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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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find klar, correct und für jeden, der der deutschen Sprache mächtig ist, verständ¬
lich. Wir möchten aber doch den Laien davor warnen, sich daraus nun ein wirk¬
liches Urtheil über die Philosophie bilden zu wollen. Die Schrift wird nur von
denjenigen völlig verstanden werden, die sich bereits vorher gründlich mit der
Philosophie beschäftigt haben, und nur für diese ist sie geschrieben.




Romantische Gedichte.
Die Jungfrau vom See. Romantisches Gedicht von W. Scott. Aus dem Eng¬
lischen von Friederike Friedmann. -- Leipzig, Brockhaus. --
Dolores. Ein Gedicht. -- Halle, Delbrück. --
Giovanna. Episch-lyrisches Gedicht. Von Anna Lohn. -- Dresden, Türk. --

Wir haben bereits in einem der früheren Hefte bei Besprechung einer Reihe
lyrischer Gedichte die Bemerkung gemacht, daß wir die wiedererwachende Neigung
unsrer Dichter zum romantischen Epos mit Befriedigung wahrnehmen, weil dadurch
doch ein bestimmter Gegenstand und eine bestimmte Form für die Poesie gewonnen
wird, und weil in der reinen Lyrik von Zeit zu Zeit eine Pause eintreten muß,
wenn sie nicht ganz in gegenstandlose Seufzer und Thränen verschwimmen will.
Da uns einige neue Versuche dieser Gattung vorliegen, so benutzen wir diese
Gelegenheit, einige Bemerkungen über die Natur der Dichtungsform, die wir im
Sinn haben, anzuknüpfen.

Dieses romantische Epos steht ebenso der ritterlichen Poesie der Italiener
im -16. Jahrhundert, die wir als die letzte Abklärung der ritterlichen Poesie des
Mittelalters betrachten, als der modernen deutschen Blumen- und Elfenpvesic gegen¬
über, die zuerst durch das Beispiel der "bezauberten Rose" von Ernst Schulze
angeregt wurde, und neuerdings eine wahrhaft beunruhigende Ausdehnung
gewonnen hat. Das Nittergedicht der Italiener gehört ganz in die epische
Gattung und steht gegen das eigentliche volksthümliche Epos dadurch im Nach¬
theil, daß es sich auf keine fest gegründete nationale Tradition stützt. In unsrer
Zeit, wo das naive Interesse an bloßen Erzählungen, Geschichten und Abenteuern
bedeutend abgenommen hat, wo wir daran gewohnt sind, bei jeder Thatsache nach
dem geistigen Inhalt zu suche", dürfte eine Wiederaufnahme dieser ritterlichen
Poesie ebenso wenig am Ort sein, wie die des spanischen Schelmenromans,
der trotz seiner verschiedenen Färbung im Grunde in die nämliche Gattung gehört.
Unsre deutsche Blumen- und Elfcnpoesie ist ein bloßer Schößling der Lyrik, der
kaum das Recht hat, sich in dieser Breite auszudehnen. Die Gattung des
romantischen Epos dagegen, die von Walter Scott geschaffen, und durch ihn, sowie
durch Lord Byron zur höchsten Vollendung geführt ist, gehört trotz seiner epischen
GrnMage wesentlich in die Gattung der beschreibenden Poesie,


find klar, correct und für jeden, der der deutschen Sprache mächtig ist, verständ¬
lich. Wir möchten aber doch den Laien davor warnen, sich daraus nun ein wirk¬
liches Urtheil über die Philosophie bilden zu wollen. Die Schrift wird nur von
denjenigen völlig verstanden werden, die sich bereits vorher gründlich mit der
Philosophie beschäftigt haben, und nur für diese ist sie geschrieben.




Romantische Gedichte.
Die Jungfrau vom See. Romantisches Gedicht von W. Scott. Aus dem Eng¬
lischen von Friederike Friedmann. — Leipzig, Brockhaus. —
Dolores. Ein Gedicht. — Halle, Delbrück. —
Giovanna. Episch-lyrisches Gedicht. Von Anna Lohn. — Dresden, Türk. —

Wir haben bereits in einem der früheren Hefte bei Besprechung einer Reihe
lyrischer Gedichte die Bemerkung gemacht, daß wir die wiedererwachende Neigung
unsrer Dichter zum romantischen Epos mit Befriedigung wahrnehmen, weil dadurch
doch ein bestimmter Gegenstand und eine bestimmte Form für die Poesie gewonnen
wird, und weil in der reinen Lyrik von Zeit zu Zeit eine Pause eintreten muß,
wenn sie nicht ganz in gegenstandlose Seufzer und Thränen verschwimmen will.
Da uns einige neue Versuche dieser Gattung vorliegen, so benutzen wir diese
Gelegenheit, einige Bemerkungen über die Natur der Dichtungsform, die wir im
Sinn haben, anzuknüpfen.

Dieses romantische Epos steht ebenso der ritterlichen Poesie der Italiener
im -16. Jahrhundert, die wir als die letzte Abklärung der ritterlichen Poesie des
Mittelalters betrachten, als der modernen deutschen Blumen- und Elfenpvesic gegen¬
über, die zuerst durch das Beispiel der „bezauberten Rose" von Ernst Schulze
angeregt wurde, und neuerdings eine wahrhaft beunruhigende Ausdehnung
gewonnen hat. Das Nittergedicht der Italiener gehört ganz in die epische
Gattung und steht gegen das eigentliche volksthümliche Epos dadurch im Nach¬
theil, daß es sich auf keine fest gegründete nationale Tradition stützt. In unsrer
Zeit, wo das naive Interesse an bloßen Erzählungen, Geschichten und Abenteuern
bedeutend abgenommen hat, wo wir daran gewohnt sind, bei jeder Thatsache nach
dem geistigen Inhalt zu suche«, dürfte eine Wiederaufnahme dieser ritterlichen
Poesie ebenso wenig am Ort sein, wie die des spanischen Schelmenromans,
der trotz seiner verschiedenen Färbung im Grunde in die nämliche Gattung gehört.
Unsre deutsche Blumen- und Elfcnpoesie ist ein bloßer Schößling der Lyrik, der
kaum das Recht hat, sich in dieser Breite auszudehnen. Die Gattung des
romantischen Epos dagegen, die von Walter Scott geschaffen, und durch ihn, sowie
durch Lord Byron zur höchsten Vollendung geführt ist, gehört trotz seiner epischen
GrnMage wesentlich in die Gattung der beschreibenden Poesie,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/141>, abgerufen am 29.06.2024.