Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Wochenschau. Die Dampfboot-Verbindung zwischen Cronstadt und Stettin. -- Seit der Vollendung der Berlin-Stettiner Eisenbahn und dem Baue der Die Pommersche Küste ist nicht saftig und grün, Sanddünen mit spärlichem Der Adler und Wladimir sind zwei tüchtige, von Eisen in England erbaute Wer die Englischen Küsten kennt, den Finnischen Meerbusen und die Russischen Wochenschau. Die Dampfboot-Verbindung zwischen Cronstadt und Stettin. — Seit der Vollendung der Berlin-Stettiner Eisenbahn und dem Baue der Die Pommersche Küste ist nicht saftig und grün, Sanddünen mit spärlichem Der Adler und Wladimir sind zwei tüchtige, von Eisen in England erbaute Wer die Englischen Küsten kennt, den Finnischen Meerbusen und die Russischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280132"/> </div> <div n="1"> <head> Wochenschau.</head><lb/> <div n="2"> <head> Die Dampfboot-Verbindung zwischen Cronstadt und</head><lb/> </div> <div n="2"> <head> Stettin. </head> <p xml:id="ID_106"> — Seit der Vollendung der Berlin-Stettiner Eisenbahn und dem Baue der<lb/> übrigen von Berlin ausgehenden Eisenbahnen gilt Stettin, nicht Lübeck, als das Deutsche<lb/> Eingangs-Thor für das große nordische Reich, und doch findet wöchentlich nur eine<lb/> einmalige Verbindung zwischen beiden Punkten Statt, obwol eine wöchentliche vier¬<lb/> malige Dampfbootvcrbindnng bei einer humanern Verkehrs-Erleichterung Seitens der<lb/> Russischen Regierung sich sehr wohl rentiren würde. Sie erschwert das Reisen ins<lb/> Ausland, besteuert dasselbe durch einen kostbaren und häufig nur durch Bestechung zu<lb/> erlangenden Paß, und der intelligente thätige Ausländer betritt nur mit Widerwillen<lb/> das Reich des weißen Czaren, wenn dort ihm auch eine glückliche materielle Zukunft<lb/> winken sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_107"> Die Pommersche Küste ist nicht saftig und grün, Sanddünen mit spärlichem<lb/> Strandhafer bewachsen und langweilige Fichten stellen sich dem ansegelnden Schiffe<lb/> dar, aber nie blickt das Auge sehnsüchtiger und wohlgefälliger von irgend einem<lb/> Schiffe, als wenn dem Dampfboote von Cronstadt die Swinemünder Bucht erscheint,<lb/> und Deutschlands Küste endlich deutlicher hervortritt. Es ist nicht die Seekrankheit,<lb/> nicht das Einförmige der Seereise der Grund dieses Wohlbehagens, Deutschland, das<lb/> Italien des Russen, ist am Horizont erschienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_108"> Der Adler und Wladimir sind zwei tüchtige, von Eisen in England erbaute<lb/> Schiffe; jener macht die Fahrt durchschnitttlich 2V2 Stunde schneller als dieser, aber<lb/> der Wladimir gilt für ein bequemeres Boot. Der Adler bietet den Blicken schärfere<lb/> Linien dar, und wenn jedes Dampfboot durch die Radkasten verunstaltet wird, so<lb/> ist dieser gefälliger, als der plumpe Wladimir, dessen Seiten noch auf nicht seemännische<lb/> Weise durch ein Posthorn verziert werden. Dieser geht tiefer als jener, ist im engen<lb/> Fahrwasser auf der Oder schwer zu steuern, und kommt deshalb öfter unter Beistand<lb/> eines Bootes die Oder hinauf. Der Adler gilt für reinlicher als der Wladimir, die<lb/> Mannschaft dieses stellt zum Theil jene gelben schmuzigen Gesichter bloß, die man sich<lb/> ohne eine gewisse Hautkrankheit und Ungeziefer schwer vorstellen kann. Wer ihre Mahl¬<lb/> zeit belauscht, namentlich ihr Lieblingsgericht, aus Gurken und verschiedenen Ingredien¬<lb/> zien bestehend, im Sommer verspeisen sieht, findet zwischen gewissen Bestien und<lb/> Speisenden Russischen Matrosen keinen großen Unterschied. So macht die Besatzung<lb/> des Adlers einen bessern Eindruck, und der Russe zieht das Preußische Boot dem<lb/> vaterländischen vor, da er aus jenem auch harmloser und unbefangener aufzutreten<lb/> wagt. Dem Führer des Preußischen Bootes wirst man jedoch vor, daß er die Passa¬<lb/> giere der 1. Kajüte mit größerer Aufmerksamkeit behandele, als die der 2. und 3. Ka¬<lb/> jüte, und in seinem Benehmen gegen die Mannschaft nicht ohne Härte sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_109" next="#ID_110"> Wer die Englischen Küsten kennt, den Finnischen Meerbusen und die Russischen<lb/> Häfen am schwarzen Meere angelaufen hat, muß der Englischen und Russischen Re¬<lb/> gierung , die im Handel und in der Politik von ganz entgegengesetzten Grundsätzen ge¬<lb/> leitet werden, das Zeugniß geben, daß sie die Küstcnstcrne des Seefahrers, die Leucht¬<lb/> feuer, Heller und feuriger strahlen lassen, als die Preußische Regierung. Das ist kein<lb/> günstiger Eindruck für den Reisenden. Zwei schwache Feuer, eins von der Ole, das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Wochenschau.
Die Dampfboot-Verbindung zwischen Cronstadt und
Stettin. — Seit der Vollendung der Berlin-Stettiner Eisenbahn und dem Baue der
übrigen von Berlin ausgehenden Eisenbahnen gilt Stettin, nicht Lübeck, als das Deutsche
Eingangs-Thor für das große nordische Reich, und doch findet wöchentlich nur eine
einmalige Verbindung zwischen beiden Punkten Statt, obwol eine wöchentliche vier¬
malige Dampfbootvcrbindnng bei einer humanern Verkehrs-Erleichterung Seitens der
Russischen Regierung sich sehr wohl rentiren würde. Sie erschwert das Reisen ins
Ausland, besteuert dasselbe durch einen kostbaren und häufig nur durch Bestechung zu
erlangenden Paß, und der intelligente thätige Ausländer betritt nur mit Widerwillen
das Reich des weißen Czaren, wenn dort ihm auch eine glückliche materielle Zukunft
winken sollte.
Die Pommersche Küste ist nicht saftig und grün, Sanddünen mit spärlichem
Strandhafer bewachsen und langweilige Fichten stellen sich dem ansegelnden Schiffe
dar, aber nie blickt das Auge sehnsüchtiger und wohlgefälliger von irgend einem
Schiffe, als wenn dem Dampfboote von Cronstadt die Swinemünder Bucht erscheint,
und Deutschlands Küste endlich deutlicher hervortritt. Es ist nicht die Seekrankheit,
nicht das Einförmige der Seereise der Grund dieses Wohlbehagens, Deutschland, das
Italien des Russen, ist am Horizont erschienen.
Der Adler und Wladimir sind zwei tüchtige, von Eisen in England erbaute
Schiffe; jener macht die Fahrt durchschnitttlich 2V2 Stunde schneller als dieser, aber
der Wladimir gilt für ein bequemeres Boot. Der Adler bietet den Blicken schärfere
Linien dar, und wenn jedes Dampfboot durch die Radkasten verunstaltet wird, so
ist dieser gefälliger, als der plumpe Wladimir, dessen Seiten noch auf nicht seemännische
Weise durch ein Posthorn verziert werden. Dieser geht tiefer als jener, ist im engen
Fahrwasser auf der Oder schwer zu steuern, und kommt deshalb öfter unter Beistand
eines Bootes die Oder hinauf. Der Adler gilt für reinlicher als der Wladimir, die
Mannschaft dieses stellt zum Theil jene gelben schmuzigen Gesichter bloß, die man sich
ohne eine gewisse Hautkrankheit und Ungeziefer schwer vorstellen kann. Wer ihre Mahl¬
zeit belauscht, namentlich ihr Lieblingsgericht, aus Gurken und verschiedenen Ingredien¬
zien bestehend, im Sommer verspeisen sieht, findet zwischen gewissen Bestien und
Speisenden Russischen Matrosen keinen großen Unterschied. So macht die Besatzung
des Adlers einen bessern Eindruck, und der Russe zieht das Preußische Boot dem
vaterländischen vor, da er aus jenem auch harmloser und unbefangener aufzutreten
wagt. Dem Führer des Preußischen Bootes wirst man jedoch vor, daß er die Passa¬
giere der 1. Kajüte mit größerer Aufmerksamkeit behandele, als die der 2. und 3. Ka¬
jüte, und in seinem Benehmen gegen die Mannschaft nicht ohne Härte sei.
Wer die Englischen Küsten kennt, den Finnischen Meerbusen und die Russischen
Häfen am schwarzen Meere angelaufen hat, muß der Englischen und Russischen Re¬
gierung , die im Handel und in der Politik von ganz entgegengesetzten Grundsätzen ge¬
leitet werden, das Zeugniß geben, daß sie die Küstcnstcrne des Seefahrers, die Leucht¬
feuer, Heller und feuriger strahlen lassen, als die Preußische Regierung. Das ist kein
günstiger Eindruck für den Reisenden. Zwei schwache Feuer, eins von der Ole, das
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