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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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europäischen Völkerfamilie sind, um so widerwärtiger, als hier gar kein Weg an¬
gezeigt ist, diese verwilderten, verthierten Geschöpfe zu irgend einer höhern Bestim¬
mung zu leiten. Und das? Schlimmste ist, daß Millionen eines der Entwicklung
sehr fähigen Volkes an der Erreichung ihrer Bestimmung dnrch diese einigen Tau¬
sende alleinberechtigter Despoten verhindert werden. Ob diese Millionen, wenn
sie sich einmal erheben, so tolerant gegen ihre Dränger sein werden, wie unsre
Humanität wünschen muß, ist eine Frage, welche ich meinestheils nicht bejahen
wollte.




Uebertragmtgen fremder Volkspoesien.

WdomGordsn. Robim Hoodsgoldner Lohn.
?-

Altschottischc und altenglische Volksballaden. Nach den Originalen bearbeitet
von W. Doenniges. München und Berlin, 1852.

Unter den vielen vortrefflichen Uebertragungen fremder Poesien nimmt das
angezeigte Werk eine hohe Stelle ein. Der deutsche Geist und die deutsche
Sprache feiern den Triumph, für die poetische Habe fast aller Völker der
Erde Form und Ausdruck zu finden. Daß es uns Deutschen möglich wird, die
charakteristische Färbung fremder Poesien wenigstens annäherungsweise wiederzu¬
geben, können wir mit Stolz als ein Zeichen schöner Bildung unsrer Nation be¬
trachten. Die schwersten von allen Übertragungen sind die fremden Volksgedichte,
wo das Charakteristische unb Reizende mehr im Colorit des Ganzen, als in de-
taillirter Ausführung, imponirenden Bildern und feinen Erfindungen liegt. Der
Herausgeber hat alle diese Schwierigkeiten als Meister überwunden. Sein Buch,
welches Wilhelm Kaulbach gewidmet ist, enthält die Übertragungen, von 16 schot¬
tischen und 17 englischen Volksballaden, den schönsten der britischen Sammlungen;
außerdem einen interessanten Excurs über Charakter, Literatur und geschichtliche
Entwickelung des historischen Volksgesanges in England und Schottland, welchem
noch einige andere übertragene Volkslieder und außerdem zwei deutsche Volks¬
balladen beigefügt sind. Ans diesem Excurs wird überall ein gebildetes Urtheil
und ein gutes Verständniß des Volksthümlichen sichtbar. In den mitgetheilten
Balladen ist der Inhalt eben so schön, als die Bearbeitung, und es ist ein sehr
dankenswerthes Unternehmen des Herausgebers, dieselben einem großen Kreis
deutscher Leser zugänglich gemacht zu haben.

Zwischen deu englischen und schottischen Volksliedern ist ein bemerkenswerther
Unterschied. Die Eigenthümlichkeit beider wird sehr gut in dem Nachwort des


europäischen Völkerfamilie sind, um so widerwärtiger, als hier gar kein Weg an¬
gezeigt ist, diese verwilderten, verthierten Geschöpfe zu irgend einer höhern Bestim¬
mung zu leiten. Und das? Schlimmste ist, daß Millionen eines der Entwicklung
sehr fähigen Volkes an der Erreichung ihrer Bestimmung dnrch diese einigen Tau¬
sende alleinberechtigter Despoten verhindert werden. Ob diese Millionen, wenn
sie sich einmal erheben, so tolerant gegen ihre Dränger sein werden, wie unsre
Humanität wünschen muß, ist eine Frage, welche ich meinestheils nicht bejahen
wollte.




Uebertragmtgen fremder Volkspoesien.

WdomGordsn. Robim Hoodsgoldner Lohn.
?-

Altschottischc und altenglische Volksballaden. Nach den Originalen bearbeitet
von W. Doenniges. München und Berlin, 1852.

Unter den vielen vortrefflichen Uebertragungen fremder Poesien nimmt das
angezeigte Werk eine hohe Stelle ein. Der deutsche Geist und die deutsche
Sprache feiern den Triumph, für die poetische Habe fast aller Völker der
Erde Form und Ausdruck zu finden. Daß es uns Deutschen möglich wird, die
charakteristische Färbung fremder Poesien wenigstens annäherungsweise wiederzu¬
geben, können wir mit Stolz als ein Zeichen schöner Bildung unsrer Nation be¬
trachten. Die schwersten von allen Übertragungen sind die fremden Volksgedichte,
wo das Charakteristische unb Reizende mehr im Colorit des Ganzen, als in de-
taillirter Ausführung, imponirenden Bildern und feinen Erfindungen liegt. Der
Herausgeber hat alle diese Schwierigkeiten als Meister überwunden. Sein Buch,
welches Wilhelm Kaulbach gewidmet ist, enthält die Übertragungen, von 16 schot¬
tischen und 17 englischen Volksballaden, den schönsten der britischen Sammlungen;
außerdem einen interessanten Excurs über Charakter, Literatur und geschichtliche
Entwickelung des historischen Volksgesanges in England und Schottland, welchem
noch einige andere übertragene Volkslieder und außerdem zwei deutsche Volks¬
balladen beigefügt sind. Ans diesem Excurs wird überall ein gebildetes Urtheil
und ein gutes Verständniß des Volksthümlichen sichtbar. In den mitgetheilten
Balladen ist der Inhalt eben so schön, als die Bearbeitung, und es ist ein sehr
dankenswerthes Unternehmen des Herausgebers, dieselben einem großen Kreis
deutscher Leser zugänglich gemacht zu haben.

Zwischen deu englischen und schottischen Volksliedern ist ein bemerkenswerther
Unterschied. Die Eigenthümlichkeit beider wird sehr gut in dem Nachwort des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/78>, abgerufen am 24.07.2024.