppen. Man beliebt von ihnen zu sagen, daß sie gute Soldaten, besser exercirt
und mehr disciplinirt wie die türkischen seien. Aus eigenem Augenschein kenne
ich die Truppe noch nicht, werde aber ehestens ein Urtheil über sie zu ge¬
winnen suchen.


Die türkischen Rüstungen werden weiter betrieben, und zwar ohne Unterlaß.
Es ist leicht zu begreift», daß die Concentrirung einer Armee, welche über Länder,
die drei Welttheilen angehören, vertheilt war, ihre besonderen Schwierigkeiten
haben mußte. Dieselben sind nunmehr, nachdem bis zur Stunde gegen 100,000
Mann auf dem Raume zwischen der untersten Donau und dem Balkan versammelt
werden, überwunden. Die Pforte hat im ganzen hierzu nicht mehr als drei
Monate bedurft. Diese Schnelligkeit ist anerkennenswerth, wenn MA die Ent¬
fernungen in Erwägung zieht und sich erinnern will, daß dieses Land keine
Chausseen, geschweige denn Eisenbahnen besitzt. Freilich ohne die Mithilfe der
Dampfflvtte wäre die Sammlung kaum ausführbar gewesen. Die Pforte besitzt
funfzig Dampfschiffe; etwa dreißig davon wurden zum Truppentransport ver¬
wendet. Verhältnißmäßig am meisten leisteten die großen Dampffregatten. Es
ist mehrmals vorgekommen, daß eine derselben gegen dritthalbtausend Mann In¬
fanterie sammt Armatur und Munition an Bord genommen hat. Der Ans-
schissungspnnkt Warna war gut gewählt. Von Konstantinopel erreicht man den¬
selben per Steamer in anderthalb Tagen. Er liegt etwa so, daß dort aus¬
geschiffte Truppen nur zwei Märsche nach Schumla, drei nach Silistria und vier
nach Rustschuck haben. Man kann annehmen, daß bis jetzt gegen 60,000 Mann
ans dem Seewege nach Warna transportirt worden sind.

Diese Truppen waren zum Theil Linie, zum anderen Theil Redif oder Land¬
wehr. Daß letzterer Theil „zum Weinen" ausgesehen, wie ein Korrespondent
eines östreichischen Blattes bemerkt, ist mir nicht aufgefallen. Sie waren voll¬
ständig bekleidet und auch mit den sonstigen Ausrüstungsstücken dermaßen versorgt,
daß von vierundzwanzig Landwehrbataillonen,, die in Stambul und Skutari ein¬
gekleidet wurden, nnr ein einziges ohne Tornister an Bord geschickt werden mußte.

In diesem Augenblicke scheint man damit beschäftigt zu sein, eine große
Reserve für die Artillerie in Stambul zu organistren. Auch die im Bosporus
cmkernde Flotte wird zu Anfang Octobers durch einen neuen Zweidecker von
84 Kanonen verstärkt werden; und außerdem schreitet der Bau eines anderen
Zweideckers von ,90 Kanonen, der mit der Schraube ausgerüstet werden soll,
dermaßen in den Docks vor, daß man ihn auch binnen acht Wochen in der Bucht
von Bujukdere erwarten darf. Dort ist nämlich der Ankerplatz, wo jetzt die mei¬
sten türkischen Kriegsschiffe versammelt sind. Auch englische und amerikanische
Kriegsfahrzenge sind gegenwärtig dort zu sehen., weshalb der Ort mehr wie je
zuvor eiuen bunten Anblick darbietet. Gegenüber auf dem astatischen Ufer des
Bosporus befindet sich außerdem gegenwärtig das Lager.der.egyptischen Hilfs-
truppen. Man beliebt von ihnen zu sagen, daß sie gute Soldaten, besser exercirt
und mehr disciplinirt wie die türkischen seien. Aus eigenem Augenschein kenne
ich die Truppe noch nicht, werde aber ehestens ein Urtheil über sie zu ge¬
winnen suchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/502>, abgerufen am 01.07.2024.