Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ein paar Tagen hat der Moniteur indeß die Nachricht gebracht, daß deren doch
bereits welche ertheilt worden sind.

Ein kaiserliches Decret, infolge dessen den Soldaten der Tabak und die
Cigarren zu einem Drittel des bisherigen Preises verkauft werden, reißt in das
Gleichgewicht des Budgets allein ein Loch von ungefähr 8 Millionen Francs.
Und min noch die Seerüstungen, welche die orientalische Frage hervorruft. Das
Budget ist daher in seinem Gleichgewicht trügerisch für das laufende Jahr selbst,
es basirt auf einer Finanzpolitik, die für die Zukunft, wenn ihr nicht Ciuhalt
geschieht, einen Abgrund eröffnet, eiuen Abgrund, der eine schrecklichere Katastrophe
herbeiführen kann, als man glaubt; denn man bedenke, daß selbst die Fonds der
Sparkassen, d. h. der Nothpfennig der Bedürftigen 1848 zu den allgemeine"
Staatsausgaben verwendet sind, und daß nur der öffentliche Credit für sie haftet.
Wer der Vermehrung der Ausgaben, der verschwenderischen Steigerung der Gehalte,
der ungeheuern Civilliste sich erinnerte, dem mußte dies angebliche Gleichgewicht
des Budgets mehr als verdächtig vorkommen. Es ist in der That nicht besser, als
die Städte des Potemkin, die über Nacht verschwände", nachdem sie die kaiserliche
Zufriedenheit über de" steigenden Wohlstand des Reichs erregt hatten. Für die
kaiserliche Zufriedenheit zurecht gemacht, wird es gleichfalls über Nacht in Rauch
aufgehn; nur dürsten die Folgen dieser Täuschung etwas schwerer empfunden werden.

Man mag ermessen, mit welchem Recht die Anhänger der jetzigen Regierung
Frankreichs der gestürzten constitutionellen Monarchie eine schlechte Verwaltung
zum Vorwurf mache". Jeder Splitter, den sie jener vorhielten, ist bei ihnen
selbst zum Balken geworden. Wir haben das Schwindelspiel der Börse, die
gewagten Creditinstitnte, die Unvorsichtigkeit -- nur uns gelind auszudrücken --
welche das Nationalvermögen weit über seine Kräfte in allerlei Unternehmungen
-- und keineswegs nur in soliden -- engagirt, schon öfters besprochen; die
Verwaltung der Staatsfinanzen gibt ein Pendant dazu. Das Ende von allem
wird die Zukunft lehren.




Die quasinentrale Stellung, die Oestreich in der orientalischen Ver¬
wickelung einnimmt, und die rathlose Gefügigkeit, die es lange Zeit dem
russischen Cabinet gegenüber gezeigt hat, sind von der englischen Presse
wiederholt und zuweilen in Ausdrücken besprochen worden, deren Wiederholung
uns unsere Preßgesetze absolut verbiete". Oestreichische Blätter, und noch viel¬
mehr die östreichische" Feder", die verschiedene süddeutsche Blätter mit gro߬
deutschem Patriotismus versorgen, haben nicht verfehlt, darauf zu antworten, in-


ein paar Tagen hat der Moniteur indeß die Nachricht gebracht, daß deren doch
bereits welche ertheilt worden sind.

Ein kaiserliches Decret, infolge dessen den Soldaten der Tabak und die
Cigarren zu einem Drittel des bisherigen Preises verkauft werden, reißt in das
Gleichgewicht des Budgets allein ein Loch von ungefähr 8 Millionen Francs.
Und min noch die Seerüstungen, welche die orientalische Frage hervorruft. Das
Budget ist daher in seinem Gleichgewicht trügerisch für das laufende Jahr selbst,
es basirt auf einer Finanzpolitik, die für die Zukunft, wenn ihr nicht Ciuhalt
geschieht, einen Abgrund eröffnet, eiuen Abgrund, der eine schrecklichere Katastrophe
herbeiführen kann, als man glaubt; denn man bedenke, daß selbst die Fonds der
Sparkassen, d. h. der Nothpfennig der Bedürftigen 1848 zu den allgemeine»
Staatsausgaben verwendet sind, und daß nur der öffentliche Credit für sie haftet.
Wer der Vermehrung der Ausgaben, der verschwenderischen Steigerung der Gehalte,
der ungeheuern Civilliste sich erinnerte, dem mußte dies angebliche Gleichgewicht
des Budgets mehr als verdächtig vorkommen. Es ist in der That nicht besser, als
die Städte des Potemkin, die über Nacht verschwände», nachdem sie die kaiserliche
Zufriedenheit über de» steigenden Wohlstand des Reichs erregt hatten. Für die
kaiserliche Zufriedenheit zurecht gemacht, wird es gleichfalls über Nacht in Rauch
aufgehn; nur dürsten die Folgen dieser Täuschung etwas schwerer empfunden werden.

Man mag ermessen, mit welchem Recht die Anhänger der jetzigen Regierung
Frankreichs der gestürzten constitutionellen Monarchie eine schlechte Verwaltung
zum Vorwurf mache». Jeder Splitter, den sie jener vorhielten, ist bei ihnen
selbst zum Balken geworden. Wir haben das Schwindelspiel der Börse, die
gewagten Creditinstitnte, die Unvorsichtigkeit — nur uns gelind auszudrücken —
welche das Nationalvermögen weit über seine Kräfte in allerlei Unternehmungen
— und keineswegs nur in soliden — engagirt, schon öfters besprochen; die
Verwaltung der Staatsfinanzen gibt ein Pendant dazu. Das Ende von allem
wird die Zukunft lehren.




Die quasinentrale Stellung, die Oestreich in der orientalischen Ver¬
wickelung einnimmt, und die rathlose Gefügigkeit, die es lange Zeit dem
russischen Cabinet gegenüber gezeigt hat, sind von der englischen Presse
wiederholt und zuweilen in Ausdrücken besprochen worden, deren Wiederholung
uns unsere Preßgesetze absolut verbiete». Oestreichische Blätter, und noch viel¬
mehr die östreichische» Feder», die verschiedene süddeutsche Blätter mit gro߬
deutschem Patriotismus versorgen, haben nicht verfehlt, darauf zu antworten, in-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96453"/>
          <p xml:id="ID_965" prev="#ID_964"> ein paar Tagen hat der Moniteur indeß die Nachricht gebracht, daß deren doch<lb/>
bereits welche ertheilt worden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> Ein kaiserliches Decret, infolge dessen den Soldaten der Tabak und die<lb/>
Cigarren zu einem Drittel des bisherigen Preises verkauft werden, reißt in das<lb/>
Gleichgewicht des Budgets allein ein Loch von ungefähr 8 Millionen Francs.<lb/>
Und min noch die Seerüstungen, welche die orientalische Frage hervorruft. Das<lb/>
Budget ist daher in seinem Gleichgewicht trügerisch für das laufende Jahr selbst,<lb/>
es basirt auf einer Finanzpolitik, die für die Zukunft, wenn ihr nicht Ciuhalt<lb/>
geschieht, einen Abgrund eröffnet, eiuen Abgrund, der eine schrecklichere Katastrophe<lb/>
herbeiführen kann, als man glaubt; denn man bedenke, daß selbst die Fonds der<lb/>
Sparkassen, d. h. der Nothpfennig der Bedürftigen 1848 zu den allgemeine»<lb/>
Staatsausgaben verwendet sind, und daß nur der öffentliche Credit für sie haftet.<lb/>
Wer der Vermehrung der Ausgaben, der verschwenderischen Steigerung der Gehalte,<lb/>
der ungeheuern Civilliste sich erinnerte, dem mußte dies angebliche Gleichgewicht<lb/>
des Budgets mehr als verdächtig vorkommen. Es ist in der That nicht besser, als<lb/>
die Städte des Potemkin, die über Nacht verschwände», nachdem sie die kaiserliche<lb/>
Zufriedenheit über de» steigenden Wohlstand des Reichs erregt hatten. Für die<lb/>
kaiserliche Zufriedenheit zurecht gemacht, wird es gleichfalls über Nacht in Rauch<lb/>
aufgehn; nur dürsten die Folgen dieser Täuschung etwas schwerer empfunden werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967"> Man mag ermessen, mit welchem Recht die Anhänger der jetzigen Regierung<lb/>
Frankreichs der gestürzten constitutionellen Monarchie eine schlechte Verwaltung<lb/>
zum Vorwurf mache». Jeder Splitter, den sie jener vorhielten, ist bei ihnen<lb/>
selbst zum Balken geworden. Wir haben das Schwindelspiel der Börse, die<lb/>
gewagten Creditinstitnte, die Unvorsichtigkeit &#x2014; nur uns gelind auszudrücken &#x2014;<lb/>
welche das Nationalvermögen weit über seine Kräfte in allerlei Unternehmungen<lb/>
&#x2014; und keineswegs nur in soliden &#x2014; engagirt, schon öfters besprochen; die<lb/>
Verwaltung der Staatsfinanzen gibt ein Pendant dazu. Das Ende von allem<lb/>
wird die Zukunft lehren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> </head><lb/>
          <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Die quasinentrale Stellung, die Oestreich in der orientalischen Ver¬<lb/>
wickelung einnimmt, und die rathlose Gefügigkeit, die es lange Zeit dem<lb/>
russischen Cabinet gegenüber gezeigt hat, sind von der englischen Presse<lb/>
wiederholt und zuweilen in Ausdrücken besprochen worden, deren Wiederholung<lb/>
uns unsere Preßgesetze absolut verbiete». Oestreichische Blätter, und noch viel¬<lb/>
mehr die östreichische» Feder», die verschiedene süddeutsche Blätter mit gro߬<lb/>
deutschem Patriotismus versorgen, haben nicht verfehlt, darauf zu antworten, in-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] ein paar Tagen hat der Moniteur indeß die Nachricht gebracht, daß deren doch bereits welche ertheilt worden sind. Ein kaiserliches Decret, infolge dessen den Soldaten der Tabak und die Cigarren zu einem Drittel des bisherigen Preises verkauft werden, reißt in das Gleichgewicht des Budgets allein ein Loch von ungefähr 8 Millionen Francs. Und min noch die Seerüstungen, welche die orientalische Frage hervorruft. Das Budget ist daher in seinem Gleichgewicht trügerisch für das laufende Jahr selbst, es basirt auf einer Finanzpolitik, die für die Zukunft, wenn ihr nicht Ciuhalt geschieht, einen Abgrund eröffnet, eiuen Abgrund, der eine schrecklichere Katastrophe herbeiführen kann, als man glaubt; denn man bedenke, daß selbst die Fonds der Sparkassen, d. h. der Nothpfennig der Bedürftigen 1848 zu den allgemeine» Staatsausgaben verwendet sind, und daß nur der öffentliche Credit für sie haftet. Wer der Vermehrung der Ausgaben, der verschwenderischen Steigerung der Gehalte, der ungeheuern Civilliste sich erinnerte, dem mußte dies angebliche Gleichgewicht des Budgets mehr als verdächtig vorkommen. Es ist in der That nicht besser, als die Städte des Potemkin, die über Nacht verschwände», nachdem sie die kaiserliche Zufriedenheit über de» steigenden Wohlstand des Reichs erregt hatten. Für die kaiserliche Zufriedenheit zurecht gemacht, wird es gleichfalls über Nacht in Rauch aufgehn; nur dürsten die Folgen dieser Täuschung etwas schwerer empfunden werden. Man mag ermessen, mit welchem Recht die Anhänger der jetzigen Regierung Frankreichs der gestürzten constitutionellen Monarchie eine schlechte Verwaltung zum Vorwurf mache». Jeder Splitter, den sie jener vorhielten, ist bei ihnen selbst zum Balken geworden. Wir haben das Schwindelspiel der Börse, die gewagten Creditinstitnte, die Unvorsichtigkeit — nur uns gelind auszudrücken — welche das Nationalvermögen weit über seine Kräfte in allerlei Unternehmungen — und keineswegs nur in soliden — engagirt, schon öfters besprochen; die Verwaltung der Staatsfinanzen gibt ein Pendant dazu. Das Ende von allem wird die Zukunft lehren. Die quasinentrale Stellung, die Oestreich in der orientalischen Ver¬ wickelung einnimmt, und die rathlose Gefügigkeit, die es lange Zeit dem russischen Cabinet gegenüber gezeigt hat, sind von der englischen Presse wiederholt und zuweilen in Ausdrücken besprochen worden, deren Wiederholung uns unsere Preßgesetze absolut verbiete». Oestreichische Blätter, und noch viel¬ mehr die östreichische» Feder», die verschiedene süddeutsche Blätter mit gro߬ deutschem Patriotismus versorgen, haben nicht verfehlt, darauf zu antworten, in-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/278>, abgerufen am 29.06.2024.