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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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T a n u n d a.
Skizze aus Süd-Australien von Fr. Gerstäcker.

Tannnda -- nach dem Indianischen Ortsnamen so genannt -- ist ein kleines
Städtchen von einigen hundert Einwohnern, mit den Gebäuden allerdings etwas
im Englischen Geschmack, der BeviMerung aber, ein Paar einzelne Fälle vielleicht
ausgenommen, total Deutsch. -- Mir war es übrigens ein merkwürdiges Gefühl,
in einem fremden Land und Welttheil, wie auch in einer Englischen Kolonie, so
urplötzlich lauter Deutsche und in der That ein rein deutsches Leben und Schaffen
um mich zu finden; manchmal mußte ich mich wirklich ordentlich besinnen,
besonders wenn ich so überall kleine Gruppen in den Straßen stehen sah
und Alles Deutsch reden horte, ob ich denn auch wirklich in Australien sei. Es
war aber doch nun schon einmal nicht anders, und ich gewohnte mich zuletzt auch
daran -- ich glaube, ich hätte mich gewöhnt, wenn sie Chinesisch gesprochen hätten,
denn so schnell von einer Sprache in die andere geworfen zu werden, wie mir das
in den letzten Jahren in Einem fort gegangen ist, macht Einen zuletzt gegen alles
Derartige ziemlich gleichgiltig.

Tauunda ist aber nicht allein seines Deutschthums, sondern auch seiner
Religionsparteien wegen merkwürdig, und mir lag besonders daran, das Nähere
über diese zu erfahren. Die wichtigste, wenigstens die bedeutendste Gemeinde
unter diesen ist die A. Kavelsche oder altlutherische, die jedoch in der letzten
Zeit einen ziemlich bedeutenden Stoß in ihrer Einigkeit durch einige simple
Rechenfehler erhalten hat. Früher gehörten die Gemeinden Tauuuda, Hahudvrf,
Läugnen und Lightsgaß, lauter deutsche Ortschaften, zu einander und zu einer
Kirche. Da hatte, ich weiß selbst nicht einmal, ob im Frühjahr dieses (1831),
oder im Herbst vorigen Jahres, Pastor Kavel den unglückseligen Gedanken,
den Untergang der Welt auf Tag und Stunde vorher prophezeihen zu wollen,
und er war dabei leichtsinnig genug, die Zeit nicht etwa einige tausend Jahre


Grmzl'oder. I. 18"!j, 21
T a n u n d a.
Skizze aus Süd-Australien von Fr. Gerstäcker.

Tannnda — nach dem Indianischen Ortsnamen so genannt — ist ein kleines
Städtchen von einigen hundert Einwohnern, mit den Gebäuden allerdings etwas
im Englischen Geschmack, der BeviMerung aber, ein Paar einzelne Fälle vielleicht
ausgenommen, total Deutsch. — Mir war es übrigens ein merkwürdiges Gefühl,
in einem fremden Land und Welttheil, wie auch in einer Englischen Kolonie, so
urplötzlich lauter Deutsche und in der That ein rein deutsches Leben und Schaffen
um mich zu finden; manchmal mußte ich mich wirklich ordentlich besinnen,
besonders wenn ich so überall kleine Gruppen in den Straßen stehen sah
und Alles Deutsch reden horte, ob ich denn auch wirklich in Australien sei. Es
war aber doch nun schon einmal nicht anders, und ich gewohnte mich zuletzt auch
daran — ich glaube, ich hätte mich gewöhnt, wenn sie Chinesisch gesprochen hätten,
denn so schnell von einer Sprache in die andere geworfen zu werden, wie mir das
in den letzten Jahren in Einem fort gegangen ist, macht Einen zuletzt gegen alles
Derartige ziemlich gleichgiltig.

Tauunda ist aber nicht allein seines Deutschthums, sondern auch seiner
Religionsparteien wegen merkwürdig, und mir lag besonders daran, das Nähere
über diese zu erfahren. Die wichtigste, wenigstens die bedeutendste Gemeinde
unter diesen ist die A. Kavelsche oder altlutherische, die jedoch in der letzten
Zeit einen ziemlich bedeutenden Stoß in ihrer Einigkeit durch einige simple
Rechenfehler erhalten hat. Früher gehörten die Gemeinden Tauuuda, Hahudvrf,
Läugnen und Lightsgaß, lauter deutsche Ortschaften, zu einander und zu einer
Kirche. Da hatte, ich weiß selbst nicht einmal, ob im Frühjahr dieses (1831),
oder im Herbst vorigen Jahres, Pastor Kavel den unglückseligen Gedanken,
den Untergang der Welt auf Tag und Stunde vorher prophezeihen zu wollen,
und er war dabei leichtsinnig genug, die Zeit nicht etwa einige tausend Jahre


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[0169] T a n u n d a. Skizze aus Süd-Australien von Fr. Gerstäcker. Tannnda — nach dem Indianischen Ortsnamen so genannt — ist ein kleines Städtchen von einigen hundert Einwohnern, mit den Gebäuden allerdings etwas im Englischen Geschmack, der BeviMerung aber, ein Paar einzelne Fälle vielleicht ausgenommen, total Deutsch. — Mir war es übrigens ein merkwürdiges Gefühl, in einem fremden Land und Welttheil, wie auch in einer Englischen Kolonie, so urplötzlich lauter Deutsche und in der That ein rein deutsches Leben und Schaffen um mich zu finden; manchmal mußte ich mich wirklich ordentlich besinnen, besonders wenn ich so überall kleine Gruppen in den Straßen stehen sah und Alles Deutsch reden horte, ob ich denn auch wirklich in Australien sei. Es war aber doch nun schon einmal nicht anders, und ich gewohnte mich zuletzt auch daran — ich glaube, ich hätte mich gewöhnt, wenn sie Chinesisch gesprochen hätten, denn so schnell von einer Sprache in die andere geworfen zu werden, wie mir das in den letzten Jahren in Einem fort gegangen ist, macht Einen zuletzt gegen alles Derartige ziemlich gleichgiltig. Tauunda ist aber nicht allein seines Deutschthums, sondern auch seiner Religionsparteien wegen merkwürdig, und mir lag besonders daran, das Nähere über diese zu erfahren. Die wichtigste, wenigstens die bedeutendste Gemeinde unter diesen ist die A. Kavelsche oder altlutherische, die jedoch in der letzten Zeit einen ziemlich bedeutenden Stoß in ihrer Einigkeit durch einige simple Rechenfehler erhalten hat. Früher gehörten die Gemeinden Tauuuda, Hahudvrf, Läugnen und Lightsgaß, lauter deutsche Ortschaften, zu einander und zu einer Kirche. Da hatte, ich weiß selbst nicht einmal, ob im Frühjahr dieses (1831), oder im Herbst vorigen Jahres, Pastor Kavel den unglückseligen Gedanken, den Untergang der Welt auf Tag und Stunde vorher prophezeihen zu wollen, und er war dabei leichtsinnig genug, die Zeit nicht etwa einige tausend Jahre Grmzl'oder. I. 18»!j, 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/169>, abgerufen am 27.06.2024.