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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Debatte im Parlament. Wann Se. Majestät erschienen ist, mit wein Sie ge¬
sprochen hat, welchen Orden Sie getragen hat, mit welcher Dame Sie den
Tanz eröffnet, welche Personen die kaiserliche Quadrille bildeten, welche am
Souper Sr. Majestät Theil nahmen, wann Se. Majestät sich zurückgezogen hat,
wird mit derselben Wichtigkeit behandelt, wie zu den Zeiten deö in^inen ,vgun<z.
So war es vor Kurzem die Frage der kurze" Beinkleider, welche die politische
Welt in Aufregung versetzte. Se. Majestät war auf dem ersten Tnilericnball
in Kniehosen und weißen Strümpfen erschienen. Einige der Großwürdenträger
deö Reichs hatten das Beispiel ihres Souverains nachgeahmt, und man sah daher
voraus, daß dieses Costum für die nächsten Hofbälle alö rissrumr werden würde.
Die Agitation für "ud wider wurde sehr lebhaft. Nicht Jedermann, sagten die
Höflinge, hat ein so schon geformtes Bein wie Se. Majestät; verschiedene, etwas
abgemagerte Senatoren oder Staatsräthe waren, so hieß es, in Verzweiflung.
Böse Zungen serner wollten behaupten, der Marschall Magnam habe Wattons
getragen; dem widersprachen andere; der Marschall sei von der kräftigste" Körper¬
beschaffenheit und erfreue sich des schönsten Beines in Frankreich ...... natürlich
mit Ausnahme Sr. Majestät. Die Kunde von den Kniehosen drang bis in die
bürgerlichen Kreise und regte hier die industriellen Leidenschaften auf. Die
Strumpfwirker beriethen eine Petition an ihren allergnädigsten Monarchen, um
Einführung der kurzen Beinkleider in alle officiellen Uuifvrmiruugen.

Die Frage gewann an Umfang, indem sie eine constitutionelle Kontroverse
hervorrief. Bekanntlich beabsichtigt der Senat, dem Kaiser einen großen Ball
zu geben. Die zu diesem Zweck niedergesetzte Commission fühlte sich veranlaßt,
in Berathung darüber zu treten, ob die pati-W Mri-u? nicht dem Vorgänge Sr.
Majestät folge" und in Kniehosen und Strümpfen erscheine" müßte". <5in wich¬
tiger Einwand ward dem entgegengestellt. Das vom Kaiser erlassene Reglement,
welches die Uniforme" der Se"atoreu festsetzt, schreibt lange Beinkleider vor.
Welch' bedenkliches Dilemma. Entweder mußte man in tiefer Ehrerbietung gegen
Se. Majestät es unterlassen, dem von ihr gegebene" Beispiel zu solgen,
oder die vom Kaiser ertheilten Borschriften ----- und sie sind in der
That fo wichtig, wie die übrigen Paragraphen der Verfassung ...... ver¬
letzen. Nach ernsten Debatte" beschloß die Commission das Gesetz schlafen
zu lasse" und der kaiserlichen Perso" i" Strümpfe" und Kniehose"
ihre Hnldignna.er darzubringen. Dieser folgenreiche Beschluß ward mit 17 Se.
gegen -I Se. gefaßt, und die Medisance behauptete sofort, das dissentirende Mit¬
glied hätte nicht mit Rücksicht auf das Reglement, sondern mit Rücksicht auf seine
osteologische Körperbildung gestimmt.

Dieses höfische Getreide steht in enger Verbindung mit dem der Börse. Be¬
kanntlich sind zum Theil gerade die hervorragendsten und begünstigtsten Anhänger
Napoleon's tief in Börsenspeculatione" verwickelt. Niemand zweifelt z. B.


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Debatte im Parlament. Wann Se. Majestät erschienen ist, mit wein Sie ge¬
sprochen hat, welchen Orden Sie getragen hat, mit welcher Dame Sie den
Tanz eröffnet, welche Personen die kaiserliche Quadrille bildeten, welche am
Souper Sr. Majestät Theil nahmen, wann Se. Majestät sich zurückgezogen hat,
wird mit derselben Wichtigkeit behandelt, wie zu den Zeiten deö in^inen ,vgun<z.
So war es vor Kurzem die Frage der kurze» Beinkleider, welche die politische
Welt in Aufregung versetzte. Se. Majestät war auf dem ersten Tnilericnball
in Kniehosen und weißen Strümpfen erschienen. Einige der Großwürdenträger
deö Reichs hatten das Beispiel ihres Souverains nachgeahmt, und man sah daher
voraus, daß dieses Costum für die nächsten Hofbälle alö rissrumr werden würde.
Die Agitation für »ud wider wurde sehr lebhaft. Nicht Jedermann, sagten die
Höflinge, hat ein so schon geformtes Bein wie Se. Majestät; verschiedene, etwas
abgemagerte Senatoren oder Staatsräthe waren, so hieß es, in Verzweiflung.
Böse Zungen serner wollten behaupten, der Marschall Magnam habe Wattons
getragen; dem widersprachen andere; der Marschall sei von der kräftigste» Körper¬
beschaffenheit und erfreue sich des schönsten Beines in Frankreich ...... natürlich
mit Ausnahme Sr. Majestät. Die Kunde von den Kniehosen drang bis in die
bürgerlichen Kreise und regte hier die industriellen Leidenschaften auf. Die
Strumpfwirker beriethen eine Petition an ihren allergnädigsten Monarchen, um
Einführung der kurzen Beinkleider in alle officiellen Uuifvrmiruugen.

Die Frage gewann an Umfang, indem sie eine constitutionelle Kontroverse
hervorrief. Bekanntlich beabsichtigt der Senat, dem Kaiser einen großen Ball
zu geben. Die zu diesem Zweck niedergesetzte Commission fühlte sich veranlaßt,
in Berathung darüber zu treten, ob die pati-W Mri-u? nicht dem Vorgänge Sr.
Majestät folge» und in Kniehosen und Strümpfen erscheine» müßte». <5in wich¬
tiger Einwand ward dem entgegengestellt. Das vom Kaiser erlassene Reglement,
welches die Uniforme» der Se»atoreu festsetzt, schreibt lange Beinkleider vor.
Welch' bedenkliches Dilemma. Entweder mußte man in tiefer Ehrerbietung gegen
Se. Majestät es unterlassen, dem von ihr gegebene» Beispiel zu solgen,
oder die vom Kaiser ertheilten Borschriften ----- und sie sind in der
That fo wichtig, wie die übrigen Paragraphen der Verfassung ...... ver¬
letzen. Nach ernsten Debatte» beschloß die Commission das Gesetz schlafen
zu lasse» und der kaiserlichen Perso» i» Strümpfe» und Kniehose»
ihre Hnldignna.er darzubringen. Dieser folgenreiche Beschluß ward mit 17 Se.
gegen -I Se. gefaßt, und die Medisance behauptete sofort, das dissentirende Mit¬
glied hätte nicht mit Rücksicht auf das Reglement, sondern mit Rücksicht auf seine
osteologische Körperbildung gestimmt.

Dieses höfische Getreide steht in enger Verbindung mit dem der Börse. Be¬
kanntlich sind zum Theil gerade die hervorragendsten und begünstigtsten Anhänger
Napoleon's tief in Börsenspeculatione» verwickelt. Niemand zweifelt z. B.


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[0275] Debatte im Parlament. Wann Se. Majestät erschienen ist, mit wein Sie ge¬ sprochen hat, welchen Orden Sie getragen hat, mit welcher Dame Sie den Tanz eröffnet, welche Personen die kaiserliche Quadrille bildeten, welche am Souper Sr. Majestät Theil nahmen, wann Se. Majestät sich zurückgezogen hat, wird mit derselben Wichtigkeit behandelt, wie zu den Zeiten deö in^inen ,vgun<z. So war es vor Kurzem die Frage der kurze» Beinkleider, welche die politische Welt in Aufregung versetzte. Se. Majestät war auf dem ersten Tnilericnball in Kniehosen und weißen Strümpfen erschienen. Einige der Großwürdenträger deö Reichs hatten das Beispiel ihres Souverains nachgeahmt, und man sah daher voraus, daß dieses Costum für die nächsten Hofbälle alö rissrumr werden würde. Die Agitation für »ud wider wurde sehr lebhaft. Nicht Jedermann, sagten die Höflinge, hat ein so schon geformtes Bein wie Se. Majestät; verschiedene, etwas abgemagerte Senatoren oder Staatsräthe waren, so hieß es, in Verzweiflung. Böse Zungen serner wollten behaupten, der Marschall Magnam habe Wattons getragen; dem widersprachen andere; der Marschall sei von der kräftigste» Körper¬ beschaffenheit und erfreue sich des schönsten Beines in Frankreich ...... natürlich mit Ausnahme Sr. Majestät. Die Kunde von den Kniehosen drang bis in die bürgerlichen Kreise und regte hier die industriellen Leidenschaften auf. Die Strumpfwirker beriethen eine Petition an ihren allergnädigsten Monarchen, um Einführung der kurzen Beinkleider in alle officiellen Uuifvrmiruugen. Die Frage gewann an Umfang, indem sie eine constitutionelle Kontroverse hervorrief. Bekanntlich beabsichtigt der Senat, dem Kaiser einen großen Ball zu geben. Die zu diesem Zweck niedergesetzte Commission fühlte sich veranlaßt, in Berathung darüber zu treten, ob die pati-W Mri-u? nicht dem Vorgänge Sr. Majestät folge» und in Kniehosen und Strümpfen erscheine» müßte». <5in wich¬ tiger Einwand ward dem entgegengestellt. Das vom Kaiser erlassene Reglement, welches die Uniforme» der Se»atoreu festsetzt, schreibt lange Beinkleider vor. Welch' bedenkliches Dilemma. Entweder mußte man in tiefer Ehrerbietung gegen Se. Majestät es unterlassen, dem von ihr gegebene» Beispiel zu solgen, oder die vom Kaiser ertheilten Borschriften ----- und sie sind in der That fo wichtig, wie die übrigen Paragraphen der Verfassung ...... ver¬ letzen. Nach ernsten Debatte» beschloß die Commission das Gesetz schlafen zu lasse» und der kaiserlichen Perso» i» Strümpfe» und Kniehose» ihre Hnldignna.er darzubringen. Dieser folgenreiche Beschluß ward mit 17 Se. gegen -I Se. gefaßt, und die Medisance behauptete sofort, das dissentirende Mit¬ glied hätte nicht mit Rücksicht auf das Reglement, sondern mit Rücksicht auf seine osteologische Körperbildung gestimmt. Dieses höfische Getreide steht in enger Verbindung mit dem der Börse. Be¬ kanntlich sind zum Theil gerade die hervorragendsten und begünstigtsten Anhänger Napoleon's tief in Börsenspeculatione» verwickelt. Niemand zweifelt z. B. 3i*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/275>, abgerufen am 29.06.2024.