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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Er will -- und er ist darin nur der Ausdruck der Unionsvereine, wozu auch seine
Freunde Jonas, Sydvw, Pischon und Andere gehören -- der Kirche die voll¬
ständige Autonomie in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten, in der Besetzung ihrer
Lehrstellen u. s. w. vindiciren, und er will diese Kirche von unten auf, von den
Ortsgemeinden aufbauen. Die Ortsgemeinde wählt den Pfarrer und das Pres-
byterium, die verschiedenen Gemeinden wählen die Kreissynode, die Kreissynode
wählt das Kreiöpresbyterium, und so immer weiter heraus bis zum Oberconsisto-
rium, welches von der Landessynode gewählt wird.

Es ist das, wie gesagt, eine erstaunliche Kühnheit, nicht blos darum, weil
die Möglichkeit vorausgesetzt wird, die jetzt herrschende Partei werde darauf ein¬
gehen, und ihren Besitzstand freiwillig an eine im günstigsten Fall noch gar nicht
berechnende Majorität veräußern, souderu auch, weil sie aus der vollständig
irrationeller Mannichfaltigkeit der Gemeinden eine homogene Kirche aufzubauen
gedenkt, die ihrerseits wieder controlirend auf die Gemeinden einwirken soll. Das
ist ein Glaube an die Lebenskraft und an die Productivität des bestehenden kirch¬
lichen Sinnes, wie wir ihn kaum für möglich gehalten hätten.

Wie dem auch sei, die ventilirte Frage ist eine nothwendige, unabweisbare,
eine tief eingreifende in das Leben der Nation. Wir selber sind nicht in der
Lage, auch nur Vorschläge darüber zu machen, wir können also nichts Anderes
H"n, als auf ein System, welches wenigstens aus gutem Willen gekommen und
vielseitig durchdacht ist, die allgemeine Aufmerksamkeit hinlenken.




Wochenschau.

Skizzen aus Natur- und Völkerleben, von I. G. Kohl. Zwei Band-.
Dresden, K.mtze - Der berühmte Reisende hat in diesen zwei Bänden eme Reihe
vereinzelter Abhandlungen gesammelt, die sich aus den letzten Jahren herschre.den. Der
Inhalt derselben ist zum großen Theil ein ernster. Wir glauben aber, in dieser schweren
Zeit unser" Lesern einen Gefallen zu thun, wenn wir als Probe ein- etwas leichtsiumgere
Darstellung auswählen, die einen uns naheliegenden Gegenstand betrifft. namUch ven
Genuß des Kaffees und Tabaks in Sachsen. "So viel ich weiß, giebt es kein ^ano
in der Welt. - selbst Mocca in Arabien nicht ausgenommen, - in welchen, die genü-
gen Leute solche Quantitäten Kaffee vcrconsumirten. wie in Sachsen. In Frankreich klirr
w-in selbst des Morgens zum Frühstück etwa nnr eine halbe Tasse Kaffee die freilich gut
i5- und ungefähr eben so viel nach Tische. In England ersetzt der Thee den Kaffee
b°in, Frühstück fast ganz, und in der Regel ist dieses Getränk dort so schlecht, daß man
anch bei der Mittaastafel aus die gebotene Tasse ziemlich willig verzichtet, ^n Ru߬
land treten beim geringen Volk ebenfalls Thee und Branntwein und andere Flüssig¬
keiten an die Stelle des Kaffees. Deutschland ist das Land, welches d,e Kaffcekann-
zu einem so respectablen und umfangreiche" Gesäß gemacht hat. und in Deutschland


Er will — und er ist darin nur der Ausdruck der Unionsvereine, wozu auch seine
Freunde Jonas, Sydvw, Pischon und Andere gehören — der Kirche die voll¬
ständige Autonomie in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten, in der Besetzung ihrer
Lehrstellen u. s. w. vindiciren, und er will diese Kirche von unten auf, von den
Ortsgemeinden aufbauen. Die Ortsgemeinde wählt den Pfarrer und das Pres-
byterium, die verschiedenen Gemeinden wählen die Kreissynode, die Kreissynode
wählt das Kreiöpresbyterium, und so immer weiter heraus bis zum Oberconsisto-
rium, welches von der Landessynode gewählt wird.

Es ist das, wie gesagt, eine erstaunliche Kühnheit, nicht blos darum, weil
die Möglichkeit vorausgesetzt wird, die jetzt herrschende Partei werde darauf ein¬
gehen, und ihren Besitzstand freiwillig an eine im günstigsten Fall noch gar nicht
berechnende Majorität veräußern, souderu auch, weil sie aus der vollständig
irrationeller Mannichfaltigkeit der Gemeinden eine homogene Kirche aufzubauen
gedenkt, die ihrerseits wieder controlirend auf die Gemeinden einwirken soll. Das
ist ein Glaube an die Lebenskraft und an die Productivität des bestehenden kirch¬
lichen Sinnes, wie wir ihn kaum für möglich gehalten hätten.

Wie dem auch sei, die ventilirte Frage ist eine nothwendige, unabweisbare,
eine tief eingreifende in das Leben der Nation. Wir selber sind nicht in der
Lage, auch nur Vorschläge darüber zu machen, wir können also nichts Anderes
H»n, als auf ein System, welches wenigstens aus gutem Willen gekommen und
vielseitig durchdacht ist, die allgemeine Aufmerksamkeit hinlenken.




Wochenschau.

Skizzen aus Natur- und Völkerleben, von I. G. Kohl. Zwei Band-.
Dresden, K.mtze - Der berühmte Reisende hat in diesen zwei Bänden eme Reihe
vereinzelter Abhandlungen gesammelt, die sich aus den letzten Jahren herschre.den. Der
Inhalt derselben ist zum großen Theil ein ernster. Wir glauben aber, in dieser schweren
Zeit unser» Lesern einen Gefallen zu thun, wenn wir als Probe ein- etwas leichtsiumgere
Darstellung auswählen, die einen uns naheliegenden Gegenstand betrifft. namUch ven
Genuß des Kaffees und Tabaks in Sachsen. „So viel ich weiß, giebt es kein ^ano
in der Welt. - selbst Mocca in Arabien nicht ausgenommen, - in welchen, die genü-
gen Leute solche Quantitäten Kaffee vcrconsumirten. wie in Sachsen. In Frankreich klirr
w-in selbst des Morgens zum Frühstück etwa nnr eine halbe Tasse Kaffee die freilich gut
i5- und ungefähr eben so viel nach Tische. In England ersetzt der Thee den Kaffee
b°in, Frühstück fast ganz, und in der Regel ist dieses Getränk dort so schlecht, daß man
anch bei der Mittaastafel aus die gebotene Tasse ziemlich willig verzichtet, ^n Ru߬
land treten beim geringen Volk ebenfalls Thee und Branntwein und andere Flüssig¬
keiten an die Stelle des Kaffees. Deutschland ist das Land, welches d,e Kaffcekann-
zu einem so respectablen und umfangreiche« Gesäß gemacht hat. und in Deutschland


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[0437] Er will — und er ist darin nur der Ausdruck der Unionsvereine, wozu auch seine Freunde Jonas, Sydvw, Pischon und Andere gehören — der Kirche die voll¬ ständige Autonomie in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten, in der Besetzung ihrer Lehrstellen u. s. w. vindiciren, und er will diese Kirche von unten auf, von den Ortsgemeinden aufbauen. Die Ortsgemeinde wählt den Pfarrer und das Pres- byterium, die verschiedenen Gemeinden wählen die Kreissynode, die Kreissynode wählt das Kreiöpresbyterium, und so immer weiter heraus bis zum Oberconsisto- rium, welches von der Landessynode gewählt wird. Es ist das, wie gesagt, eine erstaunliche Kühnheit, nicht blos darum, weil die Möglichkeit vorausgesetzt wird, die jetzt herrschende Partei werde darauf ein¬ gehen, und ihren Besitzstand freiwillig an eine im günstigsten Fall noch gar nicht berechnende Majorität veräußern, souderu auch, weil sie aus der vollständig irrationeller Mannichfaltigkeit der Gemeinden eine homogene Kirche aufzubauen gedenkt, die ihrerseits wieder controlirend auf die Gemeinden einwirken soll. Das ist ein Glaube an die Lebenskraft und an die Productivität des bestehenden kirch¬ lichen Sinnes, wie wir ihn kaum für möglich gehalten hätten. Wie dem auch sei, die ventilirte Frage ist eine nothwendige, unabweisbare, eine tief eingreifende in das Leben der Nation. Wir selber sind nicht in der Lage, auch nur Vorschläge darüber zu machen, wir können also nichts Anderes H»n, als auf ein System, welches wenigstens aus gutem Willen gekommen und vielseitig durchdacht ist, die allgemeine Aufmerksamkeit hinlenken. Wochenschau. Skizzen aus Natur- und Völkerleben, von I. G. Kohl. Zwei Band-. Dresden, K.mtze - Der berühmte Reisende hat in diesen zwei Bänden eme Reihe vereinzelter Abhandlungen gesammelt, die sich aus den letzten Jahren herschre.den. Der Inhalt derselben ist zum großen Theil ein ernster. Wir glauben aber, in dieser schweren Zeit unser» Lesern einen Gefallen zu thun, wenn wir als Probe ein- etwas leichtsiumgere Darstellung auswählen, die einen uns naheliegenden Gegenstand betrifft. namUch ven Genuß des Kaffees und Tabaks in Sachsen. „So viel ich weiß, giebt es kein ^ano in der Welt. - selbst Mocca in Arabien nicht ausgenommen, - in welchen, die genü- gen Leute solche Quantitäten Kaffee vcrconsumirten. wie in Sachsen. In Frankreich klirr w-in selbst des Morgens zum Frühstück etwa nnr eine halbe Tasse Kaffee die freilich gut i5- und ungefähr eben so viel nach Tische. In England ersetzt der Thee den Kaffee b°in, Frühstück fast ganz, und in der Regel ist dieses Getränk dort so schlecht, daß man anch bei der Mittaastafel aus die gebotene Tasse ziemlich willig verzichtet, ^n Ru߬ land treten beim geringen Volk ebenfalls Thee und Branntwein und andere Flüssig¬ keiten an die Stelle des Kaffees. Deutschland ist das Land, welches d,e Kaffcekann- zu einem so respectablen und umfangreiche« Gesäß gemacht hat. und in Deutschland

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/437>, abgerufen am 27.06.2024.