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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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heißt in unserer Zeit nicht viel Anderes, als alle einflußreichen und strebsamen
Katholiken. Wir könnten daher leicht in die Lage kommen, die Existenz der
katholischen Kirche, die wir dnrch unsern Unglauben widerlegt zu haben uns ein¬
bildeten, in einer noch handgreiflicheren Wirksamkeit begreifen zu müssen. Dieser
Gedanke könnte unsere conservativen Politiker, die so gern alle Mittel aufbie¬
ten, den Liberalismus zu bekämpfen, und unter diese Mittel namentlich die enge
Verbindung mit allen Kirchen rechnen, doch über ihre Verbündeten etwas be¬
denklich machen. Die katholische Kirche, wenn sie das bleibt, was-sie jetzt ist,
wacht die freie Entwickelung eines Staats unmöglich, und sie ist nicht durch äu¬
ßerliche Mittel zu bekämpfen, denu sie ist eine geistige Gewalt, sie wurzelt in
dem Glauben des Volks, das ihr folgt, auch wenn seine sonstigen Ueberzeugun-
gen und Interessen dnrch sie verletzt werden. Diesen Glauben in seine Schran¬
ken zurückzuführen, liegt ebenso im Interesse des Staats, auch des absollttistischen,
als im Interesse des Liberalismus. So lange ein Erzbischof den Minister un¬
glücklich machen kauu, wenn er ihm die Sacramente verweigert; so lange er
die politischen Functionen dnrch ein einfaches an seine Gläubigen gerichtetes Ver¬
bot hintertreiben kaun, so lange nützt weder Gewaltthat noch ein Rechtsverfahren
etwas Wesentliches. Der Staat wird also, um zu seinem Rechte zu kommen,
sich uach einem audern Verbündeten umsehen müssen, und dieser wird kein An¬
derer sein können, als das vielgeschmähte Instrument des Liberalismus, die
Aufklärung.




Heinrich von Gagern
als Schleswig-holsteinischer Officier.

Mögen Ihre Leser mir vergönnen, in kurzen Worten der Wirksamkeit zu
gedenken, welche Heinrich von Gagern als Schleswig-holsteinischer Officier hatte.
Die Grenzboten, welche auch in gegenwärtiger Zeit sich zur Ehre rechnen, in
ihrem politischen Theil der Gothaer Partei anzugehören, trotz der gehässigen
Schmähungen, mit denen dieselbe jetzt von den extremen Richtungen beider
Seiten überschüttet wird, siud gerade der passende Ort dafür. Mit Stolz blickt
diese Partei noch immer auf Gagern als auf ihr edelstes Haupt, und gerade
seiue letzte Wirksamkeit im Schleswig-holsteinischen Kriege wird dies Gefühl nicht
verringert haben.

Die Schlacht bei Jdstedt war geschlagen. Nach dem heißen Kampfe eines
ganzen langen Sotnmertages war die Schleswig-holsteinische Armee gezwungen,
den Rückzug bis uuter die Kanonen von Rendsburg anzutreten. Das ganze


Grenzboten. I. IL5I. 49

heißt in unserer Zeit nicht viel Anderes, als alle einflußreichen und strebsamen
Katholiken. Wir könnten daher leicht in die Lage kommen, die Existenz der
katholischen Kirche, die wir dnrch unsern Unglauben widerlegt zu haben uns ein¬
bildeten, in einer noch handgreiflicheren Wirksamkeit begreifen zu müssen. Dieser
Gedanke könnte unsere conservativen Politiker, die so gern alle Mittel aufbie¬
ten, den Liberalismus zu bekämpfen, und unter diese Mittel namentlich die enge
Verbindung mit allen Kirchen rechnen, doch über ihre Verbündeten etwas be¬
denklich machen. Die katholische Kirche, wenn sie das bleibt, was-sie jetzt ist,
wacht die freie Entwickelung eines Staats unmöglich, und sie ist nicht durch äu¬
ßerliche Mittel zu bekämpfen, denu sie ist eine geistige Gewalt, sie wurzelt in
dem Glauben des Volks, das ihr folgt, auch wenn seine sonstigen Ueberzeugun-
gen und Interessen dnrch sie verletzt werden. Diesen Glauben in seine Schran¬
ken zurückzuführen, liegt ebenso im Interesse des Staats, auch des absollttistischen,
als im Interesse des Liberalismus. So lange ein Erzbischof den Minister un¬
glücklich machen kauu, wenn er ihm die Sacramente verweigert; so lange er
die politischen Functionen dnrch ein einfaches an seine Gläubigen gerichtetes Ver¬
bot hintertreiben kaun, so lange nützt weder Gewaltthat noch ein Rechtsverfahren
etwas Wesentliches. Der Staat wird also, um zu seinem Rechte zu kommen,
sich uach einem audern Verbündeten umsehen müssen, und dieser wird kein An¬
derer sein können, als das vielgeschmähte Instrument des Liberalismus, die
Aufklärung.




Heinrich von Gagern
als Schleswig-holsteinischer Officier.

Mögen Ihre Leser mir vergönnen, in kurzen Worten der Wirksamkeit zu
gedenken, welche Heinrich von Gagern als Schleswig-holsteinischer Officier hatte.
Die Grenzboten, welche auch in gegenwärtiger Zeit sich zur Ehre rechnen, in
ihrem politischen Theil der Gothaer Partei anzugehören, trotz der gehässigen
Schmähungen, mit denen dieselbe jetzt von den extremen Richtungen beider
Seiten überschüttet wird, siud gerade der passende Ort dafür. Mit Stolz blickt
diese Partei noch immer auf Gagern als auf ihr edelstes Haupt, und gerade
seiue letzte Wirksamkeit im Schleswig-holsteinischen Kriege wird dies Gefühl nicht
verringert haben.

Die Schlacht bei Jdstedt war geschlagen. Nach dem heißen Kampfe eines
ganzen langen Sotnmertages war die Schleswig-holsteinische Armee gezwungen,
den Rückzug bis uuter die Kanonen von Rendsburg anzutreten. Das ganze


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[0397] heißt in unserer Zeit nicht viel Anderes, als alle einflußreichen und strebsamen Katholiken. Wir könnten daher leicht in die Lage kommen, die Existenz der katholischen Kirche, die wir dnrch unsern Unglauben widerlegt zu haben uns ein¬ bildeten, in einer noch handgreiflicheren Wirksamkeit begreifen zu müssen. Dieser Gedanke könnte unsere conservativen Politiker, die so gern alle Mittel aufbie¬ ten, den Liberalismus zu bekämpfen, und unter diese Mittel namentlich die enge Verbindung mit allen Kirchen rechnen, doch über ihre Verbündeten etwas be¬ denklich machen. Die katholische Kirche, wenn sie das bleibt, was-sie jetzt ist, wacht die freie Entwickelung eines Staats unmöglich, und sie ist nicht durch äu¬ ßerliche Mittel zu bekämpfen, denu sie ist eine geistige Gewalt, sie wurzelt in dem Glauben des Volks, das ihr folgt, auch wenn seine sonstigen Ueberzeugun- gen und Interessen dnrch sie verletzt werden. Diesen Glauben in seine Schran¬ ken zurückzuführen, liegt ebenso im Interesse des Staats, auch des absollttistischen, als im Interesse des Liberalismus. So lange ein Erzbischof den Minister un¬ glücklich machen kauu, wenn er ihm die Sacramente verweigert; so lange er die politischen Functionen dnrch ein einfaches an seine Gläubigen gerichtetes Ver¬ bot hintertreiben kaun, so lange nützt weder Gewaltthat noch ein Rechtsverfahren etwas Wesentliches. Der Staat wird also, um zu seinem Rechte zu kommen, sich uach einem audern Verbündeten umsehen müssen, und dieser wird kein An¬ derer sein können, als das vielgeschmähte Instrument des Liberalismus, die Aufklärung. Heinrich von Gagern als Schleswig-holsteinischer Officier. Mögen Ihre Leser mir vergönnen, in kurzen Worten der Wirksamkeit zu gedenken, welche Heinrich von Gagern als Schleswig-holsteinischer Officier hatte. Die Grenzboten, welche auch in gegenwärtiger Zeit sich zur Ehre rechnen, in ihrem politischen Theil der Gothaer Partei anzugehören, trotz der gehässigen Schmähungen, mit denen dieselbe jetzt von den extremen Richtungen beider Seiten überschüttet wird, siud gerade der passende Ort dafür. Mit Stolz blickt diese Partei noch immer auf Gagern als auf ihr edelstes Haupt, und gerade seiue letzte Wirksamkeit im Schleswig-holsteinischen Kriege wird dies Gefühl nicht verringert haben. Die Schlacht bei Jdstedt war geschlagen. Nach dem heißen Kampfe eines ganzen langen Sotnmertages war die Schleswig-holsteinische Armee gezwungen, den Rückzug bis uuter die Kanonen von Rendsburg anzutreten. Das ganze Grenzboten. I. IL5I. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/397>, abgerufen am 27.06.2024.