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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Die preußische Landwirthschaft.

Die preußische Landwirthschaft nach den amtlichen Quellen statistisch dargestellt und mit
besonderer Beziehung auf Besteuerung und Zollgesetzgebung betrachtet von
A. Kotelmann. Berlin, --

Wir theilen von diesem vortrefflichen Werk, aus das wir noch einmal zurückkommen,
zunächst das letzte Resultat mit, die "Bedürfnisse der preußischen Landwirthschaft."

Als im Jahr -1842 das Landcsökonvmiecollegium eingesetzt worden war,
forderte die Regierung Berichte über den Zustand und die Bedürfnisse der Land¬
wirthschaft in den verschiedenen Provinzen eil,, welche den Berathungen und Gut¬
achten des neugeschaffenen Centtalorgans zur Unterlage dienen sollten. Nach diesen
Berichten würden die Bedürfnisse der Landwirthschaft sehr zahlreich sein, es
würde sich außer der Beseitigung einiger veralteten Gesetze, die jetzt meist auf¬
gehoben oder modificirt find, das Bedürfniß geltend machen, daß die Negierung
fast alle Zweige des Landbaues theils durch Prämien für ausgezeichnete land-
wirthschaftliche Leistungen, wohin auch die an tüchtige kleine Grundbesitzer geleisteten
Zuschüsse zur Errichtung von Musterwirtschaften gerechnet werden dürfen, theils
durch directe Zuschüsse zur Beförderung des HandelSgewächsbanes, namentlich des
Flachs- und Hanfbaues, des Fntterkräuterbanes, der Pferdezucht, Rindviehzucht,
Seidenzucht n. f. w. zu heben suche. Es ist indeß wol in keinem Lande der Auf¬
schwung der Landwirthschaft der Hilfe des Staates, in vielen deren gedrückter Zustand
der unzeitigen Einmischung des letzteren in die Entwicklung des Ackerbaues oder in
die Grundbesitz- und Creditverhältnisse zuzuschreiben. Die beste Prämie für den
tüchtigen Landwirth liegt in den nicht ausbleibenden Früchten eines mit Ausdauer
fortgesetzten und einsichtsvoll verfolgten guten Strebens. Wo Einsicht und
Ausdauer fehlen, helfen alle Unterstützungen nichts. Aus einem schwankenden
Grnnde läßt sich kein solides Gebäude errichten.

Ohne Zweifel nimmt der Landbau in Preußen im Vergleiche zu den meisten
übrigen Staaten des mittleren und westlichen Europa nicht die Rangstufe ein,
welche die physischen Vorzüge des Landes demselben anweisen. Wir haben gesehen,
daß Preußen in Bezug ans die Beschaffenheit des Bodens, das Klima, die
natürlichen Communicationsmittel keineswegs so sehr weit hinter anderen Staaten
zurücksteht, die eine uoch einhalbmal so dichte Bevölkerung ernähren, und daß der
ungleiche Stand der Bodencultur in den Provinzen östlich und westlich der Elbe
ebenfalls nicht dem Unterschiede in der Fruchtbarkeit der Ländereien allein
zugeschrieben werden darf. Eine mächtige Ursache des früheren langsamen Fort¬
schritts der Bodencultur daven wir in dem nunmehr beseitigten strengen
Unterthänigkeitsverhältnisse, welches ans dem kleinen Grundbesitz, und der
Gebundenheit des Grundeigenthums überhaupt, welche auf dem großen wie auf


Grenzboten, III.
Die preußische Landwirthschaft.

Die preußische Landwirthschaft nach den amtlichen Quellen statistisch dargestellt und mit
besonderer Beziehung auf Besteuerung und Zollgesetzgebung betrachtet von
A. Kotelmann. Berlin, —

Wir theilen von diesem vortrefflichen Werk, aus das wir noch einmal zurückkommen,
zunächst das letzte Resultat mit, die „Bedürfnisse der preußischen Landwirthschaft."

Als im Jahr -1842 das Landcsökonvmiecollegium eingesetzt worden war,
forderte die Regierung Berichte über den Zustand und die Bedürfnisse der Land¬
wirthschaft in den verschiedenen Provinzen eil,, welche den Berathungen und Gut¬
achten des neugeschaffenen Centtalorgans zur Unterlage dienen sollten. Nach diesen
Berichten würden die Bedürfnisse der Landwirthschaft sehr zahlreich sein, es
würde sich außer der Beseitigung einiger veralteten Gesetze, die jetzt meist auf¬
gehoben oder modificirt find, das Bedürfniß geltend machen, daß die Negierung
fast alle Zweige des Landbaues theils durch Prämien für ausgezeichnete land-
wirthschaftliche Leistungen, wohin auch die an tüchtige kleine Grundbesitzer geleisteten
Zuschüsse zur Errichtung von Musterwirtschaften gerechnet werden dürfen, theils
durch directe Zuschüsse zur Beförderung des HandelSgewächsbanes, namentlich des
Flachs- und Hanfbaues, des Fntterkräuterbanes, der Pferdezucht, Rindviehzucht,
Seidenzucht n. f. w. zu heben suche. Es ist indeß wol in keinem Lande der Auf¬
schwung der Landwirthschaft der Hilfe des Staates, in vielen deren gedrückter Zustand
der unzeitigen Einmischung des letzteren in die Entwicklung des Ackerbaues oder in
die Grundbesitz- und Creditverhältnisse zuzuschreiben. Die beste Prämie für den
tüchtigen Landwirth liegt in den nicht ausbleibenden Früchten eines mit Ausdauer
fortgesetzten und einsichtsvoll verfolgten guten Strebens. Wo Einsicht und
Ausdauer fehlen, helfen alle Unterstützungen nichts. Aus einem schwankenden
Grnnde läßt sich kein solides Gebäude errichten.

Ohne Zweifel nimmt der Landbau in Preußen im Vergleiche zu den meisten
übrigen Staaten des mittleren und westlichen Europa nicht die Rangstufe ein,
welche die physischen Vorzüge des Landes demselben anweisen. Wir haben gesehen,
daß Preußen in Bezug ans die Beschaffenheit des Bodens, das Klima, die
natürlichen Communicationsmittel keineswegs so sehr weit hinter anderen Staaten
zurücksteht, die eine uoch einhalbmal so dichte Bevölkerung ernähren, und daß der
ungleiche Stand der Bodencultur in den Provinzen östlich und westlich der Elbe
ebenfalls nicht dem Unterschiede in der Fruchtbarkeit der Ländereien allein
zugeschrieben werden darf. Eine mächtige Ursache des früheren langsamen Fort¬
schritts der Bodencultur daven wir in dem nunmehr beseitigten strengen
Unterthänigkeitsverhältnisse, welches ans dem kleinen Grundbesitz, und der
Gebundenheit des Grundeigenthums überhaupt, welche auf dem großen wie auf


Grenzboten, III.
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[0105] Die preußische Landwirthschaft. Die preußische Landwirthschaft nach den amtlichen Quellen statistisch dargestellt und mit besonderer Beziehung auf Besteuerung und Zollgesetzgebung betrachtet von A. Kotelmann. Berlin, — Wir theilen von diesem vortrefflichen Werk, aus das wir noch einmal zurückkommen, zunächst das letzte Resultat mit, die „Bedürfnisse der preußischen Landwirthschaft." Als im Jahr -1842 das Landcsökonvmiecollegium eingesetzt worden war, forderte die Regierung Berichte über den Zustand und die Bedürfnisse der Land¬ wirthschaft in den verschiedenen Provinzen eil,, welche den Berathungen und Gut¬ achten des neugeschaffenen Centtalorgans zur Unterlage dienen sollten. Nach diesen Berichten würden die Bedürfnisse der Landwirthschaft sehr zahlreich sein, es würde sich außer der Beseitigung einiger veralteten Gesetze, die jetzt meist auf¬ gehoben oder modificirt find, das Bedürfniß geltend machen, daß die Negierung fast alle Zweige des Landbaues theils durch Prämien für ausgezeichnete land- wirthschaftliche Leistungen, wohin auch die an tüchtige kleine Grundbesitzer geleisteten Zuschüsse zur Errichtung von Musterwirtschaften gerechnet werden dürfen, theils durch directe Zuschüsse zur Beförderung des HandelSgewächsbanes, namentlich des Flachs- und Hanfbaues, des Fntterkräuterbanes, der Pferdezucht, Rindviehzucht, Seidenzucht n. f. w. zu heben suche. Es ist indeß wol in keinem Lande der Auf¬ schwung der Landwirthschaft der Hilfe des Staates, in vielen deren gedrückter Zustand der unzeitigen Einmischung des letzteren in die Entwicklung des Ackerbaues oder in die Grundbesitz- und Creditverhältnisse zuzuschreiben. Die beste Prämie für den tüchtigen Landwirth liegt in den nicht ausbleibenden Früchten eines mit Ausdauer fortgesetzten und einsichtsvoll verfolgten guten Strebens. Wo Einsicht und Ausdauer fehlen, helfen alle Unterstützungen nichts. Aus einem schwankenden Grnnde läßt sich kein solides Gebäude errichten. Ohne Zweifel nimmt der Landbau in Preußen im Vergleiche zu den meisten übrigen Staaten des mittleren und westlichen Europa nicht die Rangstufe ein, welche die physischen Vorzüge des Landes demselben anweisen. Wir haben gesehen, daß Preußen in Bezug ans die Beschaffenheit des Bodens, das Klima, die natürlichen Communicationsmittel keineswegs so sehr weit hinter anderen Staaten zurücksteht, die eine uoch einhalbmal so dichte Bevölkerung ernähren, und daß der ungleiche Stand der Bodencultur in den Provinzen östlich und westlich der Elbe ebenfalls nicht dem Unterschiede in der Fruchtbarkeit der Ländereien allein zugeschrieben werden darf. Eine mächtige Ursache des früheren langsamen Fort¬ schritts der Bodencultur daven wir in dem nunmehr beseitigten strengen Unterthänigkeitsverhältnisse, welches ans dem kleinen Grundbesitz, und der Gebundenheit des Grundeigenthums überhaupt, welche auf dem großen wie auf Grenzboten, III.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/105>, abgerufen am 29.06.2024.