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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Wilhelm von Kanlboch.

Vor einigen Wochen gab ich Ihnen eine Schilderung des in Berlin entste¬
henden neuen Museums und führte Sie im Fluge durch die weiten Räume
des mächtigen Gebäudes. Es blieb auf dieser Wanderung keine Zeit, das Ein¬
zelne genauer zu betrachten, namentlich nicht die selbstständigen Werke eiuer an¬
deren Kunst, welche mit der Architektur einen freien Bund geschlossn, und ob¬
wohl durch eine neu erfundene Technik, die Stereochromie, untrennbar an den Stein
gefesselt, doch ihre Freiheit bewahrt hat, den Geist des malerischen Lebens und die
eigenthümliche Sinnlichkeit der Farbe. Die Wandgemälde Wilhelm von
Kaulbach's im Treppenhause des neuen Museums sind ein künstlerisches Ereigniß
von solcher Bedeutung, wie die neuere Kunst kaum ein zweites aufzuweisen hat.

Steigen Sie uoch einmal mit mir die Treppe im Mittelraume deö Museums
bis zu dem Karyatidentempel deö Erechthenms empor und treten Sie in diesen
Tempel, so daß die ganze Länge des Treppenhauses vor uus liegt. Dann haben
wir zu beiden Seiten die Langwände, ans denen die sechs Hanptbilder deö Ge¬
mälde-Cyklus ihre Stelle finden sollen, an jeder Seite drei, von je zwei gemalten
Pilastern unterbrochen. Im Anschluß darau werdeu vier kleinere Gemälde ober¬
halb jener Thüren angebracht werden, welche von den beiden oberen Gallerten an
den Schmalseiten in das Innere des dritten Geschosses führen, und ein gran in
gran gemalter Fries wird über dieser Gesammtheit von Gemälden unter der Decke
um die ganze Halle laufen. Das erste Hauptbild links ist vollendet und stellt die
Zerstörung des Thurms zu Babel dar; außerdem ist uoch das dritte auf derselben
Seite, "die Zerstörung Jerusalems" der Nolleuduug nahe, alle übrigen Felder
sind uoch leer. Die zweite Stelle links wird der singende Homer, ans der an¬
dern Seite die erste Stelle rechts die Hunnenschlacht, die zweite eine Darstellung
der Kreuzzüge, die dritte, unserm Standpunkte zunächst, uach dein ersten Plane die
Reformation einnehmen, doch soll in Bezug auf diesen Gegenstand etwas Be¬
stimmtes noch uicht beschlossen sein. Die vier Pilaster werden dnrch einen Fries


Grenzboten. I. 1851. 61
Wilhelm von Kanlboch.

Vor einigen Wochen gab ich Ihnen eine Schilderung des in Berlin entste¬
henden neuen Museums und führte Sie im Fluge durch die weiten Räume
des mächtigen Gebäudes. Es blieb auf dieser Wanderung keine Zeit, das Ein¬
zelne genauer zu betrachten, namentlich nicht die selbstständigen Werke eiuer an¬
deren Kunst, welche mit der Architektur einen freien Bund geschlossn, und ob¬
wohl durch eine neu erfundene Technik, die Stereochromie, untrennbar an den Stein
gefesselt, doch ihre Freiheit bewahrt hat, den Geist des malerischen Lebens und die
eigenthümliche Sinnlichkeit der Farbe. Die Wandgemälde Wilhelm von
Kaulbach's im Treppenhause des neuen Museums sind ein künstlerisches Ereigniß
von solcher Bedeutung, wie die neuere Kunst kaum ein zweites aufzuweisen hat.

Steigen Sie uoch einmal mit mir die Treppe im Mittelraume deö Museums
bis zu dem Karyatidentempel deö Erechthenms empor und treten Sie in diesen
Tempel, so daß die ganze Länge des Treppenhauses vor uus liegt. Dann haben
wir zu beiden Seiten die Langwände, ans denen die sechs Hanptbilder deö Ge¬
mälde-Cyklus ihre Stelle finden sollen, an jeder Seite drei, von je zwei gemalten
Pilastern unterbrochen. Im Anschluß darau werdeu vier kleinere Gemälde ober¬
halb jener Thüren angebracht werden, welche von den beiden oberen Gallerten an
den Schmalseiten in das Innere des dritten Geschosses führen, und ein gran in
gran gemalter Fries wird über dieser Gesammtheit von Gemälden unter der Decke
um die ganze Halle laufen. Das erste Hauptbild links ist vollendet und stellt die
Zerstörung des Thurms zu Babel dar; außerdem ist uoch das dritte auf derselben
Seite, „die Zerstörung Jerusalems" der Nolleuduug nahe, alle übrigen Felder
sind uoch leer. Die zweite Stelle links wird der singende Homer, ans der an¬
dern Seite die erste Stelle rechts die Hunnenschlacht, die zweite eine Darstellung
der Kreuzzüge, die dritte, unserm Standpunkte zunächst, uach dein ersten Plane die
Reformation einnehmen, doch soll in Bezug auf diesen Gegenstand etwas Be¬
stimmtes noch uicht beschlossen sein. Die vier Pilaster werden dnrch einen Fries


Grenzboten. I. 1851. 61
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[0493] Wilhelm von Kanlboch. Vor einigen Wochen gab ich Ihnen eine Schilderung des in Berlin entste¬ henden neuen Museums und führte Sie im Fluge durch die weiten Räume des mächtigen Gebäudes. Es blieb auf dieser Wanderung keine Zeit, das Ein¬ zelne genauer zu betrachten, namentlich nicht die selbstständigen Werke eiuer an¬ deren Kunst, welche mit der Architektur einen freien Bund geschlossn, und ob¬ wohl durch eine neu erfundene Technik, die Stereochromie, untrennbar an den Stein gefesselt, doch ihre Freiheit bewahrt hat, den Geist des malerischen Lebens und die eigenthümliche Sinnlichkeit der Farbe. Die Wandgemälde Wilhelm von Kaulbach's im Treppenhause des neuen Museums sind ein künstlerisches Ereigniß von solcher Bedeutung, wie die neuere Kunst kaum ein zweites aufzuweisen hat. Steigen Sie uoch einmal mit mir die Treppe im Mittelraume deö Museums bis zu dem Karyatidentempel deö Erechthenms empor und treten Sie in diesen Tempel, so daß die ganze Länge des Treppenhauses vor uus liegt. Dann haben wir zu beiden Seiten die Langwände, ans denen die sechs Hanptbilder deö Ge¬ mälde-Cyklus ihre Stelle finden sollen, an jeder Seite drei, von je zwei gemalten Pilastern unterbrochen. Im Anschluß darau werdeu vier kleinere Gemälde ober¬ halb jener Thüren angebracht werden, welche von den beiden oberen Gallerten an den Schmalseiten in das Innere des dritten Geschosses führen, und ein gran in gran gemalter Fries wird über dieser Gesammtheit von Gemälden unter der Decke um die ganze Halle laufen. Das erste Hauptbild links ist vollendet und stellt die Zerstörung des Thurms zu Babel dar; außerdem ist uoch das dritte auf derselben Seite, „die Zerstörung Jerusalems" der Nolleuduug nahe, alle übrigen Felder sind uoch leer. Die zweite Stelle links wird der singende Homer, ans der an¬ dern Seite die erste Stelle rechts die Hunnenschlacht, die zweite eine Darstellung der Kreuzzüge, die dritte, unserm Standpunkte zunächst, uach dein ersten Plane die Reformation einnehmen, doch soll in Bezug auf diesen Gegenstand etwas Be¬ stimmtes noch uicht beschlossen sein. Die vier Pilaster werden dnrch einen Fries Grenzboten. I. 1851. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/493>, abgerufen am 27.06.2024.