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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Drei preußische Briefe.
i.
Die Revolution im Schlafrock und Pantoffeln.

Man sollte zuweilen auf die Idee kommen, unsere Gegner hätten sich mehr
in Schneiderwerkstätten bewegt, als in politischen Kreisen. Wenigstens sind sie
unermüdlich in neuen Erfindungen, wenn es auf das Costüm geht, in welchem
sie uns als neue Knechte Ruprecht abkonterfeien, theils zum Schrecken, theils
zur Heiterkeit der politischen Kinder, denen sie ihre Weihnachtsbescheerungen auf¬
tischen. Herr v. d. Pfordten hat uns in Glacehandschuhen abgemalt, den
Eindruck dieses Bildes aber einigermaßen wieder verwischt, indem er uns zugleich
Wölfe in Schafskleidern nannte; Herr Marbach hat uns den Fuchsschwanz an¬
gedichtet; den Geist des Herrn von Manteuffel endlich umschweben wir als
Schreckgestalten in Schlafrock und Pantoffeln. Wenn man dies alles zusammen¬
nimmt, Glacehandschuhe, Schlafrock und Pantoffeln, Fuchsschwanz, Schafpelz,
und dazu die unvermeidliche:: Gothaer Würste, die Professor-Brille, die steifen
Geheimraths-Vatermörder und den dicken Bauch des bon dourxeois, so kommt
freilich eine Vogelscheuche heraus, vor welcher den andächtigen Zuhörern dieser
hochgestellten Kapuziner billig die Haare zu Berge stehn müssen.

Ernsthaft gesprochen, wenn Zuschauer und Kladderadatsch sich in dergleichen
anmuthigen Visionen ergehen, so läßt sich dagegen nichts einwenden, ein preußi"
scher Staatsminister sollte aber ernsthaftere Dinge zu thun haben; er sollte außer¬
dem fühlen, daß eine solche Vorstellungsweise, so humoristisch sie sein mag, außer¬
halb der Gewohnheiten des parlamentarischen Stils liegt. Die Herren von der
äußersten Rechten, die in der Kreuzzeitung ihrem Humor den weitesten Spiel¬
raum lassen, wissen sehr wohl den Unterschied zwischen einem Blatt für heitere
Lectüre und der öffentlichen Rednerbühne; sie wissen sehr wohl, daß ein Ueber¬
gehen aus der politischen Kritik ihrer Gegner in die moralische leicht in das
Gebiet der Thatsachen führen könnte, und wenn sie auch, wie ihr politischer
Chef, die SpitzkngM deu spitzigen Reden vorziehen mögen, so werden sie sich
doch schon aus ästhetischen Gründen -- weil ein Handgemenge in einem civili-
sirten Lande immer einen kleinen Anstrich von der Bierbank hat -- bestimmen
lassen, nicht zu dramatisch zu werden.

Aber Herr von Manteuffel hat neben seinen sonstigen ausgezeichneten Eigen¬
schaften, die wir nicht in Abrede stellen wollen, eine, die wir nicht ganz billigen
können: die Fluth seines Scherzes braust so gewaltig, daß er sie keinen Augen¬
blick bändigen kann, sie muß heraus. Vom Vogel Phönix und vom ehrlichen


Drei preußische Briefe.
i.
Die Revolution im Schlafrock und Pantoffeln.

Man sollte zuweilen auf die Idee kommen, unsere Gegner hätten sich mehr
in Schneiderwerkstätten bewegt, als in politischen Kreisen. Wenigstens sind sie
unermüdlich in neuen Erfindungen, wenn es auf das Costüm geht, in welchem
sie uns als neue Knechte Ruprecht abkonterfeien, theils zum Schrecken, theils
zur Heiterkeit der politischen Kinder, denen sie ihre Weihnachtsbescheerungen auf¬
tischen. Herr v. d. Pfordten hat uns in Glacehandschuhen abgemalt, den
Eindruck dieses Bildes aber einigermaßen wieder verwischt, indem er uns zugleich
Wölfe in Schafskleidern nannte; Herr Marbach hat uns den Fuchsschwanz an¬
gedichtet; den Geist des Herrn von Manteuffel endlich umschweben wir als
Schreckgestalten in Schlafrock und Pantoffeln. Wenn man dies alles zusammen¬
nimmt, Glacehandschuhe, Schlafrock und Pantoffeln, Fuchsschwanz, Schafpelz,
und dazu die unvermeidliche:: Gothaer Würste, die Professor-Brille, die steifen
Geheimraths-Vatermörder und den dicken Bauch des bon dourxeois, so kommt
freilich eine Vogelscheuche heraus, vor welcher den andächtigen Zuhörern dieser
hochgestellten Kapuziner billig die Haare zu Berge stehn müssen.

Ernsthaft gesprochen, wenn Zuschauer und Kladderadatsch sich in dergleichen
anmuthigen Visionen ergehen, so läßt sich dagegen nichts einwenden, ein preußi«
scher Staatsminister sollte aber ernsthaftere Dinge zu thun haben; er sollte außer¬
dem fühlen, daß eine solche Vorstellungsweise, so humoristisch sie sein mag, außer¬
halb der Gewohnheiten des parlamentarischen Stils liegt. Die Herren von der
äußersten Rechten, die in der Kreuzzeitung ihrem Humor den weitesten Spiel¬
raum lassen, wissen sehr wohl den Unterschied zwischen einem Blatt für heitere
Lectüre und der öffentlichen Rednerbühne; sie wissen sehr wohl, daß ein Ueber¬
gehen aus der politischen Kritik ihrer Gegner in die moralische leicht in das
Gebiet der Thatsachen führen könnte, und wenn sie auch, wie ihr politischer
Chef, die SpitzkngM deu spitzigen Reden vorziehen mögen, so werden sie sich
doch schon aus ästhetischen Gründen — weil ein Handgemenge in einem civili-
sirten Lande immer einen kleinen Anstrich von der Bierbank hat — bestimmen
lassen, nicht zu dramatisch zu werden.

Aber Herr von Manteuffel hat neben seinen sonstigen ausgezeichneten Eigen¬
schaften, die wir nicht in Abrede stellen wollen, eine, die wir nicht ganz billigen
können: die Fluth seines Scherzes braust so gewaltig, daß er sie keinen Augen¬
blick bändigen kann, sie muß heraus. Vom Vogel Phönix und vom ehrlichen


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[0224] Drei preußische Briefe. i. Die Revolution im Schlafrock und Pantoffeln. Man sollte zuweilen auf die Idee kommen, unsere Gegner hätten sich mehr in Schneiderwerkstätten bewegt, als in politischen Kreisen. Wenigstens sind sie unermüdlich in neuen Erfindungen, wenn es auf das Costüm geht, in welchem sie uns als neue Knechte Ruprecht abkonterfeien, theils zum Schrecken, theils zur Heiterkeit der politischen Kinder, denen sie ihre Weihnachtsbescheerungen auf¬ tischen. Herr v. d. Pfordten hat uns in Glacehandschuhen abgemalt, den Eindruck dieses Bildes aber einigermaßen wieder verwischt, indem er uns zugleich Wölfe in Schafskleidern nannte; Herr Marbach hat uns den Fuchsschwanz an¬ gedichtet; den Geist des Herrn von Manteuffel endlich umschweben wir als Schreckgestalten in Schlafrock und Pantoffeln. Wenn man dies alles zusammen¬ nimmt, Glacehandschuhe, Schlafrock und Pantoffeln, Fuchsschwanz, Schafpelz, und dazu die unvermeidliche:: Gothaer Würste, die Professor-Brille, die steifen Geheimraths-Vatermörder und den dicken Bauch des bon dourxeois, so kommt freilich eine Vogelscheuche heraus, vor welcher den andächtigen Zuhörern dieser hochgestellten Kapuziner billig die Haare zu Berge stehn müssen. Ernsthaft gesprochen, wenn Zuschauer und Kladderadatsch sich in dergleichen anmuthigen Visionen ergehen, so läßt sich dagegen nichts einwenden, ein preußi« scher Staatsminister sollte aber ernsthaftere Dinge zu thun haben; er sollte außer¬ dem fühlen, daß eine solche Vorstellungsweise, so humoristisch sie sein mag, außer¬ halb der Gewohnheiten des parlamentarischen Stils liegt. Die Herren von der äußersten Rechten, die in der Kreuzzeitung ihrem Humor den weitesten Spiel¬ raum lassen, wissen sehr wohl den Unterschied zwischen einem Blatt für heitere Lectüre und der öffentlichen Rednerbühne; sie wissen sehr wohl, daß ein Ueber¬ gehen aus der politischen Kritik ihrer Gegner in die moralische leicht in das Gebiet der Thatsachen führen könnte, und wenn sie auch, wie ihr politischer Chef, die SpitzkngM deu spitzigen Reden vorziehen mögen, so werden sie sich doch schon aus ästhetischen Gründen — weil ein Handgemenge in einem civili- sirten Lande immer einen kleinen Anstrich von der Bierbank hat — bestimmen lassen, nicht zu dramatisch zu werden. Aber Herr von Manteuffel hat neben seinen sonstigen ausgezeichneten Eigen¬ schaften, die wir nicht in Abrede stellen wollen, eine, die wir nicht ganz billigen können: die Fluth seines Scherzes braust so gewaltig, daß er sie keinen Augen¬ blick bändigen kann, sie muß heraus. Vom Vogel Phönix und vom ehrlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/224>, abgerufen am 27.06.2024.