Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.nehmen, daß der Reiter ein Räuber und das Pferd erbeutet ist, und sieht Wochenschau. Aus ^ Wie klein sieht unser großes Oestreich in seinem Innern aus. nehmen, daß der Reiter ein Räuber und das Pferd erbeutet ist, und sieht Wochenschau. Aus ^ Wie klein sieht unser großes Oestreich in seinem Innern aus. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92021"/> <p xml:id="ID_891" prev="#ID_890"> nehmen, daß der Reiter ein Räuber und das Pferd erbeutet ist, und sieht<lb/> man Vieh uach der Hütte treiben, so kann man einen Eid darauf ablegen, daß<lb/> das Vieh gestohlen ist. Dazwischen kommt der branne Zigeuner, sein Bündel<lb/> unter dem Arm, und hinter ihm schleicht der polnische Jude aus der nächsten Stadt,<lb/> als Banquier und Rechtsconsulent dieser stillen Geschäfte. Und in der Hütte<lb/> erhebt sich ein lantes Geschmuse und Geplauder, welches mehr gemüthlich, als<lb/> gesetzlich ist. Der Pechbrenuer empfängt allerlei Waaren und liefert andere ab,<lb/> die er im Abenddunkel aus seiner geheimen Maule, tief im unzugänglichen Wald,<lb/> herbeigeholt hat, denn sein eigenes Haus steht doch immer in der Lichtung, zu<lb/> nahe bei Menschenwohnungen, nud wäre kein sicheres Depot. Der Handel beginnt,<lb/> Kleider, Stoffe, Uhren, Goldstücke werden von den Verkäufern hervorgebracht,<lb/> Pferde und Kühe werdeu in die Hütte hereingezogen, um betastet und begutachtet<lb/> zu werdeu. Die Bündel der Diebe werden klein und der Sack des Juden wird<lb/> groß. Der Jude winkt mit den Augen, und der Pechbrenner benutzt die fröhliche<lb/> Stimmung seiner Gäste und rollt ein kleines Branntweinfäßchen aus der Ecke.<lb/> „Heut aber nur gegen blanke Masumme, die Herren sind reich!" — Und die Herren<lb/> erweisen sich als reich und trinken wie Edelleute, jetzt geht der Handel rascher,<lb/> die Köpfe find warm und die Stimmung menschenfreundlich, der Jude sogar wird<lb/> herzlich. Draußen aber flüstert's und lacht's an der Thür, und die Sippe des<lb/> Zigenners springt herein, die Basen des Pechbrenners schleichen heran, der Zigeuner<lb/> holt vielleicht eine alte Geige, oder ein Stück Hackebret aus dem Winkel, die Musik<lb/> beginnt, sie küssen und tanzen. Gegen Morgen huscht die Gesellschaft auseinander<lb/> durch die Büsche. Sie haben alle ihre Rechnung gefunden, der Dieb, der Hehler,<lb/> der Handelsmann. Der Jude hat Alle über's Ohr gehalten und für Spottpreise<lb/> eingekauft, der Pechbreuner hat als Spediteur und Herbergsvater von Allen Geld<lb/> erhalten, der Zigeuner hat dnrch seine Mädel aus deu Taschen der betrunkenen<lb/> Gäste herauskehren lassen, was noch darin war; der Dieb hat mit allen Schönen<lb/> anmuthig gescherzt, ist von allen geliebkost und wie auf Händen getragen worden,<lb/> er hat traktirt und war einmal großer Herr, was thut's, daß heute die Tasche<lb/> wieder leer ist; selbst der blutige Räuber in der Ecke hat seine Befriedigung, er<lb/> hat alle Anwesenden brntalisirt und allen Furcht eingeflößt. — Es ist für einen<lb/> Geschäftsmann wahrhaft wohlthuend, zu sehen, wie jede Art von Handel ihre<lb/> reguläre Ordnung hat und eine gewisse Humanität entwickelt; auch in den pol¬<lb/> nischen Wäldern gibt es eine Börsenstunde, Spesen, Provision, coulanteö Geschäft<lb/> und Flauheiten, kluge Leute und leichtfüßige Thoren. Nichts Neues unter der<lb/> Sonne!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Wochenschau.</head><lb/> <div n="2"> <head> Aus</head> <p xml:id="ID_892" next="#ID_893"> ^ Wie klein sieht unser großes Oestreich in seinem Innern aus.<lb/> Was muß der preußische Gesandte die Achsel zucken, wenn er diesen Koloß, der seinem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
nehmen, daß der Reiter ein Räuber und das Pferd erbeutet ist, und sieht
man Vieh uach der Hütte treiben, so kann man einen Eid darauf ablegen, daß
das Vieh gestohlen ist. Dazwischen kommt der branne Zigeuner, sein Bündel
unter dem Arm, und hinter ihm schleicht der polnische Jude aus der nächsten Stadt,
als Banquier und Rechtsconsulent dieser stillen Geschäfte. Und in der Hütte
erhebt sich ein lantes Geschmuse und Geplauder, welches mehr gemüthlich, als
gesetzlich ist. Der Pechbrenuer empfängt allerlei Waaren und liefert andere ab,
die er im Abenddunkel aus seiner geheimen Maule, tief im unzugänglichen Wald,
herbeigeholt hat, denn sein eigenes Haus steht doch immer in der Lichtung, zu
nahe bei Menschenwohnungen, nud wäre kein sicheres Depot. Der Handel beginnt,
Kleider, Stoffe, Uhren, Goldstücke werden von den Verkäufern hervorgebracht,
Pferde und Kühe werdeu in die Hütte hereingezogen, um betastet und begutachtet
zu werdeu. Die Bündel der Diebe werden klein und der Sack des Juden wird
groß. Der Jude winkt mit den Augen, und der Pechbrenner benutzt die fröhliche
Stimmung seiner Gäste und rollt ein kleines Branntweinfäßchen aus der Ecke.
„Heut aber nur gegen blanke Masumme, die Herren sind reich!" — Und die Herren
erweisen sich als reich und trinken wie Edelleute, jetzt geht der Handel rascher,
die Köpfe find warm und die Stimmung menschenfreundlich, der Jude sogar wird
herzlich. Draußen aber flüstert's und lacht's an der Thür, und die Sippe des
Zigenners springt herein, die Basen des Pechbrenners schleichen heran, der Zigeuner
holt vielleicht eine alte Geige, oder ein Stück Hackebret aus dem Winkel, die Musik
beginnt, sie küssen und tanzen. Gegen Morgen huscht die Gesellschaft auseinander
durch die Büsche. Sie haben alle ihre Rechnung gefunden, der Dieb, der Hehler,
der Handelsmann. Der Jude hat Alle über's Ohr gehalten und für Spottpreise
eingekauft, der Pechbreuner hat als Spediteur und Herbergsvater von Allen Geld
erhalten, der Zigeuner hat dnrch seine Mädel aus deu Taschen der betrunkenen
Gäste herauskehren lassen, was noch darin war; der Dieb hat mit allen Schönen
anmuthig gescherzt, ist von allen geliebkost und wie auf Händen getragen worden,
er hat traktirt und war einmal großer Herr, was thut's, daß heute die Tasche
wieder leer ist; selbst der blutige Räuber in der Ecke hat seine Befriedigung, er
hat alle Anwesenden brntalisirt und allen Furcht eingeflößt. — Es ist für einen
Geschäftsmann wahrhaft wohlthuend, zu sehen, wie jede Art von Handel ihre
reguläre Ordnung hat und eine gewisse Humanität entwickelt; auch in den pol¬
nischen Wäldern gibt es eine Börsenstunde, Spesen, Provision, coulanteö Geschäft
und Flauheiten, kluge Leute und leichtfüßige Thoren. Nichts Neues unter der
Sonne!
Wochenschau.
Aus ^ Wie klein sieht unser großes Oestreich in seinem Innern aus.
Was muß der preußische Gesandte die Achsel zucken, wenn er diesen Koloß, der seinem
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