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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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gemeinen Staatsausgaben wirft; wie sonst wird der Staat außerordentliche Be¬
dürfnisse durch neue Anleihen decken, aber die regelmäßige Verminderung der
Staatsschuld hört auf, und das Ende muß früher oder später eine Ueberlastung
des Credits, welcher die öffentlichen Mittel nicht gewachsen sind, mit einem Wort
der Bankrott sein. Man muß daher glauben, daß die Negierung sich gezwungen
sehen wird, deu Amvrtisationsfond wieder in seiue Rechte einzusetzen; geschieht
dies aber, so sind 82,000,000 Fr. des diesjährigen Budgets in Abrechnung zu
bringen von dem Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen.

Ebenso bedenklich ist die Schätzung der indirecten Steuern. Man nahm
bisher als Basis für dieselben die Einkünfte des letzten Jahres. Konnte man
auch auf eine Zunahme rechnen, so konnte man doch mit noch größerer Sicherheit
auf die leidigen Supplementarcredite rechnen. In dem diesjährigen Budget sind
die wahrscheinlichen Vermehrungen der indirecten Steuern gegen das
letzte, sogar höchst günstige Jahr, schon nnter den Einnahmen in Anschlag ge¬
bracht. Denn Supplementarcredite soll es -- nach dem Willen des Kaisers --
nicht mehr geben. Welche gefährliche Folgen diese Neuerung haben kann, liegt
auf der Hand.

Schon hat das erste Quartal des Jahres -I8S3 eine Verminderung der
Einnahmen der Douancn gebracht. Die Stempelsteuer hat sich allerdings ver¬
mehrt infolge -- des gezwungenen Verkaufs der Orleansscheu Güter, d. h. durch
eine doch nichts weniger als regelmäßige Einnahmequelle.

Unter den Einnahmen figuriren andere Posten, die ebensowenig normal
sind. 27 Millionen Francs für den Verkauf der Nordeiseubcchu und der von
Lyon durch den Staat an die Compagnieen. 7,600,000 Fr. für den Verkauf
von Staatsdomänen, worunter zwei, Neuilly und Monceaux, mit 4,800,000 Fr.,
die einen Theil der confiscirten Orleansschen Güter ausmachen.

Durch die Ausdehnung deS Pensionsgesetzes aus 80,000 weitere Beamten,
hat man vermittelst der dadurch entstehenden Gehaltsabzüge 3,000,000 Fr. ge¬
wonnen, die heute unter die Einnahmen gesetzt sind, die aber nur eine Anleihe,
der Zukunft entlehnt, bilden.

Man hat also einen Etat der Einnahmen aufgestellt, von dem mindestens
120 Millionen Francs abgezogen werden müssen, wenn man den wirklichen Be¬
stand der normalen Staatseinkünfte erhalte" will; der ferner auf. einer Schätzung
beruht, welche die Mehrerträge der Zukunft bereits in Rechnung bringt und die
etwaigen Supplemeutarcredite gänzlich unbeachtet läßt.

Und wird es deren keine geben? Um vou nichts Anderem zu spreche", harre"
eine Menge großer Unternehmungen, denen der Staat einen Theil der Kosten
abnehmen muß, der Ausführung. Zwar erklärte der Moniteur vor einiger Zeit,
daß vorlänstg keine neuen Eiseubahnconcessionen gegeben werden sollten. Vor


gemeinen Staatsausgaben wirft; wie sonst wird der Staat außerordentliche Be¬
dürfnisse durch neue Anleihen decken, aber die regelmäßige Verminderung der
Staatsschuld hört auf, und das Ende muß früher oder später eine Ueberlastung
des Credits, welcher die öffentlichen Mittel nicht gewachsen sind, mit einem Wort
der Bankrott sein. Man muß daher glauben, daß die Negierung sich gezwungen
sehen wird, deu Amvrtisationsfond wieder in seiue Rechte einzusetzen; geschieht
dies aber, so sind 82,000,000 Fr. des diesjährigen Budgets in Abrechnung zu
bringen von dem Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen.

Ebenso bedenklich ist die Schätzung der indirecten Steuern. Man nahm
bisher als Basis für dieselben die Einkünfte des letzten Jahres. Konnte man
auch auf eine Zunahme rechnen, so konnte man doch mit noch größerer Sicherheit
auf die leidigen Supplementarcredite rechnen. In dem diesjährigen Budget sind
die wahrscheinlichen Vermehrungen der indirecten Steuern gegen das
letzte, sogar höchst günstige Jahr, schon nnter den Einnahmen in Anschlag ge¬
bracht. Denn Supplementarcredite soll es — nach dem Willen des Kaisers —
nicht mehr geben. Welche gefährliche Folgen diese Neuerung haben kann, liegt
auf der Hand.

Schon hat das erste Quartal des Jahres -I8S3 eine Verminderung der
Einnahmen der Douancn gebracht. Die Stempelsteuer hat sich allerdings ver¬
mehrt infolge — des gezwungenen Verkaufs der Orleansscheu Güter, d. h. durch
eine doch nichts weniger als regelmäßige Einnahmequelle.

Unter den Einnahmen figuriren andere Posten, die ebensowenig normal
sind. 27 Millionen Francs für den Verkauf der Nordeiseubcchu und der von
Lyon durch den Staat an die Compagnieen. 7,600,000 Fr. für den Verkauf
von Staatsdomänen, worunter zwei, Neuilly und Monceaux, mit 4,800,000 Fr.,
die einen Theil der confiscirten Orleansschen Güter ausmachen.

Durch die Ausdehnung deS Pensionsgesetzes aus 80,000 weitere Beamten,
hat man vermittelst der dadurch entstehenden Gehaltsabzüge 3,000,000 Fr. ge¬
wonnen, die heute unter die Einnahmen gesetzt sind, die aber nur eine Anleihe,
der Zukunft entlehnt, bilden.

Man hat also einen Etat der Einnahmen aufgestellt, von dem mindestens
120 Millionen Francs abgezogen werden müssen, wenn man den wirklichen Be¬
stand der normalen Staatseinkünfte erhalte» will; der ferner auf. einer Schätzung
beruht, welche die Mehrerträge der Zukunft bereits in Rechnung bringt und die
etwaigen Supplemeutarcredite gänzlich unbeachtet läßt.

Und wird es deren keine geben? Um vou nichts Anderem zu spreche», harre»
eine Menge großer Unternehmungen, denen der Staat einen Theil der Kosten
abnehmen muß, der Ausführung. Zwar erklärte der Moniteur vor einiger Zeit,
daß vorlänstg keine neuen Eiseubahnconcessionen gegeben werden sollten. Vor


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[0277] gemeinen Staatsausgaben wirft; wie sonst wird der Staat außerordentliche Be¬ dürfnisse durch neue Anleihen decken, aber die regelmäßige Verminderung der Staatsschuld hört auf, und das Ende muß früher oder später eine Ueberlastung des Credits, welcher die öffentlichen Mittel nicht gewachsen sind, mit einem Wort der Bankrott sein. Man muß daher glauben, daß die Negierung sich gezwungen sehen wird, deu Amvrtisationsfond wieder in seiue Rechte einzusetzen; geschieht dies aber, so sind 82,000,000 Fr. des diesjährigen Budgets in Abrechnung zu bringen von dem Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen. Ebenso bedenklich ist die Schätzung der indirecten Steuern. Man nahm bisher als Basis für dieselben die Einkünfte des letzten Jahres. Konnte man auch auf eine Zunahme rechnen, so konnte man doch mit noch größerer Sicherheit auf die leidigen Supplementarcredite rechnen. In dem diesjährigen Budget sind die wahrscheinlichen Vermehrungen der indirecten Steuern gegen das letzte, sogar höchst günstige Jahr, schon nnter den Einnahmen in Anschlag ge¬ bracht. Denn Supplementarcredite soll es — nach dem Willen des Kaisers — nicht mehr geben. Welche gefährliche Folgen diese Neuerung haben kann, liegt auf der Hand. Schon hat das erste Quartal des Jahres -I8S3 eine Verminderung der Einnahmen der Douancn gebracht. Die Stempelsteuer hat sich allerdings ver¬ mehrt infolge — des gezwungenen Verkaufs der Orleansscheu Güter, d. h. durch eine doch nichts weniger als regelmäßige Einnahmequelle. Unter den Einnahmen figuriren andere Posten, die ebensowenig normal sind. 27 Millionen Francs für den Verkauf der Nordeiseubcchu und der von Lyon durch den Staat an die Compagnieen. 7,600,000 Fr. für den Verkauf von Staatsdomänen, worunter zwei, Neuilly und Monceaux, mit 4,800,000 Fr., die einen Theil der confiscirten Orleansschen Güter ausmachen. Durch die Ausdehnung deS Pensionsgesetzes aus 80,000 weitere Beamten, hat man vermittelst der dadurch entstehenden Gehaltsabzüge 3,000,000 Fr. ge¬ wonnen, die heute unter die Einnahmen gesetzt sind, die aber nur eine Anleihe, der Zukunft entlehnt, bilden. Man hat also einen Etat der Einnahmen aufgestellt, von dem mindestens 120 Millionen Francs abgezogen werden müssen, wenn man den wirklichen Be¬ stand der normalen Staatseinkünfte erhalte» will; der ferner auf. einer Schätzung beruht, welche die Mehrerträge der Zukunft bereits in Rechnung bringt und die etwaigen Supplemeutarcredite gänzlich unbeachtet läßt. Und wird es deren keine geben? Um vou nichts Anderem zu spreche», harre» eine Menge großer Unternehmungen, denen der Staat einen Theil der Kosten abnehmen muß, der Ausführung. Zwar erklärte der Moniteur vor einiger Zeit, daß vorlänstg keine neuen Eiseubahnconcessionen gegeben werden sollten. Vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/277>, abgerufen am 01.07.2024.