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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Oestreichische Truppen an der Qstsee.

An wundersame Dinge muß sich der Mensch gewöhnen, und man sieht, was
man nimmer für möglich gehalten hätte. Diese weisen Reflexionen machte Ihr
Freund, als er in diesen Tagen durch die mecklenburgischen und lauenbnrgischen
Lande nach Hamburg und Lübeck fuhr. Wohin mein Auge nur blickte, .östreichische
Soldaten; jedes Wirthshaus, Landgut, ja selbst das kleinste Bauerngehöft war
besetzt mit den weißröckigen, ungebetenen Gästen. Seit jener Zeit, wo der 30jährige
Krieg über Deutschland tobte, hatte man östreichische Heerhaufen in diesen
nördlichen Marken nicht mehr gesehen. Ich glaube, Wallenstein, der das mecklen¬
burger Land als Herzogthum geschenkt erhalten hatte, war der letzte kaiserliche
Feldherr, der hier hauste. Jetzt, in der Zeit des tiefsten Friedens, kommen
urplötzlich 20,000 Maun Ungarn, Polen, Italiener, nehmen die Städte und
Dorfschaften, die ihnen am besten behagen, als Garnisonsorte in Besitz, schalten
durchaus als unumschränkte Herren, und richten sich ein, als wollten sie wenigstens
noch Gevatter stehen bei der Generation des nächsten Jahres. Nun, man wird in
Jahren viele schwarzköpfige feneräugige Buben und Mädchen hier herumlaufen
sehen, denen man, italienische und ungarische Race nur zu deutlich anmerkt.
Diese Verbindung des südlichen heißen Blutes mit dem phlegmatischen mecklen¬
burgischen wird späteren Gelehrten interessanter sein, als uus.

Merkwürdig ist, wie kurz mit den Souverainetätsrechten der kleinen
Staaten von den Oestreichern umgesprungen wird; mit denselben Rechten, von
denen sonst in den Kleinstaaten oft der unterste Polizeischreiber wie der oberste
"Geheimerath" so voll sind. Der Großherzog von Mecklenburg protestirte gegen
die Belegung seines Landes mit östreichischen Truppen; es half ihm gar nichts.
Trotz mehrmalige Protestirens ließ der hier befestigende Feldmarschalllientnant
Legeditsch seine Truppen einrücken, wohin es ihm gerade gntdünkte; ja er soll,
wie man mir erzählt, dem Großherzog geantwortet haben, "er würde die Grenze
überschreiten, wenn auch der Großherzog sich selbst zum Schutze derselben mit
seiner ganzen Streitmacht aufstellte." Noch weniger Umstände hat man mit der
guten Stadt Lübeck gemacht, die einst allein vermochte, was jetzt ganz Deutsch¬
land nicht kaun, die dänischen Könige zu besiegen. .Man hielt hier gar nicht
einmal für nöthig, die gewöhnlichen Formen der Höflichkeit zu beobachten und die
Einquartierung vorher anzuzeigen; ohne Weiteres kamen zwei kaiserliche Officiere
als Quartiermacher angeritten, und verlangten vom weisen Senat, der vor Erstaunen
gar nicht wußte, was er für Miene machen sollte, umgehend Quartier für so und
so viel tausend Mann. "Es geht nicht, es geht nicht," riefen einstimmig in
kläglichem Chor die Rathsherren, wie der zu Hülfe geholte Stadtcommandant und
Platzmajor. "Schaums, Herr Kamerad, es muß gehen; der Oberst hat es halt


Oestreichische Truppen an der Qstsee.

An wundersame Dinge muß sich der Mensch gewöhnen, und man sieht, was
man nimmer für möglich gehalten hätte. Diese weisen Reflexionen machte Ihr
Freund, als er in diesen Tagen durch die mecklenburgischen und lauenbnrgischen
Lande nach Hamburg und Lübeck fuhr. Wohin mein Auge nur blickte, .östreichische
Soldaten; jedes Wirthshaus, Landgut, ja selbst das kleinste Bauerngehöft war
besetzt mit den weißröckigen, ungebetenen Gästen. Seit jener Zeit, wo der 30jährige
Krieg über Deutschland tobte, hatte man östreichische Heerhaufen in diesen
nördlichen Marken nicht mehr gesehen. Ich glaube, Wallenstein, der das mecklen¬
burger Land als Herzogthum geschenkt erhalten hatte, war der letzte kaiserliche
Feldherr, der hier hauste. Jetzt, in der Zeit des tiefsten Friedens, kommen
urplötzlich 20,000 Maun Ungarn, Polen, Italiener, nehmen die Städte und
Dorfschaften, die ihnen am besten behagen, als Garnisonsorte in Besitz, schalten
durchaus als unumschränkte Herren, und richten sich ein, als wollten sie wenigstens
noch Gevatter stehen bei der Generation des nächsten Jahres. Nun, man wird in
Jahren viele schwarzköpfige feneräugige Buben und Mädchen hier herumlaufen
sehen, denen man, italienische und ungarische Race nur zu deutlich anmerkt.
Diese Verbindung des südlichen heißen Blutes mit dem phlegmatischen mecklen¬
burgischen wird späteren Gelehrten interessanter sein, als uus.

Merkwürdig ist, wie kurz mit den Souverainetätsrechten der kleinen
Staaten von den Oestreichern umgesprungen wird; mit denselben Rechten, von
denen sonst in den Kleinstaaten oft der unterste Polizeischreiber wie der oberste
„Geheimerath" so voll sind. Der Großherzog von Mecklenburg protestirte gegen
die Belegung seines Landes mit östreichischen Truppen; es half ihm gar nichts.
Trotz mehrmalige Protestirens ließ der hier befestigende Feldmarschalllientnant
Legeditsch seine Truppen einrücken, wohin es ihm gerade gntdünkte; ja er soll,
wie man mir erzählt, dem Großherzog geantwortet haben, „er würde die Grenze
überschreiten, wenn auch der Großherzog sich selbst zum Schutze derselben mit
seiner ganzen Streitmacht aufstellte." Noch weniger Umstände hat man mit der
guten Stadt Lübeck gemacht, die einst allein vermochte, was jetzt ganz Deutsch¬
land nicht kaun, die dänischen Könige zu besiegen. .Man hielt hier gar nicht
einmal für nöthig, die gewöhnlichen Formen der Höflichkeit zu beobachten und die
Einquartierung vorher anzuzeigen; ohne Weiteres kamen zwei kaiserliche Officiere
als Quartiermacher angeritten, und verlangten vom weisen Senat, der vor Erstaunen
gar nicht wußte, was er für Miene machen sollte, umgehend Quartier für so und
so viel tausend Mann. „Es geht nicht, es geht nicht," riefen einstimmig in
kläglichem Chor die Rathsherren, wie der zu Hülfe geholte Stadtcommandant und
Platzmajor. „Schaums, Herr Kamerad, es muß gehen; der Oberst hat es halt


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[0314] Oestreichische Truppen an der Qstsee. An wundersame Dinge muß sich der Mensch gewöhnen, und man sieht, was man nimmer für möglich gehalten hätte. Diese weisen Reflexionen machte Ihr Freund, als er in diesen Tagen durch die mecklenburgischen und lauenbnrgischen Lande nach Hamburg und Lübeck fuhr. Wohin mein Auge nur blickte, .östreichische Soldaten; jedes Wirthshaus, Landgut, ja selbst das kleinste Bauerngehöft war besetzt mit den weißröckigen, ungebetenen Gästen. Seit jener Zeit, wo der 30jährige Krieg über Deutschland tobte, hatte man östreichische Heerhaufen in diesen nördlichen Marken nicht mehr gesehen. Ich glaube, Wallenstein, der das mecklen¬ burger Land als Herzogthum geschenkt erhalten hatte, war der letzte kaiserliche Feldherr, der hier hauste. Jetzt, in der Zeit des tiefsten Friedens, kommen urplötzlich 20,000 Maun Ungarn, Polen, Italiener, nehmen die Städte und Dorfschaften, die ihnen am besten behagen, als Garnisonsorte in Besitz, schalten durchaus als unumschränkte Herren, und richten sich ein, als wollten sie wenigstens noch Gevatter stehen bei der Generation des nächsten Jahres. Nun, man wird in Jahren viele schwarzköpfige feneräugige Buben und Mädchen hier herumlaufen sehen, denen man, italienische und ungarische Race nur zu deutlich anmerkt. Diese Verbindung des südlichen heißen Blutes mit dem phlegmatischen mecklen¬ burgischen wird späteren Gelehrten interessanter sein, als uus. Merkwürdig ist, wie kurz mit den Souverainetätsrechten der kleinen Staaten von den Oestreichern umgesprungen wird; mit denselben Rechten, von denen sonst in den Kleinstaaten oft der unterste Polizeischreiber wie der oberste „Geheimerath" so voll sind. Der Großherzog von Mecklenburg protestirte gegen die Belegung seines Landes mit östreichischen Truppen; es half ihm gar nichts. Trotz mehrmalige Protestirens ließ der hier befestigende Feldmarschalllientnant Legeditsch seine Truppen einrücken, wohin es ihm gerade gntdünkte; ja er soll, wie man mir erzählt, dem Großherzog geantwortet haben, „er würde die Grenze überschreiten, wenn auch der Großherzog sich selbst zum Schutze derselben mit seiner ganzen Streitmacht aufstellte." Noch weniger Umstände hat man mit der guten Stadt Lübeck gemacht, die einst allein vermochte, was jetzt ganz Deutsch¬ land nicht kaun, die dänischen Könige zu besiegen. .Man hielt hier gar nicht einmal für nöthig, die gewöhnlichen Formen der Höflichkeit zu beobachten und die Einquartierung vorher anzuzeigen; ohne Weiteres kamen zwei kaiserliche Officiere als Quartiermacher angeritten, und verlangten vom weisen Senat, der vor Erstaunen gar nicht wußte, was er für Miene machen sollte, umgehend Quartier für so und so viel tausend Mann. „Es geht nicht, es geht nicht," riefen einstimmig in kläglichem Chor die Rathsherren, wie der zu Hülfe geholte Stadtcommandant und Platzmajor. „Schaums, Herr Kamerad, es muß gehen; der Oberst hat es halt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/314>, abgerufen am 24.07.2024.