Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wol in der Erinnerung seines gespannten Verhältnisses mit Blücher im Commando,
181S nicht in Thätigkeit setzte, verlangte er seinen Abschied, den er aber erst nach dem
zweiten Pariser Frieden erhielt. Das stille Schaffen des Friedens war nicht für seinen
Geist. Die leidenschaftliche Energie seines Wesens zernagte ihn innerlich, und
er verlebte ein grämliches, unzufriedenes Alter, uoch mehr verbittert durch
den Umschwung in der Stimmung der oberen Kreise, welche das großartige
Ringen von 1812 --Is in den Schatten zu stellen suchten. Am 3. October 1830
starb der greise Held.




Kopenhagen und seine Museen.
i.

Dänemark ist ein von Deutschland aus so wenig besuchtes Land, daß es für
die Meisten einer besondern Veranlassung bedarf, um eine Reise dahin zu machen.
Für mich war es genug, daß ich bei einem zufälligen Aufenthalte in Swinemünde
erfuhr, die Ueberfahrt nach Kopenhagen mit dem Geyser dauere nur 13 Stunden.
So war ich denn'mit meinem Gepäck an einem heitern Angnstnachmittag an dem
Landungsplatz, als das schöne Schiff die Swine heraufgcdampft kam, überfüllt
mit Passagieren, die Kopf an Kopf an die Balustrade gedrängt standen. Aber
fast alle stiegen in Swinemünde aus, um in diesem langweiligsten und reizlosesten
aller Ostseebäder zu bleiben, oder in das liebliche eine Meile entfernte Heringsdorf
zu gehn. Eine Viertelstunde lang war das Schiff und die Ladbrücke der Schau¬
platz eines chaotischen Getümmels, da alle ankommenden Familienväter nothwen¬
diger Weise noch auf dem Verdeck von ihren Frauen und Kindern umarmt werden
mußten, und von Matrosen und Kofferträgern wurde sowol Dänisch als Deutsch
erheblich geflucht; aber bald war das Schiff völlig leer, denn einige Polinnen,
einige Geschäftsreisende und einige Dänen, die aus Deutschland zurückkehrten,
waren die Einzigen, die die Reise fortsetzten. Kaum war ich an Bord, so ertönte
die Glocke zum letzten Male, der dänische Schiffslieutenant stellte sich auf die
Brücke zwischen den Räderkasten und commandirte zur Abfahrt, und erst das
Bollwerk entlang, dann zwischen den langen Sttunmolen fuhren wir in die offene
See hinaus. Glücklicher Weise bestätigten sich die Befürchtungen nicht, die über
unser ferneres Wohlbefinden sich vielfach hören ließen. Das Schiff durchschnitt
mit günstigem Winde so gleichmäßig die Wellen, daß auch die ärgste Landratte
sich nicht unbehaglich fühlen konnte. Es war ein herrlicher Tag; in warmer
Nachmittagsbeleuchtung lag die langgestreckte Küste von Usedom zur Linken, und
deutlich konnte man die Buchengruppe auf dem Culm von Heringsdorf mit ihren


'Grenzboten. IV. -I8ö2, 58

wol in der Erinnerung seines gespannten Verhältnisses mit Blücher im Commando,
181S nicht in Thätigkeit setzte, verlangte er seinen Abschied, den er aber erst nach dem
zweiten Pariser Frieden erhielt. Das stille Schaffen des Friedens war nicht für seinen
Geist. Die leidenschaftliche Energie seines Wesens zernagte ihn innerlich, und
er verlebte ein grämliches, unzufriedenes Alter, uoch mehr verbittert durch
den Umschwung in der Stimmung der oberen Kreise, welche das großartige
Ringen von 1812 —Is in den Schatten zu stellen suchten. Am 3. October 1830
starb der greise Held.




Kopenhagen und seine Museen.
i.

Dänemark ist ein von Deutschland aus so wenig besuchtes Land, daß es für
die Meisten einer besondern Veranlassung bedarf, um eine Reise dahin zu machen.
Für mich war es genug, daß ich bei einem zufälligen Aufenthalte in Swinemünde
erfuhr, die Ueberfahrt nach Kopenhagen mit dem Geyser dauere nur 13 Stunden.
So war ich denn'mit meinem Gepäck an einem heitern Angnstnachmittag an dem
Landungsplatz, als das schöne Schiff die Swine heraufgcdampft kam, überfüllt
mit Passagieren, die Kopf an Kopf an die Balustrade gedrängt standen. Aber
fast alle stiegen in Swinemünde aus, um in diesem langweiligsten und reizlosesten
aller Ostseebäder zu bleiben, oder in das liebliche eine Meile entfernte Heringsdorf
zu gehn. Eine Viertelstunde lang war das Schiff und die Ladbrücke der Schau¬
platz eines chaotischen Getümmels, da alle ankommenden Familienväter nothwen¬
diger Weise noch auf dem Verdeck von ihren Frauen und Kindern umarmt werden
mußten, und von Matrosen und Kofferträgern wurde sowol Dänisch als Deutsch
erheblich geflucht; aber bald war das Schiff völlig leer, denn einige Polinnen,
einige Geschäftsreisende und einige Dänen, die aus Deutschland zurückkehrten,
waren die Einzigen, die die Reise fortsetzten. Kaum war ich an Bord, so ertönte
die Glocke zum letzten Male, der dänische Schiffslieutenant stellte sich auf die
Brücke zwischen den Räderkasten und commandirte zur Abfahrt, und erst das
Bollwerk entlang, dann zwischen den langen Sttunmolen fuhren wir in die offene
See hinaus. Glücklicher Weise bestätigten sich die Befürchtungen nicht, die über
unser ferneres Wohlbefinden sich vielfach hören ließen. Das Schiff durchschnitt
mit günstigem Winde so gleichmäßig die Wellen, daß auch die ärgste Landratte
sich nicht unbehaglich fühlen konnte. Es war ein herrlicher Tag; in warmer
Nachmittagsbeleuchtung lag die langgestreckte Küste von Usedom zur Linken, und
deutlich konnte man die Buchengruppe auf dem Culm von Heringsdorf mit ihren


'Grenzboten. IV. -I8ö2, 58
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95448"/>
          <p xml:id="ID_1350" prev="#ID_1349"> wol in der Erinnerung seines gespannten Verhältnisses mit Blücher im Commando,<lb/>
181S nicht in Thätigkeit setzte, verlangte er seinen Abschied, den er aber erst nach dem<lb/>
zweiten Pariser Frieden erhielt. Das stille Schaffen des Friedens war nicht für seinen<lb/>
Geist. Die leidenschaftliche Energie seines Wesens zernagte ihn innerlich, und<lb/>
er verlebte ein grämliches, unzufriedenes Alter, uoch mehr verbittert durch<lb/>
den Umschwung in der Stimmung der oberen Kreise, welche das großartige<lb/>
Ringen von 1812 &#x2014;Is in den Schatten zu stellen suchten. Am 3. October 1830<lb/>
starb der greise Held.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kopenhagen und seine Museen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1351" next="#ID_1352"> Dänemark ist ein von Deutschland aus so wenig besuchtes Land, daß es für<lb/>
die Meisten einer besondern Veranlassung bedarf, um eine Reise dahin zu machen.<lb/>
Für mich war es genug, daß ich bei einem zufälligen Aufenthalte in Swinemünde<lb/>
erfuhr, die Ueberfahrt nach Kopenhagen mit dem Geyser dauere nur 13 Stunden.<lb/>
So war ich denn'mit meinem Gepäck an einem heitern Angnstnachmittag an dem<lb/>
Landungsplatz, als das schöne Schiff die Swine heraufgcdampft kam, überfüllt<lb/>
mit Passagieren, die Kopf an Kopf an die Balustrade gedrängt standen. Aber<lb/>
fast alle stiegen in Swinemünde aus, um in diesem langweiligsten und reizlosesten<lb/>
aller Ostseebäder zu bleiben, oder in das liebliche eine Meile entfernte Heringsdorf<lb/>
zu gehn. Eine Viertelstunde lang war das Schiff und die Ladbrücke der Schau¬<lb/>
platz eines chaotischen Getümmels, da alle ankommenden Familienväter nothwen¬<lb/>
diger Weise noch auf dem Verdeck von ihren Frauen und Kindern umarmt werden<lb/>
mußten, und von Matrosen und Kofferträgern wurde sowol Dänisch als Deutsch<lb/>
erheblich geflucht; aber bald war das Schiff völlig leer, denn einige Polinnen,<lb/>
einige Geschäftsreisende und einige Dänen, die aus Deutschland zurückkehrten,<lb/>
waren die Einzigen, die die Reise fortsetzten. Kaum war ich an Bord, so ertönte<lb/>
die Glocke zum letzten Male, der dänische Schiffslieutenant stellte sich auf die<lb/>
Brücke zwischen den Räderkasten und commandirte zur Abfahrt, und erst das<lb/>
Bollwerk entlang, dann zwischen den langen Sttunmolen fuhren wir in die offene<lb/>
See hinaus. Glücklicher Weise bestätigten sich die Befürchtungen nicht, die über<lb/>
unser ferneres Wohlbefinden sich vielfach hören ließen. Das Schiff durchschnitt<lb/>
mit günstigem Winde so gleichmäßig die Wellen, daß auch die ärgste Landratte<lb/>
sich nicht unbehaglich fühlen konnte. Es war ein herrlicher Tag; in warmer<lb/>
Nachmittagsbeleuchtung lag die langgestreckte Küste von Usedom zur Linken, und<lb/>
deutlich konnte man die Buchengruppe auf dem Culm von Heringsdorf mit ihren</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 'Grenzboten. IV. -I8ö2, 58</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0467] wol in der Erinnerung seines gespannten Verhältnisses mit Blücher im Commando, 181S nicht in Thätigkeit setzte, verlangte er seinen Abschied, den er aber erst nach dem zweiten Pariser Frieden erhielt. Das stille Schaffen des Friedens war nicht für seinen Geist. Die leidenschaftliche Energie seines Wesens zernagte ihn innerlich, und er verlebte ein grämliches, unzufriedenes Alter, uoch mehr verbittert durch den Umschwung in der Stimmung der oberen Kreise, welche das großartige Ringen von 1812 —Is in den Schatten zu stellen suchten. Am 3. October 1830 starb der greise Held. Kopenhagen und seine Museen. i. Dänemark ist ein von Deutschland aus so wenig besuchtes Land, daß es für die Meisten einer besondern Veranlassung bedarf, um eine Reise dahin zu machen. Für mich war es genug, daß ich bei einem zufälligen Aufenthalte in Swinemünde erfuhr, die Ueberfahrt nach Kopenhagen mit dem Geyser dauere nur 13 Stunden. So war ich denn'mit meinem Gepäck an einem heitern Angnstnachmittag an dem Landungsplatz, als das schöne Schiff die Swine heraufgcdampft kam, überfüllt mit Passagieren, die Kopf an Kopf an die Balustrade gedrängt standen. Aber fast alle stiegen in Swinemünde aus, um in diesem langweiligsten und reizlosesten aller Ostseebäder zu bleiben, oder in das liebliche eine Meile entfernte Heringsdorf zu gehn. Eine Viertelstunde lang war das Schiff und die Ladbrücke der Schau¬ platz eines chaotischen Getümmels, da alle ankommenden Familienväter nothwen¬ diger Weise noch auf dem Verdeck von ihren Frauen und Kindern umarmt werden mußten, und von Matrosen und Kofferträgern wurde sowol Dänisch als Deutsch erheblich geflucht; aber bald war das Schiff völlig leer, denn einige Polinnen, einige Geschäftsreisende und einige Dänen, die aus Deutschland zurückkehrten, waren die Einzigen, die die Reise fortsetzten. Kaum war ich an Bord, so ertönte die Glocke zum letzten Male, der dänische Schiffslieutenant stellte sich auf die Brücke zwischen den Räderkasten und commandirte zur Abfahrt, und erst das Bollwerk entlang, dann zwischen den langen Sttunmolen fuhren wir in die offene See hinaus. Glücklicher Weise bestätigten sich die Befürchtungen nicht, die über unser ferneres Wohlbefinden sich vielfach hören ließen. Das Schiff durchschnitt mit günstigem Winde so gleichmäßig die Wellen, daß auch die ärgste Landratte sich nicht unbehaglich fühlen konnte. Es war ein herrlicher Tag; in warmer Nachmittagsbeleuchtung lag die langgestreckte Küste von Usedom zur Linken, und deutlich konnte man die Buchengruppe auf dem Culm von Heringsdorf mit ihren 'Grenzboten. IV. -I8ö2, 58

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/467
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/467>, abgerufen am 19.10.2024.