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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Orion.


Ein Phantasiestück von Otto Roqnctte. Bremen, --
Der Verfasser ist offenbar ein junger Mann. Er macht insofern einen angenehmen
Eindruck, als er noch nicht blasirt ist und an Ideale glaubt; ob er aber Talent hat,
läßt sich aus diesem Buch nicht schließen, den" die einzelnen guten Einfälle sind im
Schwulst erstickt. Daß junge Leute über die Natur, über einzelne Regungen des Men-
schenherzens, kurz über alles Schöne, was ihnen neu ist, in Schwärmereien ausbrechen,
ist unvermeidlich und lobenswerth; wenn sie aber über diese Schwärmereien schreiben
wollen, so müssen sie vorher prüfen, ob in ihrem Pathos auch Gehalt ist. Abgesehen
von den pathetischen Excursen, die mitunter an Tieck und Jean Paul erinnern, ist
auch noch viel Nachtstückromantik darin, verfallene Gemäuer, verhängnißvolle Bilder,
Erbfluch und dergleichen, was bereits zu den Antiquitäten gehört. Die Erzählung
leidet an dem schlimmsten Fehler der Deutschen, an einer vollständigen Undeutlichkeit. --
Herr Nvauette ist vor Kurzem mit einem Gedicht aufgetreten, welches gut sein soll.
Die lyrischen Proben, die in diesem Buche mitgetheilt sind, leiden noch an einer zu
großen Unklarheit, z. B.'

Was soll denn das heißen? --


Traumsahrt in das Land des Ausgangs.

Morgenländische Märchen von
Bertha Werber. Bremen, Schlodtmann. -- Diese Sammlung leidet an dem näm¬
lichen Uebelstande, wie das vorhergehende Buch. Die Dichterin strengt sich an, fort¬
während in hochpoetischen Styl zu bleiben, außer wenn sie nach Tieck'scher Manier
die Gegner ihrer Romantik als lederne Geschöpfe darstellt, und daraus geht denn her¬
vor, daß sie bald schwülstig, bald trivial wird. Diese Art Märchen empfindsamer
Natur, die von Wandcrcngcln, Schmetterlingen und Wasserblnmcu, von Sphinxen und
gefangenen Sonnenstrahlen, von Aegyptischen Palmenwäldern n"d kalten Herzen und
dergleichen mehr handeln, und die keine andere Pointe haben, als die Anwendung
ziemlich kühner Bilder, sind bei uus in Deutschland sehr häusig, aber sie sind auch
von geschickten Händen bereits so vollständig ausgebeutet worden, daß man, um seine
Vorgänger zu überbieten, immer mehr Süßigkeit und immer mehr Wohlgeruch aufwen¬
den muß, so daß Einem zuletzt schlimm nud weh dabei wird. Das Beste hat in die¬
ser Art noch immer Andersen geleistet. Wie man übrigens ziemlich alte Unarten der
Deutschen Literatur aus Goethe zurückführen kann, so ist es mich im Märchen der
Fall. Er hat uns zuerst daran gewöhnt, Gegenstände auftreten zu sehen, von denen
wir nicht erfahren, was sie sind, wenn sie auch mit dem Name" Lilie, Schlange und
dergleichen bezeichnet werden, einer scheinbaren Erzählung zu folgen, ohne daß in dieser
Erzählung Etwas vorkäme, und bedeutungsvolle Anspielungen zu vernehmen, ohne zu
wissen, woraus sie sich beziehen. --




Vcrcmtw. Und. F. W. Grnnow. -- Mitredact.: G. Freytng und Julian Schmidt.
Druck von C. K. Elbert.


Am t.Juli hat das II. Semester des X. Jahrgangs
der Grenzvoten begonnen, auf das alle Buchhandlungen und
Postämter Bestellungen annehmen. Die Verlagshandlung.


Orion.


Ein Phantasiestück von Otto Roqnctte. Bremen, —
Der Verfasser ist offenbar ein junger Mann. Er macht insofern einen angenehmen
Eindruck, als er noch nicht blasirt ist und an Ideale glaubt; ob er aber Talent hat,
läßt sich aus diesem Buch nicht schließen, den» die einzelnen guten Einfälle sind im
Schwulst erstickt. Daß junge Leute über die Natur, über einzelne Regungen des Men-
schenherzens, kurz über alles Schöne, was ihnen neu ist, in Schwärmereien ausbrechen,
ist unvermeidlich und lobenswerth; wenn sie aber über diese Schwärmereien schreiben
wollen, so müssen sie vorher prüfen, ob in ihrem Pathos auch Gehalt ist. Abgesehen
von den pathetischen Excursen, die mitunter an Tieck und Jean Paul erinnern, ist
auch noch viel Nachtstückromantik darin, verfallene Gemäuer, verhängnißvolle Bilder,
Erbfluch und dergleichen, was bereits zu den Antiquitäten gehört. Die Erzählung
leidet an dem schlimmsten Fehler der Deutschen, an einer vollständigen Undeutlichkeit. —
Herr Nvauette ist vor Kurzem mit einem Gedicht aufgetreten, welches gut sein soll.
Die lyrischen Proben, die in diesem Buche mitgetheilt sind, leiden noch an einer zu
großen Unklarheit, z. B.'

Was soll denn das heißen? —


Traumsahrt in das Land des Ausgangs.

Morgenländische Märchen von
Bertha Werber. Bremen, Schlodtmann. — Diese Sammlung leidet an dem näm¬
lichen Uebelstande, wie das vorhergehende Buch. Die Dichterin strengt sich an, fort¬
während in hochpoetischen Styl zu bleiben, außer wenn sie nach Tieck'scher Manier
die Gegner ihrer Romantik als lederne Geschöpfe darstellt, und daraus geht denn her¬
vor, daß sie bald schwülstig, bald trivial wird. Diese Art Märchen empfindsamer
Natur, die von Wandcrcngcln, Schmetterlingen und Wasserblnmcu, von Sphinxen und
gefangenen Sonnenstrahlen, von Aegyptischen Palmenwäldern n»d kalten Herzen und
dergleichen mehr handeln, und die keine andere Pointe haben, als die Anwendung
ziemlich kühner Bilder, sind bei uus in Deutschland sehr häusig, aber sie sind auch
von geschickten Händen bereits so vollständig ausgebeutet worden, daß man, um seine
Vorgänger zu überbieten, immer mehr Süßigkeit und immer mehr Wohlgeruch aufwen¬
den muß, so daß Einem zuletzt schlimm nud weh dabei wird. Das Beste hat in die¬
ser Art noch immer Andersen geleistet. Wie man übrigens ziemlich alte Unarten der
Deutschen Literatur aus Goethe zurückführen kann, so ist es mich im Märchen der
Fall. Er hat uns zuerst daran gewöhnt, Gegenstände auftreten zu sehen, von denen
wir nicht erfahren, was sie sind, wenn sie auch mit dem Name» Lilie, Schlange und
dergleichen bezeichnet werden, einer scheinbaren Erzählung zu folgen, ohne daß in dieser
Erzählung Etwas vorkäme, und bedeutungsvolle Anspielungen zu vernehmen, ohne zu
wissen, woraus sie sich beziehen. —




Vcrcmtw. Und. F. W. Grnnow. — Mitredact.: G. Freytng und Julian Schmidt.
Druck von C. K. Elbert.


Am t.Juli hat das II. Semester des X. Jahrgangs
der Grenzvoten begonnen, auf das alle Buchhandlungen und
Postämter Bestellungen annehmen. Die Verlagshandlung.


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[0128] Orion. Ein Phantasiestück von Otto Roqnctte. Bremen, — Der Verfasser ist offenbar ein junger Mann. Er macht insofern einen angenehmen Eindruck, als er noch nicht blasirt ist und an Ideale glaubt; ob er aber Talent hat, läßt sich aus diesem Buch nicht schließen, den» die einzelnen guten Einfälle sind im Schwulst erstickt. Daß junge Leute über die Natur, über einzelne Regungen des Men- schenherzens, kurz über alles Schöne, was ihnen neu ist, in Schwärmereien ausbrechen, ist unvermeidlich und lobenswerth; wenn sie aber über diese Schwärmereien schreiben wollen, so müssen sie vorher prüfen, ob in ihrem Pathos auch Gehalt ist. Abgesehen von den pathetischen Excursen, die mitunter an Tieck und Jean Paul erinnern, ist auch noch viel Nachtstückromantik darin, verfallene Gemäuer, verhängnißvolle Bilder, Erbfluch und dergleichen, was bereits zu den Antiquitäten gehört. Die Erzählung leidet an dem schlimmsten Fehler der Deutschen, an einer vollständigen Undeutlichkeit. — Herr Nvauette ist vor Kurzem mit einem Gedicht aufgetreten, welches gut sein soll. Die lyrischen Proben, die in diesem Buche mitgetheilt sind, leiden noch an einer zu großen Unklarheit, z. B.' Was soll denn das heißen? — Traumsahrt in das Land des Ausgangs. Morgenländische Märchen von Bertha Werber. Bremen, Schlodtmann. — Diese Sammlung leidet an dem näm¬ lichen Uebelstande, wie das vorhergehende Buch. Die Dichterin strengt sich an, fort¬ während in hochpoetischen Styl zu bleiben, außer wenn sie nach Tieck'scher Manier die Gegner ihrer Romantik als lederne Geschöpfe darstellt, und daraus geht denn her¬ vor, daß sie bald schwülstig, bald trivial wird. Diese Art Märchen empfindsamer Natur, die von Wandcrcngcln, Schmetterlingen und Wasserblnmcu, von Sphinxen und gefangenen Sonnenstrahlen, von Aegyptischen Palmenwäldern n»d kalten Herzen und dergleichen mehr handeln, und die keine andere Pointe haben, als die Anwendung ziemlich kühner Bilder, sind bei uus in Deutschland sehr häusig, aber sie sind auch von geschickten Händen bereits so vollständig ausgebeutet worden, daß man, um seine Vorgänger zu überbieten, immer mehr Süßigkeit und immer mehr Wohlgeruch aufwen¬ den muß, so daß Einem zuletzt schlimm nud weh dabei wird. Das Beste hat in die¬ ser Art noch immer Andersen geleistet. Wie man übrigens ziemlich alte Unarten der Deutschen Literatur aus Goethe zurückführen kann, so ist es mich im Märchen der Fall. Er hat uns zuerst daran gewöhnt, Gegenstände auftreten zu sehen, von denen wir nicht erfahren, was sie sind, wenn sie auch mit dem Name» Lilie, Schlange und dergleichen bezeichnet werden, einer scheinbaren Erzählung zu folgen, ohne daß in dieser Erzählung Etwas vorkäme, und bedeutungsvolle Anspielungen zu vernehmen, ohne zu wissen, woraus sie sich beziehen. — Vcrcmtw. Und. F. W. Grnnow. — Mitredact.: G. Freytng und Julian Schmidt. Druck von C. K. Elbert. Am t.Juli hat das II. Semester des X. Jahrgangs der Grenzvoten begonnen, auf das alle Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen. Die Verlagshandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/128>, abgerufen am 27.06.2024.