Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.dern ergreift, mit einem Wort, daß es selber nicht weiß, was es will. -- Wenn Diese Ansicht können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begründen; wir Kleine Cyrrespondenzen und Notizen. Plaudereien ans Paris. -- Sie haben wohl gelesen, daß unser zukünftiger dern ergreift, mit einem Wort, daß es selber nicht weiß, was es will. — Wenn Diese Ansicht können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begründen; wir Kleine Cyrrespondenzen und Notizen. Plaudereien ans Paris. — Sie haben wohl gelesen, daß unser zukünftiger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93260"/> <p xml:id="ID_1509" prev="#ID_1508"> dern ergreift, mit einem Wort, daß es selber nicht weiß, was es will. — Wenn<lb/> wir in dieser Ansicht recht hätten, so könnte eine Theilnahme an den bundesstaat¬<lb/> lichen Bestrebungen Preußens keinen Nutzen haben, und Sachsen verführe auf alle<lb/> Fälle am zweckmäßigsten, wenn es abwartete, was in Erfurt vor sich geht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1510"> Diese Ansicht können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begründen; wir<lb/> müssen selber gestehen, daß Manches dagegen zu sprechen scheint, namentlich was<lb/> man sich von den Militär-Verträgen mit Baden und Braunschweig erzählt.<lb/> Sollte sie irrig sein, — was wir seit den neuesten Nachrichten, namentlich seit<lb/> der königlichen Ernennung der Mitglieder des Staatenhauses, weniger hoffen als<lb/> je — so würde Niemand eine herzlichere Freude darüber haben, als wir.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kleine Cyrrespondenzen und Notizen.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1511" next="#ID_1512"> Plaudereien ans Paris. — Sie haben wohl gelesen, daß unser zukünftiger<lb/> Kaiser — Niemand in ganz Paris nennt den Präsidenten anders — den ersten<lb/> Schritt zur Begründung einer Militärherrschaft dadurch gethan, daß er Frank¬<lb/> reich in vier strategische Districte getheilt hat. Paris steht unter dem Befehl des<lb/> Generals Changarnier, Gemecm commandirt den Bezirk Lyon, Nostolan Mont¬<lb/> pellier und Kastellane Bordeaux. Diese liebenswürdige und gescheite Einrichtung<lb/> scheint das Häkchen zu sein, an dem ein langer und starker Faden angeknüpft<lb/> werden dürste, der sich noch in den cnrivsesteu Formen abwickeln wird. DaS<lb/> Ende der ersten Präsidentschaft der neuen Republik rückt immer naher heran, und<lb/> Jedermann ist begierig auf die Ereignisse, welche zweifelsohne in seinem Gefolge kom¬<lb/> men werden. Wollte man ein Augurium gründen auf das Benehmen des Präsidenten<lb/> selbst, so könnte dies sür ihn nur höchst günstig ausfallen. Er lebt mit solcher Sicher¬<lb/> heit in den Tag hinein, wenigstens vor den Augen der Welt, bestrebt sich so sehr, mit<lb/> Pracht und Glanz die Hohlheit seiner Stellung zu übertünchen, daß auch ein geübter<lb/> Blick von ihm getäuscht werden mag. Selbst unter dem Königthum entwickelte sich nur<lb/> selten der Luxus und die Ueppigkeit, die Napoleon Louis bei deu vielen Festen und<lb/> Bällen, welche er in dieser Saison veranstaltete, zur Schau zu stellen wußte. Freilich<lb/> haben die Säle der Tuilerien ehedem eine ganz andere Gesellschaft gesehen, wie jetzt<lb/> diejenigen des Elysoe nationale, der Rotürier hat die Vicomtes verdrängt, und schwere<lb/> Nagelschuhe bohren in dem spiegelglatten Parquet, das nur für Atlasschuhe gelegt wor¬<lb/> den ist. Es ist dies in der That ein seltsamer Anblick, zwischen den strahlenden Daiucnreihen<lb/> der Salons des Präsidenten, Gestalten umherwandeln zu sehen, deren Abenteuerlichkeit<lb/> der lose Griffel des Charivaristen kaum ganz getreu wiedergeben, geschweige denn noch cari-<lb/> kiren kann. Denn wenn gleich die Herren vom Berge, die Männer des Phalanstcri-<lb/> ums und der Barrikaden die erbittertsten politischen Feinde des Prinzen Louis<lb/> sind und ihn mehrmals schon in Anklagestand versetzen, ja geradezu in Biucennes<lb/> einsperren wollten, so hindert sie das doch keineswegs, große Freunde seines Cham¬<lb/> pagners und demzufolge auch Besucher seiner Bälle und Soireen zu sein! Alle<lb/> Mitglieder der Nationalversammlung sind selbstverständlich immer geladen. Und da<lb/> schlürft denn der dicke Pierre Leroux, dieses untersetzte Drittheil der heiligen so¬<lb/> cialistischen Dreifaltigkeit, sauer-sust lächelnd über den glatten Boden, und die etwa im<lb/> Plafond hausenden Spinnlein flüchten vor seinem gräulichen, schmutzigen, nach allen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
dern ergreift, mit einem Wort, daß es selber nicht weiß, was es will. — Wenn
wir in dieser Ansicht recht hätten, so könnte eine Theilnahme an den bundesstaat¬
lichen Bestrebungen Preußens keinen Nutzen haben, und Sachsen verführe auf alle
Fälle am zweckmäßigsten, wenn es abwartete, was in Erfurt vor sich geht.
Diese Ansicht können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begründen; wir
müssen selber gestehen, daß Manches dagegen zu sprechen scheint, namentlich was
man sich von den Militär-Verträgen mit Baden und Braunschweig erzählt.
Sollte sie irrig sein, — was wir seit den neuesten Nachrichten, namentlich seit
der königlichen Ernennung der Mitglieder des Staatenhauses, weniger hoffen als
je — so würde Niemand eine herzlichere Freude darüber haben, als wir.
Kleine Cyrrespondenzen und Notizen.
Plaudereien ans Paris. — Sie haben wohl gelesen, daß unser zukünftiger
Kaiser — Niemand in ganz Paris nennt den Präsidenten anders — den ersten
Schritt zur Begründung einer Militärherrschaft dadurch gethan, daß er Frank¬
reich in vier strategische Districte getheilt hat. Paris steht unter dem Befehl des
Generals Changarnier, Gemecm commandirt den Bezirk Lyon, Nostolan Mont¬
pellier und Kastellane Bordeaux. Diese liebenswürdige und gescheite Einrichtung
scheint das Häkchen zu sein, an dem ein langer und starker Faden angeknüpft
werden dürste, der sich noch in den cnrivsesteu Formen abwickeln wird. DaS
Ende der ersten Präsidentschaft der neuen Republik rückt immer naher heran, und
Jedermann ist begierig auf die Ereignisse, welche zweifelsohne in seinem Gefolge kom¬
men werden. Wollte man ein Augurium gründen auf das Benehmen des Präsidenten
selbst, so könnte dies sür ihn nur höchst günstig ausfallen. Er lebt mit solcher Sicher¬
heit in den Tag hinein, wenigstens vor den Augen der Welt, bestrebt sich so sehr, mit
Pracht und Glanz die Hohlheit seiner Stellung zu übertünchen, daß auch ein geübter
Blick von ihm getäuscht werden mag. Selbst unter dem Königthum entwickelte sich nur
selten der Luxus und die Ueppigkeit, die Napoleon Louis bei deu vielen Festen und
Bällen, welche er in dieser Saison veranstaltete, zur Schau zu stellen wußte. Freilich
haben die Säle der Tuilerien ehedem eine ganz andere Gesellschaft gesehen, wie jetzt
diejenigen des Elysoe nationale, der Rotürier hat die Vicomtes verdrängt, und schwere
Nagelschuhe bohren in dem spiegelglatten Parquet, das nur für Atlasschuhe gelegt wor¬
den ist. Es ist dies in der That ein seltsamer Anblick, zwischen den strahlenden Daiucnreihen
der Salons des Präsidenten, Gestalten umherwandeln zu sehen, deren Abenteuerlichkeit
der lose Griffel des Charivaristen kaum ganz getreu wiedergeben, geschweige denn noch cari-
kiren kann. Denn wenn gleich die Herren vom Berge, die Männer des Phalanstcri-
ums und der Barrikaden die erbittertsten politischen Feinde des Prinzen Louis
sind und ihn mehrmals schon in Anklagestand versetzen, ja geradezu in Biucennes
einsperren wollten, so hindert sie das doch keineswegs, große Freunde seines Cham¬
pagners und demzufolge auch Besucher seiner Bälle und Soireen zu sein! Alle
Mitglieder der Nationalversammlung sind selbstverständlich immer geladen. Und da
schlürft denn der dicke Pierre Leroux, dieses untersetzte Drittheil der heiligen so¬
cialistischen Dreifaltigkeit, sauer-sust lächelnd über den glatten Boden, und die etwa im
Plafond hausenden Spinnlein flüchten vor seinem gräulichen, schmutzigen, nach allen
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