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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Stellung in zwar gewählten, aber fast unveränderten Naturformen bewegen. So
folgen Stil und Metrum des Gedichts zwanglos demselben Princip und der In¬
halt findet in beiden seinen natürlichen Ausdruck wie der Sinn im Wort. Das
deutsche Epos macht daher mehr den Eindruck eines ans dem Geist des Volks
emporgewachsenen, das griechische mehr den eines willkürlich geschaffenen Kunst¬
werks, und doch ist diesem die frische Ursprünglichkeit so wenig abzusprechen, als
jenem die künstlerische Vollendung." -- Das alles aus dem einfachen Umstand
herzuleiten, daß im Griechischen Wvrtaccent und Vcrsaccent auseinanderfallen,
ist doch etwas zu gewagt. -- Recht interessant ist dagegen der Vergleich zwischen
der germanischen Dichtkunst und der gothische" Baukunst. -- Dann folgt eine
sehr ausführliche Exposition und Analyse des Gedichts, an welche sich eine Zu¬
sammenstellung aller der Sagen anschließt, auf die theils in der Kudrun hinge¬
deutet wird, oder die zu derselben irgend welche Analogien bieten; dann eine An¬
weisung zum Verständniß der mittelhochdeutschen Verskunst nach ihrer Erscheinung
im classischen Volksepos; eine geographische Darstellung der in der Kudrun vor¬
kommenden Localitäten, eine Beschreibung der damaligen Einrichtung der Burgen,
der Niedertracht und Waffen. Den Schluß macht eine Reihe von Bemerkungen
zur Textkritik, insbesondere zur Müllenhofscheu, die dieser Ausgabe zu Grunde
gelegt ist.




Zur politischen Moral in Frankreich.

Die orientalische Frage hat die öffentliche Aufmerksamkeit solange und so sehr
in Anspruch genommen, daß im Verlans ihrer vielen Schwankungen manche anderen
Ereignisse kaum flüchtig bemerkt wurden, die wol kein geringes Interesse verdienten.
Wir holen einen Jncidenzfall einer Angelegenheit nach, die noch nicht beendigt
und noch dieser Tage durch deu Spruch des Gerichtshofes zu Rouen in eine
neue Phase getreten ist. Wir meinen den sogenannten Correspondentenproceß.
Bekanntlich wurden die Angeklagten von dem Pariser Gerichtshof schuldig befun¬
den, zwar nicht der Bildung geheimer Gesellschaften, was nach den "Gesetzen"
des kaiserlichen Frankreichs der Regierung die Licenz ertheilt hätte, sie bis auf
zehn Jahre in die verpesteten Sümpfe vou Cayenne zu exiliren, aber doch der
meisten andern Pnnkte, welche das öffentliche Ministerium gegen sie erhoben hatte.
Drei der hervorragendsten Advocaten Frankreichs, zugleich die Vertreter dreier
großen Parteien, der Ovleanist Hebert, der gemäßigte Republikaner Dufaure und
der Legitimist Berryer, führten die Vertheidigung der angeklagten Legitimisten,
deren Proceß in den letzten Tagen des Mai verhandelt wurde. Die Hauptstreit¬
frage war, ob die Beweise, welche sich der Polizeipräsect durch Erbrechung von


Stellung in zwar gewählten, aber fast unveränderten Naturformen bewegen. So
folgen Stil und Metrum des Gedichts zwanglos demselben Princip und der In¬
halt findet in beiden seinen natürlichen Ausdruck wie der Sinn im Wort. Das
deutsche Epos macht daher mehr den Eindruck eines ans dem Geist des Volks
emporgewachsenen, das griechische mehr den eines willkürlich geschaffenen Kunst¬
werks, und doch ist diesem die frische Ursprünglichkeit so wenig abzusprechen, als
jenem die künstlerische Vollendung." — Das alles aus dem einfachen Umstand
herzuleiten, daß im Griechischen Wvrtaccent und Vcrsaccent auseinanderfallen,
ist doch etwas zu gewagt. — Recht interessant ist dagegen der Vergleich zwischen
der germanischen Dichtkunst und der gothische» Baukunst. — Dann folgt eine
sehr ausführliche Exposition und Analyse des Gedichts, an welche sich eine Zu¬
sammenstellung aller der Sagen anschließt, auf die theils in der Kudrun hinge¬
deutet wird, oder die zu derselben irgend welche Analogien bieten; dann eine An¬
weisung zum Verständniß der mittelhochdeutschen Verskunst nach ihrer Erscheinung
im classischen Volksepos; eine geographische Darstellung der in der Kudrun vor¬
kommenden Localitäten, eine Beschreibung der damaligen Einrichtung der Burgen,
der Niedertracht und Waffen. Den Schluß macht eine Reihe von Bemerkungen
zur Textkritik, insbesondere zur Müllenhofscheu, die dieser Ausgabe zu Grunde
gelegt ist.




Zur politischen Moral in Frankreich.

Die orientalische Frage hat die öffentliche Aufmerksamkeit solange und so sehr
in Anspruch genommen, daß im Verlans ihrer vielen Schwankungen manche anderen
Ereignisse kaum flüchtig bemerkt wurden, die wol kein geringes Interesse verdienten.
Wir holen einen Jncidenzfall einer Angelegenheit nach, die noch nicht beendigt
und noch dieser Tage durch deu Spruch des Gerichtshofes zu Rouen in eine
neue Phase getreten ist. Wir meinen den sogenannten Correspondentenproceß.
Bekanntlich wurden die Angeklagten von dem Pariser Gerichtshof schuldig befun¬
den, zwar nicht der Bildung geheimer Gesellschaften, was nach den „Gesetzen"
des kaiserlichen Frankreichs der Regierung die Licenz ertheilt hätte, sie bis auf
zehn Jahre in die verpesteten Sümpfe vou Cayenne zu exiliren, aber doch der
meisten andern Pnnkte, welche das öffentliche Ministerium gegen sie erhoben hatte.
Drei der hervorragendsten Advocaten Frankreichs, zugleich die Vertreter dreier
großen Parteien, der Ovleanist Hebert, der gemäßigte Republikaner Dufaure und
der Legitimist Berryer, führten die Vertheidigung der angeklagten Legitimisten,
deren Proceß in den letzten Tagen des Mai verhandelt wurde. Die Hauptstreit¬
frage war, ob die Beweise, welche sich der Polizeipräsect durch Erbrechung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/394>, abgerufen am 29.06.2024.