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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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ohne die Trinkgelder-. Beim Bauer hatte der Großknecht al'er nur 1 i Thaler
Lohn, und -12 Ellen Hemden, und -12 Ellen flachsen Linnen, und 2 Pfund Wolle -
zum Strümpscstricken, und was an Trinkgeld abfiel, war auch nicht viel, wenn
es auch manchmal beim Pserdeverkanf eiuen Gulden Halftergeld gab. Jochen
hatte sich bei solchem Anerbieten anch wohl bedacht, ob er es nicht annehmen und
zu Gallen nach dem Hofe ziehen sollte. Da sah er aber seine Liesch, und es fiel ihm
ein, daß er diese dann nicht täglich mehr sehen könne. Eines Abends, wo Liesch
spät von der Stadt heimkehren sollte, ging Jochen, besorgt über ihr langes Aus¬
bleibe", ihr auf dem halben Weg entgegen, und kam gerade dazu, wie drei be¬
trunkene Handwerksburschen das Mädchen umringten und mit ihren Liebkosungen
bedrohte". Der wüthende Knecht hieb mit seinem Peitschenstiel derb auf sie
ein. Aber als er nun in dem stille" Abend das noch erschrockene Mädchen nach
Hause führte, da sprachen ihre Lippen zum ersten Mal es ans, wovon das Herz
Beiden so voll war. Sie gelobten einander "Brune "ud Brngam so hier, und
den Bader to birren (bitten), dat see sick frieu türmen", und einige herzhafte Küsse
besiegelten den Bund. Aber ihre Liebe war unglücklich, und erhielt nicht die
Billigung von Lieschens Aeltern. Der Schule war, wie alle Leute im Dorfe
sagten, "een grugelick riete Kierl (ein gräulich reicher Kerl), dee Sinn Dochter ein
duseud Daler mitgeben kürr", und hatte dabei seine tüchtige Portion Geld-
stolz. Jochen's Mutter aber lebte im Armenhause, und außer seinen gesun¬
den Armen hatte er kein Vermögen. Als daher Liesch und Jochen an eiueM
Sonntag Morgen, wo er gerade in die Kirche gehen wollte, zu ihm in die Kam¬
mer gingen und um seine Einwilligung baten, da fluchte er gewaltig, drohte der
Tochter, er wolle ihr mit dem Stock solche dumme Dinge aus dem Kopfe treiben,
und verschwor sich, sie solle nnr einen reichen Bauern oder Stadtmann heirathen.
Und der "Schule" war el" "Querkopf", der wohl hielt, was er sagte. Trotzdem
behielt er Jochen im Dienste, denn er wußte zu berechnen. So lebten Liesch
und Jochen unter einem Dache mit einander fort, und aßen aus einer SckM^'
das Beste von der Zukunft hoffend. Ertappte der Schule oder die böse Stief¬
mutter sie bei eiuer zärtlichen Zusammenkunft, so gab es freilich sehr heftige
Schelte, ja sogar Drohen mit Schlägen, doch wie leicht verschmerzt die Liebe
solche kleine Dinge. So waren schon einige Jahre bis zu dem Motzen, wo
wir Liesch und Jochen zusammen am Brunnen finden, ohne besondere Ereignisse
vergangen.




Pariser Botschaften.

Warum dieser Luxus von Orientalischen Gesichtern im Gymnase, woher die
viele" langen Nasen und der Deutsche Accent, welcher in der Conversation des


ohne die Trinkgelder-. Beim Bauer hatte der Großknecht al'er nur 1 i Thaler
Lohn, und -12 Ellen Hemden, und -12 Ellen flachsen Linnen, und 2 Pfund Wolle -
zum Strümpscstricken, und was an Trinkgeld abfiel, war auch nicht viel, wenn
es auch manchmal beim Pserdeverkanf eiuen Gulden Halftergeld gab. Jochen
hatte sich bei solchem Anerbieten anch wohl bedacht, ob er es nicht annehmen und
zu Gallen nach dem Hofe ziehen sollte. Da sah er aber seine Liesch, und es fiel ihm
ein, daß er diese dann nicht täglich mehr sehen könne. Eines Abends, wo Liesch
spät von der Stadt heimkehren sollte, ging Jochen, besorgt über ihr langes Aus¬
bleibe», ihr auf dem halben Weg entgegen, und kam gerade dazu, wie drei be¬
trunkene Handwerksburschen das Mädchen umringten und mit ihren Liebkosungen
bedrohte». Der wüthende Knecht hieb mit seinem Peitschenstiel derb auf sie
ein. Aber als er nun in dem stille» Abend das noch erschrockene Mädchen nach
Hause führte, da sprachen ihre Lippen zum ersten Mal es ans, wovon das Herz
Beiden so voll war. Sie gelobten einander „Brune »ud Brngam so hier, und
den Bader to birren (bitten), dat see sick frieu türmen", und einige herzhafte Küsse
besiegelten den Bund. Aber ihre Liebe war unglücklich, und erhielt nicht die
Billigung von Lieschens Aeltern. Der Schule war, wie alle Leute im Dorfe
sagten, „een grugelick riete Kierl (ein gräulich reicher Kerl), dee Sinn Dochter ein
duseud Daler mitgeben kürr", und hatte dabei seine tüchtige Portion Geld-
stolz. Jochen's Mutter aber lebte im Armenhause, und außer seinen gesun¬
den Armen hatte er kein Vermögen. Als daher Liesch und Jochen an eiueM
Sonntag Morgen, wo er gerade in die Kirche gehen wollte, zu ihm in die Kam¬
mer gingen und um seine Einwilligung baten, da fluchte er gewaltig, drohte der
Tochter, er wolle ihr mit dem Stock solche dumme Dinge aus dem Kopfe treiben,
und verschwor sich, sie solle nnr einen reichen Bauern oder Stadtmann heirathen.
Und der „Schule" war el» „Querkopf", der wohl hielt, was er sagte. Trotzdem
behielt er Jochen im Dienste, denn er wußte zu berechnen. So lebten Liesch
und Jochen unter einem Dache mit einander fort, und aßen aus einer SckM^'
das Beste von der Zukunft hoffend. Ertappte der Schule oder die böse Stief¬
mutter sie bei eiuer zärtlichen Zusammenkunft, so gab es freilich sehr heftige
Schelte, ja sogar Drohen mit Schlägen, doch wie leicht verschmerzt die Liebe
solche kleine Dinge. So waren schon einige Jahre bis zu dem Motzen, wo
wir Liesch und Jochen zusammen am Brunnen finden, ohne besondere Ereignisse
vergangen.




Pariser Botschaften.

Warum dieser Luxus von Orientalischen Gesichtern im Gymnase, woher die
viele« langen Nasen und der Deutsche Accent, welcher in der Conversation des


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[0418] ohne die Trinkgelder-. Beim Bauer hatte der Großknecht al'er nur 1 i Thaler Lohn, und -12 Ellen Hemden, und -12 Ellen flachsen Linnen, und 2 Pfund Wolle - zum Strümpscstricken, und was an Trinkgeld abfiel, war auch nicht viel, wenn es auch manchmal beim Pserdeverkanf eiuen Gulden Halftergeld gab. Jochen hatte sich bei solchem Anerbieten anch wohl bedacht, ob er es nicht annehmen und zu Gallen nach dem Hofe ziehen sollte. Da sah er aber seine Liesch, und es fiel ihm ein, daß er diese dann nicht täglich mehr sehen könne. Eines Abends, wo Liesch spät von der Stadt heimkehren sollte, ging Jochen, besorgt über ihr langes Aus¬ bleibe», ihr auf dem halben Weg entgegen, und kam gerade dazu, wie drei be¬ trunkene Handwerksburschen das Mädchen umringten und mit ihren Liebkosungen bedrohte». Der wüthende Knecht hieb mit seinem Peitschenstiel derb auf sie ein. Aber als er nun in dem stille» Abend das noch erschrockene Mädchen nach Hause führte, da sprachen ihre Lippen zum ersten Mal es ans, wovon das Herz Beiden so voll war. Sie gelobten einander „Brune »ud Brngam so hier, und den Bader to birren (bitten), dat see sick frieu türmen", und einige herzhafte Küsse besiegelten den Bund. Aber ihre Liebe war unglücklich, und erhielt nicht die Billigung von Lieschens Aeltern. Der Schule war, wie alle Leute im Dorfe sagten, „een grugelick riete Kierl (ein gräulich reicher Kerl), dee Sinn Dochter ein duseud Daler mitgeben kürr", und hatte dabei seine tüchtige Portion Geld- stolz. Jochen's Mutter aber lebte im Armenhause, und außer seinen gesun¬ den Armen hatte er kein Vermögen. Als daher Liesch und Jochen an eiueM Sonntag Morgen, wo er gerade in die Kirche gehen wollte, zu ihm in die Kam¬ mer gingen und um seine Einwilligung baten, da fluchte er gewaltig, drohte der Tochter, er wolle ihr mit dem Stock solche dumme Dinge aus dem Kopfe treiben, und verschwor sich, sie solle nnr einen reichen Bauern oder Stadtmann heirathen. Und der „Schule" war el» „Querkopf", der wohl hielt, was er sagte. Trotzdem behielt er Jochen im Dienste, denn er wußte zu berechnen. So lebten Liesch und Jochen unter einem Dache mit einander fort, und aßen aus einer SckM^' das Beste von der Zukunft hoffend. Ertappte der Schule oder die böse Stief¬ mutter sie bei eiuer zärtlichen Zusammenkunft, so gab es freilich sehr heftige Schelte, ja sogar Drohen mit Schlägen, doch wie leicht verschmerzt die Liebe solche kleine Dinge. So waren schon einige Jahre bis zu dem Motzen, wo wir Liesch und Jochen zusammen am Brunnen finden, ohne besondere Ereignisse vergangen. Pariser Botschaften. Warum dieser Luxus von Orientalischen Gesichtern im Gymnase, woher die viele« langen Nasen und der Deutsche Accent, welcher in der Conversation des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/418>, abgerufen am 27.06.2024.