Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Selbstmorde in Frankreich.

-- Als ein eigenthümlicher Beitrag zur
Sittengeschichte unsrer Zeit erscheint die von dem jungen Französischen Arzt Petit
herausgegebene Abhandlung über die Selbstmorde in Frankreich in den Jahren -1836
bis 1846. Indem sie sich feci von der Phrase hält, giebt sie fast Nichts als Zahlen,
und eröffnet doch dem Nationalökonomen wie dem Moralisten manchen neuen Gesichtspunkt.
Wir theilen einige Proben daraus mit. Die zwölf in Betracht gezogenen Jahre ergeben
im Ganzen 33,032 Selbstmorde; das erste Jahr (1835) hat deren 2305, von da an
steigt die Zahl regelmäßig bis zu 3,102; nur das Jahr 1844 zeigt einen Rückschlag
gegen 1843 um 47. Das Verhältniß zwischen Männern und Frauen war in dieser
Beziehung im Jahr 1833: 1,784 zu 520; in den andern Jahren entsprechend. Merk¬
würdig ist der Nachweis, daß in den Departements des Gebirges die Zahl der Selbst¬
morde sich zwischen 3 und 16 im Jahre hält, während sie in den Departements der
Ebene zwischen 34 und 491 (Seincdcpartement) schwankt. Auch die Jahreszeiten zeigen
einen ganz bestimmten Einfluß; am Besten steht es im December, er hatte während
jener zwölf Jahre nur 1,977 Fälle, von da an findet eine regelmäßige Steigerung statt
bis zum Juni, der mit 3,621 Fällen auftritt, eben so regelmäßig ist dann wieder die
Abnahme bis zum December. Anlangend das Alter der Personen, so fanden sich in
der ganzen Zeit unter den Selbstmördern 239 Kinder unter 16 Jahren (!), dann er¬
giebt sich wieder eine Steigerung bis zum Alter zwischen 40 und 30 Jahren, aus
welcher Altersklasse 6,675 Fälle gezählt werden; dann wieder eine regelmäßige Abnahme;
das Alter "über 80 Jahre" zählt noch 458 Fälle. Dann folgt eine Classificirnng der
Selbstmörder nach ihrer Prosesston. Hauptnummcrn darunter geben: Ackerbauer und
Tagelöhner, 7,530, active und penstonirte Militairs, 1,883; Rentiers, 1,571 u. s. w.
Eine Sonderung der Fälle nach der gewählten Todesart ergiebt: Tödtungen durch Er¬
tränken, 11,084; durch Erbangen, 10,605; durch Erschießen, 5.362; durch Kohlen¬
dampf, 2,321; durch schneidende oder stechende Instrumente, 1,328; durch Gist, 791;
durch Herabstürzen von einer Höhe, 1,399. -- Auch nach den Beweggründen zum
Selbstmorde sind die Fälle classificirt; es finden sich darunter:

wegen Geistesabwesenheit ......... . 6,449 Fälle
. . 2.745 ..
häuslicher Mißverhältnisse...... .. . 2,623 "
wirklichen Elends.......... . 1,853 "
. . 1,697 .,
143 ..
983 "
Eifersucht ,
1,360 "
eines nicht erhaltenen Toilettengegcnstandes . .. . 3 (Frauen)
> > 1 Fall
politischer Exaltation . ...... . . 6 Fälle
u. s. w.

Die Französische Akademie,

gegenwärtig vielleicht eins der ältesten
Institute, dessen sich Frankreich erfreut, hat auch die Stürme der Revolution über-


Selbstmorde in Frankreich.

— Als ein eigenthümlicher Beitrag zur
Sittengeschichte unsrer Zeit erscheint die von dem jungen Französischen Arzt Petit
herausgegebene Abhandlung über die Selbstmorde in Frankreich in den Jahren -1836
bis 1846. Indem sie sich feci von der Phrase hält, giebt sie fast Nichts als Zahlen,
und eröffnet doch dem Nationalökonomen wie dem Moralisten manchen neuen Gesichtspunkt.
Wir theilen einige Proben daraus mit. Die zwölf in Betracht gezogenen Jahre ergeben
im Ganzen 33,032 Selbstmorde; das erste Jahr (1835) hat deren 2305, von da an
steigt die Zahl regelmäßig bis zu 3,102; nur das Jahr 1844 zeigt einen Rückschlag
gegen 1843 um 47. Das Verhältniß zwischen Männern und Frauen war in dieser
Beziehung im Jahr 1833: 1,784 zu 520; in den andern Jahren entsprechend. Merk¬
würdig ist der Nachweis, daß in den Departements des Gebirges die Zahl der Selbst¬
morde sich zwischen 3 und 16 im Jahre hält, während sie in den Departements der
Ebene zwischen 34 und 491 (Seincdcpartement) schwankt. Auch die Jahreszeiten zeigen
einen ganz bestimmten Einfluß; am Besten steht es im December, er hatte während
jener zwölf Jahre nur 1,977 Fälle, von da an findet eine regelmäßige Steigerung statt
bis zum Juni, der mit 3,621 Fällen auftritt, eben so regelmäßig ist dann wieder die
Abnahme bis zum December. Anlangend das Alter der Personen, so fanden sich in
der ganzen Zeit unter den Selbstmördern 239 Kinder unter 16 Jahren (!), dann er¬
giebt sich wieder eine Steigerung bis zum Alter zwischen 40 und 30 Jahren, aus
welcher Altersklasse 6,675 Fälle gezählt werden; dann wieder eine regelmäßige Abnahme;
das Alter „über 80 Jahre" zählt noch 458 Fälle. Dann folgt eine Classificirnng der
Selbstmörder nach ihrer Prosesston. Hauptnummcrn darunter geben: Ackerbauer und
Tagelöhner, 7,530, active und penstonirte Militairs, 1,883; Rentiers, 1,571 u. s. w.
Eine Sonderung der Fälle nach der gewählten Todesart ergiebt: Tödtungen durch Er¬
tränken, 11,084; durch Erbangen, 10,605; durch Erschießen, 5.362; durch Kohlen¬
dampf, 2,321; durch schneidende oder stechende Instrumente, 1,328; durch Gist, 791;
durch Herabstürzen von einer Höhe, 1,399. — Auch nach den Beweggründen zum
Selbstmorde sind die Fälle classificirt; es finden sich darunter:

wegen Geistesabwesenheit ......... . 6,449 Fälle
. . 2.745 ..
häuslicher Mißverhältnisse...... .. . 2,623 „
wirklichen Elends.......... . 1,853 „
. . 1,697 .,
143 ..
983 „
Eifersucht ,
1,360 „
eines nicht erhaltenen Toilettengegcnstandes . .. . 3 (Frauen)
> > 1 Fall
politischer Exaltation . ...... . . 6 Fälle
u. s. w.

Die Französische Akademie,

gegenwärtig vielleicht eins der ältesten
Institute, dessen sich Frankreich erfreut, hat auch die Stürme der Revolution über-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280134"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Selbstmorde in Frankreich.</head>
            <p xml:id="ID_115"> &#x2014;  Als ein eigenthümlicher Beitrag zur<lb/>
Sittengeschichte unsrer Zeit erscheint die von dem  jungen Französischen Arzt Petit<lb/>
herausgegebene Abhandlung über die Selbstmorde in Frankreich in den Jahren -1836<lb/>
bis 1846.  Indem sie sich feci von der Phrase hält, giebt sie fast Nichts als Zahlen,<lb/>
und eröffnet doch dem Nationalökonomen wie dem Moralisten manchen neuen Gesichtspunkt.<lb/>
Wir theilen einige Proben daraus mit. Die zwölf in Betracht gezogenen Jahre ergeben<lb/>
im Ganzen 33,032 Selbstmorde; das erste Jahr (1835) hat deren 2305, von da an<lb/>
steigt die Zahl regelmäßig bis zu 3,102; nur das Jahr 1844 zeigt einen Rückschlag<lb/>
gegen 1843 um 47.  Das Verhältniß zwischen Männern und Frauen war in dieser<lb/>
Beziehung im Jahr 1833: 1,784 zu 520; in den andern Jahren entsprechend. Merk¬<lb/>
würdig ist der Nachweis, daß in den Departements des Gebirges die Zahl der Selbst¬<lb/>
morde sich zwischen 3 und 16 im Jahre hält, während sie in den Departements der<lb/>
Ebene zwischen 34 und 491 (Seincdcpartement) schwankt. Auch die Jahreszeiten zeigen<lb/>
einen ganz bestimmten Einfluß; am Besten steht es im December, er hatte während<lb/>
jener zwölf Jahre nur 1,977 Fälle, von da an findet eine regelmäßige Steigerung statt<lb/>
bis zum Juni, der mit 3,621 Fällen auftritt, eben so regelmäßig ist dann wieder die<lb/>
Abnahme bis zum December.  Anlangend das Alter der Personen, so fanden sich in<lb/>
der ganzen Zeit unter den Selbstmördern 239 Kinder unter 16 Jahren (!), dann er¬<lb/>
giebt sich wieder eine Steigerung bis zum Alter zwischen 40 und 30 Jahren, aus<lb/>
welcher Altersklasse 6,675 Fälle gezählt werden; dann wieder eine regelmäßige Abnahme;<lb/>
das Alter &#x201E;über 80 Jahre" zählt noch 458 Fälle. Dann folgt eine Classificirnng der<lb/>
Selbstmörder nach ihrer Prosesston.  Hauptnummcrn darunter geben: Ackerbauer und<lb/>
Tagelöhner, 7,530, active und penstonirte Militairs, 1,883; Rentiers, 1,571 u. s. w.<lb/>
Eine Sonderung der Fälle nach der gewählten Todesart ergiebt: Tödtungen durch Er¬<lb/>
tränken, 11,084; durch Erbangen, 10,605; durch Erschießen, 5.362; durch Kohlen¬<lb/>
dampf, 2,321; durch schneidende oder stechende Instrumente, 1,328; durch Gist, 791;<lb/>
durch Herabstürzen von einer Höhe, 1,399. &#x2014; Auch nach den Beweggründen zum<lb/>
Selbstmorde sind die Fälle classificirt; es finden sich darunter:</p><lb/>
            <list>
              <item> wegen Geistesabwesenheit .........  .  6,449 Fälle</item>
              <item> .  .  2.745 ..</item>
              <item/>
              <item> häuslicher Mißverhältnisse...... ..  .  2,623 &#x201E;</item>
              <item> wirklichen Elends..........  .  1,853 &#x201E;</item>
              <item> .  .  1,697 .,</item>
              <item> 143 ..</item>
              <item> 983 &#x201E;</item>
              <item> Eifersucht ,</item>
              <item> 1,360 &#x201E;</item>
              <item> eines nicht erhaltenen Toilettengegcnstandes . ..  .    3 (Frauen)</item>
              <item> &gt;  &gt;    1 Fall</item>
              <item> politischer Exaltation . ......  .  .   6 Fälle</item>
              <item> u. s. w.</item>
            </list><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Die Französische Akademie,</head>
            <p xml:id="ID_116" next="#ID_117"> gegenwärtig vielleicht eins der ältesten<lb/>
Institute, dessen sich Frankreich erfreut, hat auch die Stürme der Revolution über-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] Selbstmorde in Frankreich. — Als ein eigenthümlicher Beitrag zur Sittengeschichte unsrer Zeit erscheint die von dem jungen Französischen Arzt Petit herausgegebene Abhandlung über die Selbstmorde in Frankreich in den Jahren -1836 bis 1846. Indem sie sich feci von der Phrase hält, giebt sie fast Nichts als Zahlen, und eröffnet doch dem Nationalökonomen wie dem Moralisten manchen neuen Gesichtspunkt. Wir theilen einige Proben daraus mit. Die zwölf in Betracht gezogenen Jahre ergeben im Ganzen 33,032 Selbstmorde; das erste Jahr (1835) hat deren 2305, von da an steigt die Zahl regelmäßig bis zu 3,102; nur das Jahr 1844 zeigt einen Rückschlag gegen 1843 um 47. Das Verhältniß zwischen Männern und Frauen war in dieser Beziehung im Jahr 1833: 1,784 zu 520; in den andern Jahren entsprechend. Merk¬ würdig ist der Nachweis, daß in den Departements des Gebirges die Zahl der Selbst¬ morde sich zwischen 3 und 16 im Jahre hält, während sie in den Departements der Ebene zwischen 34 und 491 (Seincdcpartement) schwankt. Auch die Jahreszeiten zeigen einen ganz bestimmten Einfluß; am Besten steht es im December, er hatte während jener zwölf Jahre nur 1,977 Fälle, von da an findet eine regelmäßige Steigerung statt bis zum Juni, der mit 3,621 Fällen auftritt, eben so regelmäßig ist dann wieder die Abnahme bis zum December. Anlangend das Alter der Personen, so fanden sich in der ganzen Zeit unter den Selbstmördern 239 Kinder unter 16 Jahren (!), dann er¬ giebt sich wieder eine Steigerung bis zum Alter zwischen 40 und 30 Jahren, aus welcher Altersklasse 6,675 Fälle gezählt werden; dann wieder eine regelmäßige Abnahme; das Alter „über 80 Jahre" zählt noch 458 Fälle. Dann folgt eine Classificirnng der Selbstmörder nach ihrer Prosesston. Hauptnummcrn darunter geben: Ackerbauer und Tagelöhner, 7,530, active und penstonirte Militairs, 1,883; Rentiers, 1,571 u. s. w. Eine Sonderung der Fälle nach der gewählten Todesart ergiebt: Tödtungen durch Er¬ tränken, 11,084; durch Erbangen, 10,605; durch Erschießen, 5.362; durch Kohlen¬ dampf, 2,321; durch schneidende oder stechende Instrumente, 1,328; durch Gist, 791; durch Herabstürzen von einer Höhe, 1,399. — Auch nach den Beweggründen zum Selbstmorde sind die Fälle classificirt; es finden sich darunter: wegen Geistesabwesenheit ......... . 6,449 Fälle . . 2.745 .. häuslicher Mißverhältnisse...... .. . 2,623 „ wirklichen Elends.......... . 1,853 „ . . 1,697 ., 143 .. 983 „ Eifersucht , 1,360 „ eines nicht erhaltenen Toilettengegcnstandes . .. . 3 (Frauen) > > 1 Fall politischer Exaltation . ...... . . 6 Fälle u. s. w. Die Französische Akademie, gegenwärtig vielleicht eins der ältesten Institute, dessen sich Frankreich erfreut, hat auch die Stürme der Revolution über-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/47
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/47>, abgerufen am 27.06.2024.