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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Chance, auf welche die Demagogen von Bremen noch rechnen konnten. Denn selbst
der schlaue und lange unangreifbare Dulon ist seines kirchlichen Amts zuletzt enthoben,
und hat bei der jetzigen Lage der Dinge überall keine Aussicht, in seine geistliche Würde
wieder eingesetzt zu werden. Wer aber von seinen Genossen sich nicht wieder zurecht
finden kann in die alten bürgerlichen Verhältnisse mit ihrer vormärzlichen Stille und
Einfachheit, den führen die blauen Wogen des Ocean rasch und sicher hinüber in das
freie Land der Zukunft.

Für Bremen ist es ein Glück, wenn auch von unwillkommener Hand aufgedrungen,
daß es mit dieser' wüsten Herrschaft vorbei ist. Einer Stadt, deren ganze Blüthe auf
dem Handel und auf der Vermittelung ihrer commerciellen Hinterländer mit dem über¬
seeischen Ausland beruht, ist keine Möglichkeit gegeben, sich in Polnischer Beziehung von
allen ihren Nachbarn zu isoliren. Nach seiner ganzen Lage muß Bremen auch in sei¬
ner innerlichen Entwickelung wesentlich den Geschicken des Königreichs Hannover folgen,
dem es sich ohne Frage über kurz oder laiig völlig einverleiben wird.

Die Wahl des Buudcscommissairs für Bremen, welche der Bundestag der dann".
versehen Regierung überlassen hatte, verdient ganz besonders gewürdigt zu werden. Es
war ein meisterlicher Griff des Herrn von Sehele, der den Generalmajor Jacobi zu
diesem Posten auserkor. Einmal wegen seiner persönlichen Befähigung, da er mit einer
überall seltenen Energie des Handelns eine gewinnende und versöhnende- Freundlich¬
keit des Wesens verbindet, welche allein der Anwendung äußerlicher Gewalt ein mil¬
derndes Gepräge aufzudrücken vermag. Dann aber hauptsächlich wegen seiner Stellung
zu dem politischen Leben seines Landes; denn das Novemberministerium hat keinen
Anspruch darauf, ihn zu den Seinen zählen zu dürfen, da er vielmehr einer der tüch¬
tigsten und entschiedensten unter ihren verdrängten Vorgängern war. Darum ist es ein feiner
Anschlag, das unvermeidliche Odium eines solchen Auftrags auf die Schultern des vor¬
trefflichen Mannes zu laden, der sich ihm in seiner militärischen Dienststellung am
wenigsten entziehen konnte, indem einer der wenigen hannoverschen Generale seiner Populari¬
tät beraubt wird, der unter einer liberalen Regierung die Rolle des Kriegsministers
übernehmen würde. So weiß Herr von Sehele auch einen allgemeinen deutschen Auf¬
trag des Bundestags der Art ins Werk zu setzen, daß er seine besonderen Plane im
engern Vaterland fördern und vollenden hilft.




Für das Wintersemester --S2 hatte Herr Prof. Dr. Sepp Vorlesungen
über neuere Geschichte, in vier Stunden wöchentlich, angekündigt. Die historische
Weltanschauung desselben ist zu bekannt, als daß hiernach die Erwartung von etwas
Außergewöhnlichem noch einer Motivirung bedürfte. Und in der That böten diese Vor¬
lesungen zu viel Originelles, und sind ein zu charakteristischer Beleg für die Denkweise


Chance, auf welche die Demagogen von Bremen noch rechnen konnten. Denn selbst
der schlaue und lange unangreifbare Dulon ist seines kirchlichen Amts zuletzt enthoben,
und hat bei der jetzigen Lage der Dinge überall keine Aussicht, in seine geistliche Würde
wieder eingesetzt zu werden. Wer aber von seinen Genossen sich nicht wieder zurecht
finden kann in die alten bürgerlichen Verhältnisse mit ihrer vormärzlichen Stille und
Einfachheit, den führen die blauen Wogen des Ocean rasch und sicher hinüber in das
freie Land der Zukunft.

Für Bremen ist es ein Glück, wenn auch von unwillkommener Hand aufgedrungen,
daß es mit dieser' wüsten Herrschaft vorbei ist. Einer Stadt, deren ganze Blüthe auf
dem Handel und auf der Vermittelung ihrer commerciellen Hinterländer mit dem über¬
seeischen Ausland beruht, ist keine Möglichkeit gegeben, sich in Polnischer Beziehung von
allen ihren Nachbarn zu isoliren. Nach seiner ganzen Lage muß Bremen auch in sei¬
ner innerlichen Entwickelung wesentlich den Geschicken des Königreichs Hannover folgen,
dem es sich ohne Frage über kurz oder laiig völlig einverleiben wird.

Die Wahl des Buudcscommissairs für Bremen, welche der Bundestag der dann».
versehen Regierung überlassen hatte, verdient ganz besonders gewürdigt zu werden. Es
war ein meisterlicher Griff des Herrn von Sehele, der den Generalmajor Jacobi zu
diesem Posten auserkor. Einmal wegen seiner persönlichen Befähigung, da er mit einer
überall seltenen Energie des Handelns eine gewinnende und versöhnende- Freundlich¬
keit des Wesens verbindet, welche allein der Anwendung äußerlicher Gewalt ein mil¬
derndes Gepräge aufzudrücken vermag. Dann aber hauptsächlich wegen seiner Stellung
zu dem politischen Leben seines Landes; denn das Novemberministerium hat keinen
Anspruch darauf, ihn zu den Seinen zählen zu dürfen, da er vielmehr einer der tüch¬
tigsten und entschiedensten unter ihren verdrängten Vorgängern war. Darum ist es ein feiner
Anschlag, das unvermeidliche Odium eines solchen Auftrags auf die Schultern des vor¬
trefflichen Mannes zu laden, der sich ihm in seiner militärischen Dienststellung am
wenigsten entziehen konnte, indem einer der wenigen hannoverschen Generale seiner Populari¬
tät beraubt wird, der unter einer liberalen Regierung die Rolle des Kriegsministers
übernehmen würde. So weiß Herr von Sehele auch einen allgemeinen deutschen Auf¬
trag des Bundestags der Art ins Werk zu setzen, daß er seine besonderen Plane im
engern Vaterland fördern und vollenden hilft.




Für das Wintersemester —S2 hatte Herr Prof. Dr. Sepp Vorlesungen
über neuere Geschichte, in vier Stunden wöchentlich, angekündigt. Die historische
Weltanschauung desselben ist zu bekannt, als daß hiernach die Erwartung von etwas
Außergewöhnlichem noch einer Motivirung bedürfte. Und in der That böten diese Vor¬
lesungen zu viel Originelles, und sind ein zu charakteristischer Beleg für die Denkweise


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[0088] Chance, auf welche die Demagogen von Bremen noch rechnen konnten. Denn selbst der schlaue und lange unangreifbare Dulon ist seines kirchlichen Amts zuletzt enthoben, und hat bei der jetzigen Lage der Dinge überall keine Aussicht, in seine geistliche Würde wieder eingesetzt zu werden. Wer aber von seinen Genossen sich nicht wieder zurecht finden kann in die alten bürgerlichen Verhältnisse mit ihrer vormärzlichen Stille und Einfachheit, den führen die blauen Wogen des Ocean rasch und sicher hinüber in das freie Land der Zukunft. Für Bremen ist es ein Glück, wenn auch von unwillkommener Hand aufgedrungen, daß es mit dieser' wüsten Herrschaft vorbei ist. Einer Stadt, deren ganze Blüthe auf dem Handel und auf der Vermittelung ihrer commerciellen Hinterländer mit dem über¬ seeischen Ausland beruht, ist keine Möglichkeit gegeben, sich in Polnischer Beziehung von allen ihren Nachbarn zu isoliren. Nach seiner ganzen Lage muß Bremen auch in sei¬ ner innerlichen Entwickelung wesentlich den Geschicken des Königreichs Hannover folgen, dem es sich ohne Frage über kurz oder laiig völlig einverleiben wird. Die Wahl des Buudcscommissairs für Bremen, welche der Bundestag der dann». versehen Regierung überlassen hatte, verdient ganz besonders gewürdigt zu werden. Es war ein meisterlicher Griff des Herrn von Sehele, der den Generalmajor Jacobi zu diesem Posten auserkor. Einmal wegen seiner persönlichen Befähigung, da er mit einer überall seltenen Energie des Handelns eine gewinnende und versöhnende- Freundlich¬ keit des Wesens verbindet, welche allein der Anwendung äußerlicher Gewalt ein mil¬ derndes Gepräge aufzudrücken vermag. Dann aber hauptsächlich wegen seiner Stellung zu dem politischen Leben seines Landes; denn das Novemberministerium hat keinen Anspruch darauf, ihn zu den Seinen zählen zu dürfen, da er vielmehr einer der tüch¬ tigsten und entschiedensten unter ihren verdrängten Vorgängern war. Darum ist es ein feiner Anschlag, das unvermeidliche Odium eines solchen Auftrags auf die Schultern des vor¬ trefflichen Mannes zu laden, der sich ihm in seiner militärischen Dienststellung am wenigsten entziehen konnte, indem einer der wenigen hannoverschen Generale seiner Populari¬ tät beraubt wird, der unter einer liberalen Regierung die Rolle des Kriegsministers übernehmen würde. So weiß Herr von Sehele auch einen allgemeinen deutschen Auf¬ trag des Bundestags der Art ins Werk zu setzen, daß er seine besonderen Plane im engern Vaterland fördern und vollenden hilft. Für das Wintersemester —S2 hatte Herr Prof. Dr. Sepp Vorlesungen über neuere Geschichte, in vier Stunden wöchentlich, angekündigt. Die historische Weltanschauung desselben ist zu bekannt, als daß hiernach die Erwartung von etwas Außergewöhnlichem noch einer Motivirung bedürfte. Und in der That böten diese Vor¬ lesungen zu viel Originelles, und sind ein zu charakteristischer Beleg für die Denkweise

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/88>, abgerufen am 05.12.2024.