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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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der Antillen, entreißen lassen. Es würde die halbe Million Schwarzer ihrer
Ketten entledigen und die Schrecken entfesselter Bestialität über die Insel ver¬
breiten. Was würden die Amerikaner am Ende gewinnen? Demolirte Städte
und verwüstete Pflanzungen und die scheußliche Aufgabe, Hunderttausende von
unlegierten Sclaven wieder unter die Botmäßigkeit der Knechtschaft zurückzubringen,
eine Aufgabe, an der selbst der unbezähmbare Muth der Aankee's erlahmen
dürste. Ist es nicht Wahnsinn, für solche Eventualitäten den Frieden der Welt
und den innern Frieden der Union anf's Spiel zu setzen?

Mag Nordamerika die dankbarere und glorreiche Arbeit verfolgen, die Cultur
in die unermeßliche Wildniß seines Gebietes zu tragen, mag es anch Flotten äus¬
serte", um dem Handel die fast hermetisch verschlossenen Thore jenes tausend¬
jährigen Reiches zu öffnen, dessen Küsten seit undenklichen Zeiten das Geheimniß
einer uralten, in sich versteinerten Civilisation bergen; die Sympathien der Volker
werden ihm bleiben, wenn sie es auch nicht in alle seinen Unternehmungen
begleiten. Aber die Union würde sie, und mit ihnen vielleicht auch ihr bisheriges
Glück verlieren, wenn die schlechten Leidenschaften in ihr die Oberhand ge¬
wännen und in übermüthiger Ueberschreitung aller Rechte und Verträge und für
die Fröhnung schnöder Eroberungslust die Fackel eiues unsinnigen Krieges ent¬
zünden sollten.




Eine Skizze aus dein dänischen Volksleben.
Von M. Goldschmidt.

Mein Vater hatte sich vor ungefähr 26 Jahren einen großen Bauerhof
in Walby (l/2 Meile von Kopenhagen) angekauft. In jeuer Zeit war es eine
Seltenheit, Städter als Bauerhof-Besitzer oder Landbewohner zu sehen, die
großen Güter ausgenommen;, es gab eine Zeit in Dänemark, wo der Besitz von
Landeigenthum mit Uebelständen verbunden war, von denen der städtische Grund¬
besitzer verschont blieb. Daher kommt es, daß Städter sich selten ans dem Lande
ankauften, woselbst ihre Kinder sogleich bei der Geburt in die Lagcregister ein¬
gezeichnet wurden und gleich den übrigen Landbewohnern der Militairpflicht unter¬
lagen. Die Wälbyer Bauern sahen unser Einziehen mit Kopfschütteln an und prophe-
zeiheten Verschiedenes unter sich, und die Dienstleute der Gegend trafen eine Art
von Uebereinkunft, wonach keiner auf unsrem Hose dienen solle, so daß mein
Vater in der That den ersten Herbst, als die Wintersaat bestellt werden mußte, über
keine anderen Kräfte, als die er selbst mitgebracht hatte, nämlich einen Knecht und
einen Dienstjuugen, verfügen konnte. Zwar verschrieb er sich Leute aus der


der Antillen, entreißen lassen. Es würde die halbe Million Schwarzer ihrer
Ketten entledigen und die Schrecken entfesselter Bestialität über die Insel ver¬
breiten. Was würden die Amerikaner am Ende gewinnen? Demolirte Städte
und verwüstete Pflanzungen und die scheußliche Aufgabe, Hunderttausende von
unlegierten Sclaven wieder unter die Botmäßigkeit der Knechtschaft zurückzubringen,
eine Aufgabe, an der selbst der unbezähmbare Muth der Aankee's erlahmen
dürste. Ist es nicht Wahnsinn, für solche Eventualitäten den Frieden der Welt
und den innern Frieden der Union anf's Spiel zu setzen?

Mag Nordamerika die dankbarere und glorreiche Arbeit verfolgen, die Cultur
in die unermeßliche Wildniß seines Gebietes zu tragen, mag es anch Flotten äus¬
serte«, um dem Handel die fast hermetisch verschlossenen Thore jenes tausend¬
jährigen Reiches zu öffnen, dessen Küsten seit undenklichen Zeiten das Geheimniß
einer uralten, in sich versteinerten Civilisation bergen; die Sympathien der Volker
werden ihm bleiben, wenn sie es auch nicht in alle seinen Unternehmungen
begleiten. Aber die Union würde sie, und mit ihnen vielleicht auch ihr bisheriges
Glück verlieren, wenn die schlechten Leidenschaften in ihr die Oberhand ge¬
wännen und in übermüthiger Ueberschreitung aller Rechte und Verträge und für
die Fröhnung schnöder Eroberungslust die Fackel eiues unsinnigen Krieges ent¬
zünden sollten.




Eine Skizze aus dein dänischen Volksleben.
Von M. Goldschmidt.

Mein Vater hatte sich vor ungefähr 26 Jahren einen großen Bauerhof
in Walby (l/2 Meile von Kopenhagen) angekauft. In jeuer Zeit war es eine
Seltenheit, Städter als Bauerhof-Besitzer oder Landbewohner zu sehen, die
großen Güter ausgenommen;, es gab eine Zeit in Dänemark, wo der Besitz von
Landeigenthum mit Uebelständen verbunden war, von denen der städtische Grund¬
besitzer verschont blieb. Daher kommt es, daß Städter sich selten ans dem Lande
ankauften, woselbst ihre Kinder sogleich bei der Geburt in die Lagcregister ein¬
gezeichnet wurden und gleich den übrigen Landbewohnern der Militairpflicht unter¬
lagen. Die Wälbyer Bauern sahen unser Einziehen mit Kopfschütteln an und prophe-
zeiheten Verschiedenes unter sich, und die Dienstleute der Gegend trafen eine Art
von Uebereinkunft, wonach keiner auf unsrem Hose dienen solle, so daß mein
Vater in der That den ersten Herbst, als die Wintersaat bestellt werden mußte, über
keine anderen Kräfte, als die er selbst mitgebracht hatte, nämlich einen Knecht und
einen Dienstjuugen, verfügen konnte. Zwar verschrieb er sich Leute aus der


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[0071] der Antillen, entreißen lassen. Es würde die halbe Million Schwarzer ihrer Ketten entledigen und die Schrecken entfesselter Bestialität über die Insel ver¬ breiten. Was würden die Amerikaner am Ende gewinnen? Demolirte Städte und verwüstete Pflanzungen und die scheußliche Aufgabe, Hunderttausende von unlegierten Sclaven wieder unter die Botmäßigkeit der Knechtschaft zurückzubringen, eine Aufgabe, an der selbst der unbezähmbare Muth der Aankee's erlahmen dürste. Ist es nicht Wahnsinn, für solche Eventualitäten den Frieden der Welt und den innern Frieden der Union anf's Spiel zu setzen? Mag Nordamerika die dankbarere und glorreiche Arbeit verfolgen, die Cultur in die unermeßliche Wildniß seines Gebietes zu tragen, mag es anch Flotten äus¬ serte«, um dem Handel die fast hermetisch verschlossenen Thore jenes tausend¬ jährigen Reiches zu öffnen, dessen Küsten seit undenklichen Zeiten das Geheimniß einer uralten, in sich versteinerten Civilisation bergen; die Sympathien der Volker werden ihm bleiben, wenn sie es auch nicht in alle seinen Unternehmungen begleiten. Aber die Union würde sie, und mit ihnen vielleicht auch ihr bisheriges Glück verlieren, wenn die schlechten Leidenschaften in ihr die Oberhand ge¬ wännen und in übermüthiger Ueberschreitung aller Rechte und Verträge und für die Fröhnung schnöder Eroberungslust die Fackel eiues unsinnigen Krieges ent¬ zünden sollten. Eine Skizze aus dein dänischen Volksleben. Von M. Goldschmidt. Mein Vater hatte sich vor ungefähr 26 Jahren einen großen Bauerhof in Walby (l/2 Meile von Kopenhagen) angekauft. In jeuer Zeit war es eine Seltenheit, Städter als Bauerhof-Besitzer oder Landbewohner zu sehen, die großen Güter ausgenommen;, es gab eine Zeit in Dänemark, wo der Besitz von Landeigenthum mit Uebelständen verbunden war, von denen der städtische Grund¬ besitzer verschont blieb. Daher kommt es, daß Städter sich selten ans dem Lande ankauften, woselbst ihre Kinder sogleich bei der Geburt in die Lagcregister ein¬ gezeichnet wurden und gleich den übrigen Landbewohnern der Militairpflicht unter¬ lagen. Die Wälbyer Bauern sahen unser Einziehen mit Kopfschütteln an und prophe- zeiheten Verschiedenes unter sich, und die Dienstleute der Gegend trafen eine Art von Uebereinkunft, wonach keiner auf unsrem Hose dienen solle, so daß mein Vater in der That den ersten Herbst, als die Wintersaat bestellt werden mußte, über keine anderen Kräfte, als die er selbst mitgebracht hatte, nämlich einen Knecht und einen Dienstjuugen, verfügen konnte. Zwar verschrieb er sich Leute aus der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/71>, abgerufen am 27.06.2024.