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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Geschichte der Revolution von 1848
von
Daniel Stern (Gräfin Marie d'Agonie.)

Es liegt nun der dritte Band von Daniel Stern's Geschichte der Februar¬
revolution vor uns. Derselbe führt uns vom fünfzehnte" Mai bis über die Ju¬
nitage, mit welcher Epoche diese Geschichte abschließt. Der Verfasser fügt baun
noch in einem kurzen Resumv deu übersichtlichen Verlauf der Begebenheiten bis
ans unsere Tage hinzu. Das Buch darf ein ernstes Interesse beanspruchen,
denn die so verhängnißvollen und lehrreichen Ereignisse des Jahres -I8i8 sind
noch nicht gehörig gewürdigt, und von den Stimmführer", die bisher allein die
Feder führte", um ihre eigene Politik zu rechtfertigen, nicht immer im wahrheit¬
lichen Lichte dargestellt worden. Daniel Stern hat das unverkennbare Bestreben,
nicht als Parteimann, sondern historisch zu Werke zu gehen. Es standen dem
Verfasser auch manche bisher unbenutzte Quellen zu Gebote, und namentlich die
Schilderung der Jnniereignisse wirst ein neues Licht über die Ursachen dieser
furchtbaren Katastrophe. ES hatte sich gleich von vorn herein ein Zwiespalt
Zwischen dem Socialismus und den Anhänger" der gemäßigten Republik heraus¬
gestellt, der den Anhängern der Monarchie zu Gute kam. Im Juni war die
Kluft so breit geworden, daß sie nnr noch dnrch Tausende von Schlachtopfern
ausgefüllt werden konnte. Der Verfasser führt uus durch die verschiedenen
Phasen des republikanischen Hin- und Herschwankens, die man Geschichte der
Februarrevolution nennt. Das Werk ist reich an Charakteristiken, und enthält
Schilderungen, die vortrefflich ausgeführt sind. Namentlich dieser dritte Band
mit seiner Darstellung der Jnniereignisse würde vor dem zweiten Dezember einen
wahren Sturm unter den Parteien geweckt haben, aber seither haben wir
mancherlei Erfahrungen gemacht, und der Verfasser hat nur deu Groll der ge¬
genwärtigen Machthaber zu fürchten. Wir wollen den Lesern der Grenzboten
ein Bruchstück ans dem neusten, in seinen Aushängebogen vor uns liegenden
Bande geben, und wir haben das Capitel über Louis Bonaparte gewählt. Wir
halten diesen Abschnitt für einen der schwächsten des Buches, allein es scheint
uns interessant, wieder einmal einen Blick ans die Theilnahme dieses Mannes
an den Ereignissen von 18i8 werfen zu können. Solche Rückblicke in Zeiten
wie die unsrigen, wo die eigenthümliche Politik des napoleoniden wieder auf
einem neuen Wendepunkte angelangt zu sein scheint, sind lehrreich und von großem
Interesse zugleich. Unsere Leser werden erkennen, daß der Standpunkt des Werkes
weit von dem der Grenzboten abweicht; nichtsdestoweniger glauben wir, wird
ihnen diese Mittheilung einer geistreichen und bedeutenden Feder willkommen sein,


Geschichte der Revolution von 1848
von
Daniel Stern (Gräfin Marie d'Agonie.)

Es liegt nun der dritte Band von Daniel Stern's Geschichte der Februar¬
revolution vor uns. Derselbe führt uns vom fünfzehnte» Mai bis über die Ju¬
nitage, mit welcher Epoche diese Geschichte abschließt. Der Verfasser fügt baun
noch in einem kurzen Resumv deu übersichtlichen Verlauf der Begebenheiten bis
ans unsere Tage hinzu. Das Buch darf ein ernstes Interesse beanspruchen,
denn die so verhängnißvollen und lehrreichen Ereignisse des Jahres -I8i8 sind
noch nicht gehörig gewürdigt, und von den Stimmführer», die bisher allein die
Feder führte», um ihre eigene Politik zu rechtfertigen, nicht immer im wahrheit¬
lichen Lichte dargestellt worden. Daniel Stern hat das unverkennbare Bestreben,
nicht als Parteimann, sondern historisch zu Werke zu gehen. Es standen dem
Verfasser auch manche bisher unbenutzte Quellen zu Gebote, und namentlich die
Schilderung der Jnniereignisse wirst ein neues Licht über die Ursachen dieser
furchtbaren Katastrophe. ES hatte sich gleich von vorn herein ein Zwiespalt
Zwischen dem Socialismus und den Anhänger» der gemäßigten Republik heraus¬
gestellt, der den Anhängern der Monarchie zu Gute kam. Im Juni war die
Kluft so breit geworden, daß sie nnr noch dnrch Tausende von Schlachtopfern
ausgefüllt werden konnte. Der Verfasser führt uus durch die verschiedenen
Phasen des republikanischen Hin- und Herschwankens, die man Geschichte der
Februarrevolution nennt. Das Werk ist reich an Charakteristiken, und enthält
Schilderungen, die vortrefflich ausgeführt sind. Namentlich dieser dritte Band
mit seiner Darstellung der Jnniereignisse würde vor dem zweiten Dezember einen
wahren Sturm unter den Parteien geweckt haben, aber seither haben wir
mancherlei Erfahrungen gemacht, und der Verfasser hat nur deu Groll der ge¬
genwärtigen Machthaber zu fürchten. Wir wollen den Lesern der Grenzboten
ein Bruchstück ans dem neusten, in seinen Aushängebogen vor uns liegenden
Bande geben, und wir haben das Capitel über Louis Bonaparte gewählt. Wir
halten diesen Abschnitt für einen der schwächsten des Buches, allein es scheint
uns interessant, wieder einmal einen Blick ans die Theilnahme dieses Mannes
an den Ereignissen von 18i8 werfen zu können. Solche Rückblicke in Zeiten
wie die unsrigen, wo die eigenthümliche Politik des napoleoniden wieder auf
einem neuen Wendepunkte angelangt zu sein scheint, sind lehrreich und von großem
Interesse zugleich. Unsere Leser werden erkennen, daß der Standpunkt des Werkes
weit von dem der Grenzboten abweicht; nichtsdestoweniger glauben wir, wird
ihnen diese Mittheilung einer geistreichen und bedeutenden Feder willkommen sein,


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[0383] Geschichte der Revolution von 1848 von Daniel Stern (Gräfin Marie d'Agonie.) Es liegt nun der dritte Band von Daniel Stern's Geschichte der Februar¬ revolution vor uns. Derselbe führt uns vom fünfzehnte» Mai bis über die Ju¬ nitage, mit welcher Epoche diese Geschichte abschließt. Der Verfasser fügt baun noch in einem kurzen Resumv deu übersichtlichen Verlauf der Begebenheiten bis ans unsere Tage hinzu. Das Buch darf ein ernstes Interesse beanspruchen, denn die so verhängnißvollen und lehrreichen Ereignisse des Jahres -I8i8 sind noch nicht gehörig gewürdigt, und von den Stimmführer», die bisher allein die Feder führte», um ihre eigene Politik zu rechtfertigen, nicht immer im wahrheit¬ lichen Lichte dargestellt worden. Daniel Stern hat das unverkennbare Bestreben, nicht als Parteimann, sondern historisch zu Werke zu gehen. Es standen dem Verfasser auch manche bisher unbenutzte Quellen zu Gebote, und namentlich die Schilderung der Jnniereignisse wirst ein neues Licht über die Ursachen dieser furchtbaren Katastrophe. ES hatte sich gleich von vorn herein ein Zwiespalt Zwischen dem Socialismus und den Anhänger» der gemäßigten Republik heraus¬ gestellt, der den Anhängern der Monarchie zu Gute kam. Im Juni war die Kluft so breit geworden, daß sie nnr noch dnrch Tausende von Schlachtopfern ausgefüllt werden konnte. Der Verfasser führt uus durch die verschiedenen Phasen des republikanischen Hin- und Herschwankens, die man Geschichte der Februarrevolution nennt. Das Werk ist reich an Charakteristiken, und enthält Schilderungen, die vortrefflich ausgeführt sind. Namentlich dieser dritte Band mit seiner Darstellung der Jnniereignisse würde vor dem zweiten Dezember einen wahren Sturm unter den Parteien geweckt haben, aber seither haben wir mancherlei Erfahrungen gemacht, und der Verfasser hat nur deu Groll der ge¬ genwärtigen Machthaber zu fürchten. Wir wollen den Lesern der Grenzboten ein Bruchstück ans dem neusten, in seinen Aushängebogen vor uns liegenden Bande geben, und wir haben das Capitel über Louis Bonaparte gewählt. Wir halten diesen Abschnitt für einen der schwächsten des Buches, allein es scheint uns interessant, wieder einmal einen Blick ans die Theilnahme dieses Mannes an den Ereignissen von 18i8 werfen zu können. Solche Rückblicke in Zeiten wie die unsrigen, wo die eigenthümliche Politik des napoleoniden wieder auf einem neuen Wendepunkte angelangt zu sein scheint, sind lehrreich und von großem Interesse zugleich. Unsere Leser werden erkennen, daß der Standpunkt des Werkes weit von dem der Grenzboten abweicht; nichtsdestoweniger glauben wir, wird ihnen diese Mittheilung einer geistreichen und bedeutenden Feder willkommen sein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/383>, abgerufen am 04.07.2024.