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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Der VerfassmigMampf in Spanien.

-- Das Ereignis? des Tages
in Spanien ist die LSeröffentlichnng des Briefes, den der Marschall Narvaez an die
Königin geschrieben, und die daraus erfolgte Antwort. Gleich nach seiner Ankunft in
Bayonne -- ein December -- hatte der Herzog von Valencia ein Schreiben an
seine Souvcrainin abgeschickt, in welchem er mit gerechten Selbstgefühl und frcimnthigcni
Stolze, aber mit aller der Krone schuldigen Ehrfurcht, seine persönlichen Beschwerden
und die Gefahre", in welche eine verderbliche Politik den Thron und das Land stürze, aus-
einandersetzt. Man habe ihn, sagt er, unter der Form einer Sendung aus Spanien verbannt,
welche sich nicht für den von ihn bekleideten Rang, sondern höchstens für den eines
Obersten schicke, und mir weil er, seiner Pflicht und seinem Recht als Senator des
Reichs nachkommend, sich der Opposition angeschlossen, welche die edelsten Kräfte und
hervorragendsten Männer Spaniens gegen die verfassungswidrigen Projecte des Ministeri¬
ums vereinigte. Er erinnert Jsabella II., wie die Nation mit Strömen Blutes in
einem siebenjährigen Bürgerkrieg ihren Thron und die mit demselben unzertrennlich
verbundenen liberalen Institutionen, gegen den Prätendenten vertheidigt, wie sie selbst
nach ihrer Volljährigkeit den Pact mit ihrem Volke in voller Freiheit erneuert
habe. In der stürmischen Epoche von <8i8 habe die Constitntwn als stärkste Stütze
des Königthums sich bewährt, Ordnung und Achtung vor dem Gesetz im Lande erhalten.
Jetzt drängten anticonstitutioncllc Rathschläge die Nation und die Monarchie an den
Rand des Verderbens. Er beschwört die Königin diesen ihr Ohr zu verschließen und
bittet sie zugleich die wieder ihn verhängte Maßregel aufzuheben.

Es heisst, dieser Brief -- der augenscheinlich abgesendet wurde, ehe Narvaez den
Sturz Murillo's erfahren hatte -- wäre gleichfalls, bevor ihm dieses Ereignis; bekannt
wurde, auf sein Gchcift in vielen Abzügen in Madrid verbreitet worden. Das Letztere
erscheint unwahrscheinlich, sowol weil die Antwort erst jetzt erfolgt, als weil der Brief
selbst so spät zur allgemeinen Kenntniß gekommen ist. Der Bescheid Jsabella'S ans die
gegründete Beschwerde und den einsichtsvollen Rath des Mannes, ohne dessen starke
Hand ihre Krone, aller menschlichen Berechnung nach, 18i8 in den Staub gerollt wäre,
enthielt die Bezeugung ihrer allerhöchsten Ungnade, des "unehrerbietigem Tones" seiner
Eingabe und deren Veröffentlichung wegen, so wie den geschärften Befehl, sich sofort nach
Wien ans den Posten seiner Sendung (zur Einsicht der dortigen Militairarchivc!) zu
begeben. Er ward auf Befehl der Königin durch den Kriegsminister, General Lara,
jam 9. Januar) an den Marschall erlassen, und in der Gaceta veröffentlichte Diese
unerhörte Behandlung eines so hervorragenden und hochverdienten Mannes veranlaßte
den Finanzminister Aristizabal zum Rücktritt, den wir im vorigen Hefte bereits ankün¬
digten. Der Eintritt von Bcnavidcs in das Ministerium, der statt des mit dem
Finanzportcfeuille betrauten Llorcntc, das Innere übernahm, hat den allerschlcchtesten
Eindruck in Madrid gemacht. Man sieht in der Ernennung dieses grundsatzloser Po¬
litikers die deutlich ausgesprochene Rückkehr des Hofes zu den Plänen Murillo's.

Das Verfahren gegen Narvaez ferner ward von der öffentlichen Meinung auf's
Strengste beurtheilt. Auch der Hcraldo, welcher die Fraktion der Mvdcrados vertritt,
die sich dem Cabinet genähert haben, sprach sich bei diesem Anlaß nachdrücklich für den
Herzog von Valencia aus und ward deshalb, seiner sonstigen Haltung ungeachtet, mit
Beschlag belegt. Was Narvaez thun wird, muß sich bald entscheiden; das Gerücht war


Grenzboten. I. 18!>Z, Ig
Der VerfassmigMampf in Spanien.

— Das Ereignis? des Tages
in Spanien ist die LSeröffentlichnng des Briefes, den der Marschall Narvaez an die
Königin geschrieben, und die daraus erfolgte Antwort. Gleich nach seiner Ankunft in
Bayonne — ein December — hatte der Herzog von Valencia ein Schreiben an
seine Souvcrainin abgeschickt, in welchem er mit gerechten Selbstgefühl und frcimnthigcni
Stolze, aber mit aller der Krone schuldigen Ehrfurcht, seine persönlichen Beschwerden
und die Gefahre», in welche eine verderbliche Politik den Thron und das Land stürze, aus-
einandersetzt. Man habe ihn, sagt er, unter der Form einer Sendung aus Spanien verbannt,
welche sich nicht für den von ihn bekleideten Rang, sondern höchstens für den eines
Obersten schicke, und mir weil er, seiner Pflicht und seinem Recht als Senator des
Reichs nachkommend, sich der Opposition angeschlossen, welche die edelsten Kräfte und
hervorragendsten Männer Spaniens gegen die verfassungswidrigen Projecte des Ministeri¬
ums vereinigte. Er erinnert Jsabella II., wie die Nation mit Strömen Blutes in
einem siebenjährigen Bürgerkrieg ihren Thron und die mit demselben unzertrennlich
verbundenen liberalen Institutionen, gegen den Prätendenten vertheidigt, wie sie selbst
nach ihrer Volljährigkeit den Pact mit ihrem Volke in voller Freiheit erneuert
habe. In der stürmischen Epoche von <8i8 habe die Constitntwn als stärkste Stütze
des Königthums sich bewährt, Ordnung und Achtung vor dem Gesetz im Lande erhalten.
Jetzt drängten anticonstitutioncllc Rathschläge die Nation und die Monarchie an den
Rand des Verderbens. Er beschwört die Königin diesen ihr Ohr zu verschließen und
bittet sie zugleich die wieder ihn verhängte Maßregel aufzuheben.

Es heisst, dieser Brief — der augenscheinlich abgesendet wurde, ehe Narvaez den
Sturz Murillo's erfahren hatte — wäre gleichfalls, bevor ihm dieses Ereignis; bekannt
wurde, auf sein Gchcift in vielen Abzügen in Madrid verbreitet worden. Das Letztere
erscheint unwahrscheinlich, sowol weil die Antwort erst jetzt erfolgt, als weil der Brief
selbst so spät zur allgemeinen Kenntniß gekommen ist. Der Bescheid Jsabella'S ans die
gegründete Beschwerde und den einsichtsvollen Rath des Mannes, ohne dessen starke
Hand ihre Krone, aller menschlichen Berechnung nach, 18i8 in den Staub gerollt wäre,
enthielt die Bezeugung ihrer allerhöchsten Ungnade, des „unehrerbietigem Tones" seiner
Eingabe und deren Veröffentlichung wegen, so wie den geschärften Befehl, sich sofort nach
Wien ans den Posten seiner Sendung (zur Einsicht der dortigen Militairarchivc!) zu
begeben. Er ward auf Befehl der Königin durch den Kriegsminister, General Lara,
jam 9. Januar) an den Marschall erlassen, und in der Gaceta veröffentlichte Diese
unerhörte Behandlung eines so hervorragenden und hochverdienten Mannes veranlaßte
den Finanzminister Aristizabal zum Rücktritt, den wir im vorigen Hefte bereits ankün¬
digten. Der Eintritt von Bcnavidcs in das Ministerium, der statt des mit dem
Finanzportcfeuille betrauten Llorcntc, das Innere übernahm, hat den allerschlcchtesten
Eindruck in Madrid gemacht. Man sieht in der Ernennung dieses grundsatzloser Po¬
litikers die deutlich ausgesprochene Rückkehr des Hofes zu den Plänen Murillo's.

Das Verfahren gegen Narvaez ferner ward von der öffentlichen Meinung auf's
Strengste beurtheilt. Auch der Hcraldo, welcher die Fraktion der Mvdcrados vertritt,
die sich dem Cabinet genähert haben, sprach sich bei diesem Anlaß nachdrücklich für den
Herzog von Valencia aus und ward deshalb, seiner sonstigen Haltung ungeachtet, mit
Beschlag belegt. Was Narvaez thun wird, muß sich bald entscheiden; das Gerücht war


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[0241] Der VerfassmigMampf in Spanien. — Das Ereignis? des Tages in Spanien ist die LSeröffentlichnng des Briefes, den der Marschall Narvaez an die Königin geschrieben, und die daraus erfolgte Antwort. Gleich nach seiner Ankunft in Bayonne — ein December — hatte der Herzog von Valencia ein Schreiben an seine Souvcrainin abgeschickt, in welchem er mit gerechten Selbstgefühl und frcimnthigcni Stolze, aber mit aller der Krone schuldigen Ehrfurcht, seine persönlichen Beschwerden und die Gefahre», in welche eine verderbliche Politik den Thron und das Land stürze, aus- einandersetzt. Man habe ihn, sagt er, unter der Form einer Sendung aus Spanien verbannt, welche sich nicht für den von ihn bekleideten Rang, sondern höchstens für den eines Obersten schicke, und mir weil er, seiner Pflicht und seinem Recht als Senator des Reichs nachkommend, sich der Opposition angeschlossen, welche die edelsten Kräfte und hervorragendsten Männer Spaniens gegen die verfassungswidrigen Projecte des Ministeri¬ ums vereinigte. Er erinnert Jsabella II., wie die Nation mit Strömen Blutes in einem siebenjährigen Bürgerkrieg ihren Thron und die mit demselben unzertrennlich verbundenen liberalen Institutionen, gegen den Prätendenten vertheidigt, wie sie selbst nach ihrer Volljährigkeit den Pact mit ihrem Volke in voller Freiheit erneuert habe. In der stürmischen Epoche von <8i8 habe die Constitntwn als stärkste Stütze des Königthums sich bewährt, Ordnung und Achtung vor dem Gesetz im Lande erhalten. Jetzt drängten anticonstitutioncllc Rathschläge die Nation und die Monarchie an den Rand des Verderbens. Er beschwört die Königin diesen ihr Ohr zu verschließen und bittet sie zugleich die wieder ihn verhängte Maßregel aufzuheben. Es heisst, dieser Brief — der augenscheinlich abgesendet wurde, ehe Narvaez den Sturz Murillo's erfahren hatte — wäre gleichfalls, bevor ihm dieses Ereignis; bekannt wurde, auf sein Gchcift in vielen Abzügen in Madrid verbreitet worden. Das Letztere erscheint unwahrscheinlich, sowol weil die Antwort erst jetzt erfolgt, als weil der Brief selbst so spät zur allgemeinen Kenntniß gekommen ist. Der Bescheid Jsabella'S ans die gegründete Beschwerde und den einsichtsvollen Rath des Mannes, ohne dessen starke Hand ihre Krone, aller menschlichen Berechnung nach, 18i8 in den Staub gerollt wäre, enthielt die Bezeugung ihrer allerhöchsten Ungnade, des „unehrerbietigem Tones" seiner Eingabe und deren Veröffentlichung wegen, so wie den geschärften Befehl, sich sofort nach Wien ans den Posten seiner Sendung (zur Einsicht der dortigen Militairarchivc!) zu begeben. Er ward auf Befehl der Königin durch den Kriegsminister, General Lara, jam 9. Januar) an den Marschall erlassen, und in der Gaceta veröffentlichte Diese unerhörte Behandlung eines so hervorragenden und hochverdienten Mannes veranlaßte den Finanzminister Aristizabal zum Rücktritt, den wir im vorigen Hefte bereits ankün¬ digten. Der Eintritt von Bcnavidcs in das Ministerium, der statt des mit dem Finanzportcfeuille betrauten Llorcntc, das Innere übernahm, hat den allerschlcchtesten Eindruck in Madrid gemacht. Man sieht in der Ernennung dieses grundsatzloser Po¬ litikers die deutlich ausgesprochene Rückkehr des Hofes zu den Plänen Murillo's. Das Verfahren gegen Narvaez ferner ward von der öffentlichen Meinung auf's Strengste beurtheilt. Auch der Hcraldo, welcher die Fraktion der Mvdcrados vertritt, die sich dem Cabinet genähert haben, sprach sich bei diesem Anlaß nachdrücklich für den Herzog von Valencia aus und ward deshalb, seiner sonstigen Haltung ungeachtet, mit Beschlag belegt. Was Narvaez thun wird, muß sich bald entscheiden; das Gerücht war Grenzboten. I. 18!>Z, Ig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/241>, abgerufen am 26.12.2024.