Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.Die Colonisation Algeriens. 2. Die socialistischen Tendenzen der Februarrevolution blieben nicht ohne Einfluß Die Colonisation Algeriens. 2. Die socialistischen Tendenzen der Februarrevolution blieben nicht ohne Einfluß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186092"/> </div> <div n="1"> <head> Die Colonisation Algeriens.</head><lb/> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_649" next="#ID_650"> Die socialistischen Tendenzen der Februarrevolution blieben nicht ohne Einfluß<lb/> auf die Colonisation Algiers,'und als vollends der Junianfstand gezeigt hatte,<lb/> welche Gefahr der Staat durch die Masse der brodlosen Arbeiter lief, beschloß mau,<lb/> einen großartigen Versuch zu machen, sich ihrer durch eine Uebersiedelung nach<lb/> Afrika zu entledigen. Im August 1858 legte daher die Negierung der National¬<lb/> versammlung ein Gesetz über die Errichtung vou Ackerbancolvnicn in Algerien vor,<lb/> und verlangte dafür einen Credit von 30 Mill. Fras. Die Nationalversammlung<lb/> genehmigte das Gesetz, und ungefähr 13,!;0U Auswanderer sollten sich ans Staats¬<lb/> unkosten in Algerien in 52 Colonien ansiedeln, vou denen 12 auf die Provinz<lb/> Algier, 9 auf Konstantine und 21 ans Oran kamen. Jeder Kolonist erhielt ein<lb/> Stück Land von 2—10 Hectarcn, mit einem Wohnhaus, Ackerwerkzeug, Säme¬<lb/> reien, Vieh und eine tägliche Ration Lebensmittel, bis er sich von den Produkten<lb/> seines Stück Landes ernähren konnte. Ende 18ö1 sollten jedoch alle diese Sub¬<lb/> ventionen aufhören, und die Kolonien, die anfangs unter der Militairantorität<lb/> standen, sollten unter die Civilverwaltnng gestellt werden. Leider wurde dieser<lb/> an sich recht gute Plan, wenn mau einmal die Einmischung des Staates in die<lb/> Colonisation für wünschenswert!) anerkennen will, sehr mangelhaft ausgeführt.<lb/> Der Hauptfehler war, daß man die Mehrzahl der Kolonisten unter den unbeschäf¬<lb/> tigten Arbeitern von Paris wählte, und deshalb meistens Leute bekam, denen<lb/> sowol die körperliche Kraft, wie die Kenntnisse, die zum Ackerbau nöthig sind,<lb/> gänzlich fehlten. Ferner mußte nothwendiger Weise den Gesellschaften, denen büreau-<lb/> kratische Laune die einzelnen Mitglieder zuweist, jene Harmonie sehlen, die sich<lb/> von selbst einstellt, wo sich Ansiedler freiwillig zusammenfinden. Manchmal war<lb/> auch die Wahl der Oertlichkeit nicht günstig, denn den neuen Kolonien fehlte eS<lb/> zuweilen an Absatzwegen, oder sie hatten eine ungesunde Lage. So kam es, daß<lb/> sie anfangs gar uicht in Blüthe kommen wollten, bis die zum Ackerbau untüchtige<lb/> Bevölkerung, die zum Theil uach Frankreich zurückkehrte, zum Theil in die Städte<lb/> zog, von wirklichen Landleuten und verabschiedeten Soldaten ersetzt wurde, neue<lb/> Straßen die Ansiedelungen besser als früher mit den nahen Märkten in<lb/> Verbindung brachten, und die Fortschritte der Cultur und Eutwässeruugsarbeiten<lb/> einen besser» Gesundheitszustand zur Folge hatten. Von da an wurden<lb/> mehrere derselben zu den blühendsten Niederlassungen Algeriens, und der Erfolg<lb/> ermuthigte das Kriegsministerium, im nächsten Jahre 12 neue Dörfer mit 6000<lb/> Kolonisten zu gründen. Man trug aber Sorge, diesmal nur des Ackerbaues<lb/> kundige Personen zu wählen, und noch dazu so viel als möglich aus einer Nach-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Die Colonisation Algeriens.
2.
Die socialistischen Tendenzen der Februarrevolution blieben nicht ohne Einfluß
auf die Colonisation Algiers,'und als vollends der Junianfstand gezeigt hatte,
welche Gefahr der Staat durch die Masse der brodlosen Arbeiter lief, beschloß mau,
einen großartigen Versuch zu machen, sich ihrer durch eine Uebersiedelung nach
Afrika zu entledigen. Im August 1858 legte daher die Negierung der National¬
versammlung ein Gesetz über die Errichtung vou Ackerbancolvnicn in Algerien vor,
und verlangte dafür einen Credit von 30 Mill. Fras. Die Nationalversammlung
genehmigte das Gesetz, und ungefähr 13,!;0U Auswanderer sollten sich ans Staats¬
unkosten in Algerien in 52 Colonien ansiedeln, vou denen 12 auf die Provinz
Algier, 9 auf Konstantine und 21 ans Oran kamen. Jeder Kolonist erhielt ein
Stück Land von 2—10 Hectarcn, mit einem Wohnhaus, Ackerwerkzeug, Säme¬
reien, Vieh und eine tägliche Ration Lebensmittel, bis er sich von den Produkten
seines Stück Landes ernähren konnte. Ende 18ö1 sollten jedoch alle diese Sub¬
ventionen aufhören, und die Kolonien, die anfangs unter der Militairantorität
standen, sollten unter die Civilverwaltnng gestellt werden. Leider wurde dieser
an sich recht gute Plan, wenn mau einmal die Einmischung des Staates in die
Colonisation für wünschenswert!) anerkennen will, sehr mangelhaft ausgeführt.
Der Hauptfehler war, daß man die Mehrzahl der Kolonisten unter den unbeschäf¬
tigten Arbeitern von Paris wählte, und deshalb meistens Leute bekam, denen
sowol die körperliche Kraft, wie die Kenntnisse, die zum Ackerbau nöthig sind,
gänzlich fehlten. Ferner mußte nothwendiger Weise den Gesellschaften, denen büreau-
kratische Laune die einzelnen Mitglieder zuweist, jene Harmonie sehlen, die sich
von selbst einstellt, wo sich Ansiedler freiwillig zusammenfinden. Manchmal war
auch die Wahl der Oertlichkeit nicht günstig, denn den neuen Kolonien fehlte eS
zuweilen an Absatzwegen, oder sie hatten eine ungesunde Lage. So kam es, daß
sie anfangs gar uicht in Blüthe kommen wollten, bis die zum Ackerbau untüchtige
Bevölkerung, die zum Theil uach Frankreich zurückkehrte, zum Theil in die Städte
zog, von wirklichen Landleuten und verabschiedeten Soldaten ersetzt wurde, neue
Straßen die Ansiedelungen besser als früher mit den nahen Märkten in
Verbindung brachten, und die Fortschritte der Cultur und Eutwässeruugsarbeiten
einen besser» Gesundheitszustand zur Folge hatten. Von da an wurden
mehrere derselben zu den blühendsten Niederlassungen Algeriens, und der Erfolg
ermuthigte das Kriegsministerium, im nächsten Jahre 12 neue Dörfer mit 6000
Kolonisten zu gründen. Man trug aber Sorge, diesmal nur des Ackerbaues
kundige Personen zu wählen, und noch dazu so viel als möglich aus einer Nach-
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