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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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daran, obwol der Moniteur dem Gerücht ein bestimmtes Dementi gab, daß der
Maischall Se, Armand wirtlich ungeheure Summen im Börsenspiel verloren hat,
und nnr dnrch die kaiserliche Munificenz ans seiner üblen Lage herausgerissen
ist. Der Herzog von Bassano steht an der Spitze einer algierischen Minengcsell-
schaft, welche Bankerott gemacht hat und das Verhältniß des Staatsministers
Foulo's zur 8o0lo>."; eivili! moKMkr ist sogar ein officielles. Hat man unter
dein Regime der "Bourgeoisie" zu Louis Philipp's Zeit über den Scandal des
Börsenspiels großes Geschrei erhoben, so ist, was damals geschah, außer allem
Vergleich mit dem heutigen Treibe". Erstens hatte die Juliregieruug zu keiner
Zeit mit der Unvorsichtigkeit der jetzigen durch maßlose Ertheilung von Conces¬
sionen zu Slctieugescllschaftcu und Bildung schlecht fnndirter Creditinstitute
eine so fieberhafte Ausdehnung der Speculation hervorgerufen, die schon dnrch ihr
eigenes Uebermaß selbst solidere Unternehmungen in schwere Krisen hineinziehen
muß, da sie die Kräfte der französischen Capitalien weit übersteigt. Ferner boten
die damaligen Zustände Garantien gegen den plötzlichen Ausbruch gewisser Even¬
tualitäten dar, welche in den heutigen fehlen, und die daher der Speculation
weniger abenteuerliche Aussichten und weniger gefährliche Rückschläge eröffneten.
Zu Louis Philipp's Zeit war eS nicht möglich, daß das dem plai^ir des Königs
Frankreich in einen Krieg verwickeln, beliebige Handelsverträge abschließen, oder
dnrch eigenmächtige Verfügung über die Staatsgelder schwere Belastungen des
öffentlichen Credits herbeiführen konnte. Die parlamentarischen Rechte waren
ernsthaft, während von den gegenwärtigen Staatskörpern nicht zu erwarten ist,
daß sie anch den allerärgsten Zumuthungen sich widersetzen sollten. Das leiseste
Lüftchen somit, das in der Sphäre des Hofes sich regt, wirkt auf die Börse; dem
Treiben der Speculanten steht ein größerer Spielraum offen, durch Verbreitung
von Gerüchten auf die Fonds zu wirke", als je zuvor. Nun kommt noch dazu, daß
die Spccnlationswnth viel weiter und tiefer in die gesellschaftlichen und bürger¬
lichen Kreise gegriffen hat, als unier der vorige" Regierung. Die Frauen der
höheren Klassen betheiligen sich am Börsenspiel dnrch ihre Agenten mehr, als es
früher je geschehen; die ärmeren Leute legen ihre Ersparnisse zusammen und ver¬
trauen sie, vou dem Durst nach übermäßigem und schnellem Gewinn, der alle Welt
ergriffen hat, fortgerissen, dieser trügerischen Chance an. Schon ist die Krisis
des ganzen Fond- und Geldmarktes in drohendem Anzüge, und wird nur noch
dnrch ungeheure Anstrengungen der Negierung, die zu spät ihren Fehler einge¬
sehen hat, abgehalten. Kommt sie zum Ausbruch, so werden ihre Folge" in
einem bis dahin ungekannten Maße sich offenbare".


Pariser Brief-

Paris lebt in diesen, Augenblicke wie in einem Traume
- es sieht, spricht und hört Nichts als HvchzeitSvorbereituuge", u"d jedes andere
Ereignis! tritt bescheiden i" den Hintergrund, um den gekrönten Majestäten im


daran, obwol der Moniteur dem Gerücht ein bestimmtes Dementi gab, daß der
Maischall Se, Armand wirtlich ungeheure Summen im Börsenspiel verloren hat,
und nnr dnrch die kaiserliche Munificenz ans seiner üblen Lage herausgerissen
ist. Der Herzog von Bassano steht an der Spitze einer algierischen Minengcsell-
schaft, welche Bankerott gemacht hat und das Verhältniß des Staatsministers
Foulo's zur 8o0lo>.«; eivili! moKMkr ist sogar ein officielles. Hat man unter
dein Regime der „Bourgeoisie" zu Louis Philipp's Zeit über den Scandal des
Börsenspiels großes Geschrei erhoben, so ist, was damals geschah, außer allem
Vergleich mit dem heutigen Treibe». Erstens hatte die Juliregieruug zu keiner
Zeit mit der Unvorsichtigkeit der jetzigen durch maßlose Ertheilung von Conces¬
sionen zu Slctieugescllschaftcu und Bildung schlecht fnndirter Creditinstitute
eine so fieberhafte Ausdehnung der Speculation hervorgerufen, die schon dnrch ihr
eigenes Uebermaß selbst solidere Unternehmungen in schwere Krisen hineinziehen
muß, da sie die Kräfte der französischen Capitalien weit übersteigt. Ferner boten
die damaligen Zustände Garantien gegen den plötzlichen Ausbruch gewisser Even¬
tualitäten dar, welche in den heutigen fehlen, und die daher der Speculation
weniger abenteuerliche Aussichten und weniger gefährliche Rückschläge eröffneten.
Zu Louis Philipp's Zeit war eS nicht möglich, daß das dem plai^ir des Königs
Frankreich in einen Krieg verwickeln, beliebige Handelsverträge abschließen, oder
dnrch eigenmächtige Verfügung über die Staatsgelder schwere Belastungen des
öffentlichen Credits herbeiführen konnte. Die parlamentarischen Rechte waren
ernsthaft, während von den gegenwärtigen Staatskörpern nicht zu erwarten ist,
daß sie anch den allerärgsten Zumuthungen sich widersetzen sollten. Das leiseste
Lüftchen somit, das in der Sphäre des Hofes sich regt, wirkt auf die Börse; dem
Treiben der Speculanten steht ein größerer Spielraum offen, durch Verbreitung
von Gerüchten auf die Fonds zu wirke», als je zuvor. Nun kommt noch dazu, daß
die Spccnlationswnth viel weiter und tiefer in die gesellschaftlichen und bürger¬
lichen Kreise gegriffen hat, als unier der vorige» Regierung. Die Frauen der
höheren Klassen betheiligen sich am Börsenspiel dnrch ihre Agenten mehr, als es
früher je geschehen; die ärmeren Leute legen ihre Ersparnisse zusammen und ver¬
trauen sie, vou dem Durst nach übermäßigem und schnellem Gewinn, der alle Welt
ergriffen hat, fortgerissen, dieser trügerischen Chance an. Schon ist die Krisis
des ganzen Fond- und Geldmarktes in drohendem Anzüge, und wird nur noch
dnrch ungeheure Anstrengungen der Negierung, die zu spät ihren Fehler einge¬
sehen hat, abgehalten. Kommt sie zum Ausbruch, so werden ihre Folge» in
einem bis dahin ungekannten Maße sich offenbare».


Pariser Brief-

Paris lebt in diesen, Augenblicke wie in einem Traume
- es sieht, spricht und hört Nichts als HvchzeitSvorbereituuge», u»d jedes andere
Ereignis! tritt bescheiden i» den Hintergrund, um den gekrönten Majestäten im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/276>, abgerufen am 27.06.2024.