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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Die deutschen Kunstvereine.

Von August Kahlert.


Das Bewußtsein der Nothwendigkeit, durch Association zu ersetzen, was dem
Einzelnen an Kraft abgebe, hat sich in Deutschland auf dem Gebiete der bilden¬
den Kunst vor länger als zwanzig Jahren bereits geltend gemacht, denn man sah
damals schon ein, daß, je mehr das Interesse an Kunstwerken ein partikuläres,
richtiger ein individuelles geworden war, die Förderung ihres Gedeihens nicht
mehr von Fürsten und Staatsregierungen allein ausgehen könne, und dennoch die
Kräfte des Einzelnen übersteige. Die Einzelnen thaten sich also zusammen, um
durch Vereinskassen die künstlerische Produktion zu unterstützen. Wäre dies auf
ganz uneigennützige Weise geschehen, so daß die jungen Vereine damals sogleich
den Zweck des Einzelnen, im Glücksfälle an den anzukaufenden und zu verloosen-
den Kunstwerken ein angenehmes Privateigenthum zu erwerben, ausgeschlossen und
lediglich für öffentliche Zwecke gewirkt hätten, so wäre freilich ihr Wachsthum
sehr langsam von Statten gegangen, in manchen Provinzen würden sie gar nicht
aufgekommen sein, aber sie würden vielleicht für das wahre Heil der Kunst kräfti¬
ger und bleibender, als sie es so vermochten, gewirkt haben. Wir sagen vielleicht!
denn in der Aufgabe der Zeit, die das Privatinteresse in alleu Dingen an die
Stelle des öffentlichen treten ließ, lag freilich auch schon eine innere Nöthigung
für die Kunst, ihrer Laune zu folgen. Man nahm an kleinen Begebenheiten des
Einzelnen größeren Antheil, als an denen der Gesammtheit, an der Geschichte des
Vaterlandes. Die Gegenstände für Künstler trugen mithin vorzugsweise einen
Privatcharakter, und paßten in die behaglichen Wohnzimmer des Wohlhabenden,
glücklich genug, wenn sie einen poetischen Funken, und uicht blos eine treue Ab¬
schrift des alltäglichsten Lebens hineinbrachten. Die Vermehrung dieser Gattung
von Gemälden lag im stillen Verlangen der Zeit, welche an den antiken Gewän¬
dern keinen Geschmack mehr fand, und religiöse Bilder durchaus in die Kirche ver¬
wies. Das Hereinziehen der Kunst in die Kreise bequemer Unterhaltung, wo
es auf schwungvolle Begeisterung gar nicht, sondern nur auf Erhöhung des lag--
lichen Komforts ankam, dies mußte in demselben Maße die Zahl ihrer Gönner


^ Grenzbot"", l. 18S0. 46
Die deutschen Kunstvereine.

Von August Kahlert.


Das Bewußtsein der Nothwendigkeit, durch Association zu ersetzen, was dem
Einzelnen an Kraft abgebe, hat sich in Deutschland auf dem Gebiete der bilden¬
den Kunst vor länger als zwanzig Jahren bereits geltend gemacht, denn man sah
damals schon ein, daß, je mehr das Interesse an Kunstwerken ein partikuläres,
richtiger ein individuelles geworden war, die Förderung ihres Gedeihens nicht
mehr von Fürsten und Staatsregierungen allein ausgehen könne, und dennoch die
Kräfte des Einzelnen übersteige. Die Einzelnen thaten sich also zusammen, um
durch Vereinskassen die künstlerische Produktion zu unterstützen. Wäre dies auf
ganz uneigennützige Weise geschehen, so daß die jungen Vereine damals sogleich
den Zweck des Einzelnen, im Glücksfälle an den anzukaufenden und zu verloosen-
den Kunstwerken ein angenehmes Privateigenthum zu erwerben, ausgeschlossen und
lediglich für öffentliche Zwecke gewirkt hätten, so wäre freilich ihr Wachsthum
sehr langsam von Statten gegangen, in manchen Provinzen würden sie gar nicht
aufgekommen sein, aber sie würden vielleicht für das wahre Heil der Kunst kräfti¬
ger und bleibender, als sie es so vermochten, gewirkt haben. Wir sagen vielleicht!
denn in der Aufgabe der Zeit, die das Privatinteresse in alleu Dingen an die
Stelle des öffentlichen treten ließ, lag freilich auch schon eine innere Nöthigung
für die Kunst, ihrer Laune zu folgen. Man nahm an kleinen Begebenheiten des
Einzelnen größeren Antheil, als an denen der Gesammtheit, an der Geschichte des
Vaterlandes. Die Gegenstände für Künstler trugen mithin vorzugsweise einen
Privatcharakter, und paßten in die behaglichen Wohnzimmer des Wohlhabenden,
glücklich genug, wenn sie einen poetischen Funken, und uicht blos eine treue Ab¬
schrift des alltäglichsten Lebens hineinbrachten. Die Vermehrung dieser Gattung
von Gemälden lag im stillen Verlangen der Zeit, welche an den antiken Gewän¬
dern keinen Geschmack mehr fand, und religiöse Bilder durchaus in die Kirche ver¬
wies. Das Hereinziehen der Kunst in die Kreise bequemer Unterhaltung, wo
es auf schwungvolle Begeisterung gar nicht, sondern nur auf Erhöhung des lag--
lichen Komforts ankam, dies mußte in demselben Maße die Zahl ihrer Gönner


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[0369] Die deutschen Kunstvereine. Von August Kahlert. Das Bewußtsein der Nothwendigkeit, durch Association zu ersetzen, was dem Einzelnen an Kraft abgebe, hat sich in Deutschland auf dem Gebiete der bilden¬ den Kunst vor länger als zwanzig Jahren bereits geltend gemacht, denn man sah damals schon ein, daß, je mehr das Interesse an Kunstwerken ein partikuläres, richtiger ein individuelles geworden war, die Förderung ihres Gedeihens nicht mehr von Fürsten und Staatsregierungen allein ausgehen könne, und dennoch die Kräfte des Einzelnen übersteige. Die Einzelnen thaten sich also zusammen, um durch Vereinskassen die künstlerische Produktion zu unterstützen. Wäre dies auf ganz uneigennützige Weise geschehen, so daß die jungen Vereine damals sogleich den Zweck des Einzelnen, im Glücksfälle an den anzukaufenden und zu verloosen- den Kunstwerken ein angenehmes Privateigenthum zu erwerben, ausgeschlossen und lediglich für öffentliche Zwecke gewirkt hätten, so wäre freilich ihr Wachsthum sehr langsam von Statten gegangen, in manchen Provinzen würden sie gar nicht aufgekommen sein, aber sie würden vielleicht für das wahre Heil der Kunst kräfti¬ ger und bleibender, als sie es so vermochten, gewirkt haben. Wir sagen vielleicht! denn in der Aufgabe der Zeit, die das Privatinteresse in alleu Dingen an die Stelle des öffentlichen treten ließ, lag freilich auch schon eine innere Nöthigung für die Kunst, ihrer Laune zu folgen. Man nahm an kleinen Begebenheiten des Einzelnen größeren Antheil, als an denen der Gesammtheit, an der Geschichte des Vaterlandes. Die Gegenstände für Künstler trugen mithin vorzugsweise einen Privatcharakter, und paßten in die behaglichen Wohnzimmer des Wohlhabenden, glücklich genug, wenn sie einen poetischen Funken, und uicht blos eine treue Ab¬ schrift des alltäglichsten Lebens hineinbrachten. Die Vermehrung dieser Gattung von Gemälden lag im stillen Verlangen der Zeit, welche an den antiken Gewän¬ dern keinen Geschmack mehr fand, und religiöse Bilder durchaus in die Kirche ver¬ wies. Das Hereinziehen der Kunst in die Kreise bequemer Unterhaltung, wo es auf schwungvolle Begeisterung gar nicht, sondern nur auf Erhöhung des lag-- lichen Komforts ankam, dies mußte in demselben Maße die Zahl ihrer Gönner ^ Grenzbot«», l. 18S0. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/369>, abgerufen am 04.07.2024.