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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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welche ihre Vettern und Brüder erschlagen worden sind, freilich in beständigem
Kampf mit den ungeregelten Verhältnissen des Landes. -- Denn seit dem Bauern¬
aufstand bis jetzt hat die Regierung, eine kurze Zeit uuter Stadion ausgenommen,
noch nicht verstanden mit Energie und imponirender Kraft das wichtigste Recht
im ganzen Staatsleben, das Eigenthumsrecht des Ackerbodens, zu schützen. Noch
heut herrscht eine Verwirrung und Unsicherheit fast wie vor fünf Jahren, und das
Verhältniß zwischen Bauer und Edelmann ist noch heut so unsicher, unklar und
rechtlich ungeordnet, daß gar nicht abzusehen ist, welche Folgen für Galizien und
den Kaiserstaat daraus noch erwachsen können. Gestatten Sie mir in meinem
nächsten Briefe in das Detail einzugehen.




Wiener Zeitungen und Zeitungshelden



1. Der Lloyd und Mr. Warrens.

In der guten alten Zeit gründete die Gesellschaft des "östreichischen Lloyd"
in Triest ein Blatt gleiches Namens, welches verständig und eifrig vom dortigen
Freihafenstandpunkt die Interessen des östreichischen Handels besprach und geachtet
war zu Wasser und zu Lande. Als im Sommer 48 das Wiener Zeitungsleben
in so fabelhaften Flor kam, daß die Publizisten vom Stephansplatz und Graben
nicht nur das Wiener Ministerium beherrschten, sondern auf Deutschland herab¬
sahen, wie ein Redacteur des Pariser National aus die französischen Provinzen,
beschlossen die Actionäre des östreichischen Lloyd, ihre Zeitung nach der Kaiserstadt
übersiedeln zu lassen und in ein rein politisches Tageblatt zu verwandeln. Der
Gedanke war löblich, das Volk in Wien, dem seine junge Souveränität wie ein
gmnpvldskirchner "Heuriger" zu Kopfe stieg, konnte ein paar kühlende Eisnm-
schläge wohl vertragen; und da Zang's "Presse" das einzige Organ war, welches
gegen den Schwarm ultrademokratischer Blätter und Blättchen Opposition machte,
wurde der östreichische Lloyd eine erwünschte Verstärkung der liberalen Partei und
blieb, unter der Leitung Bodenstedt's, des bekannten Kaukasnsreisenden, bis Ende
October das Panier der Wenigen, welche noch wach und nüchtern genug waren,
um zu wissen, daß sie nicht fliegen konnten. Welche Fortschritte die Preßfreiheit
in Oestreich gemacht hat! Derselbe "östreichische Lloyd", welcher damals von den
Tauseuaus schwarzgelb gescholten wurde, müßte heute von Melden wenigstens
"Kloake des Radikalismus und Republikanismus" geschimpft und sein Redacteur durch
zarte Anspielungen auf Schanzarbeit und Stockprügel zur schleunigsten Besserung
ermahnt werden.


welche ihre Vettern und Brüder erschlagen worden sind, freilich in beständigem
Kampf mit den ungeregelten Verhältnissen des Landes. — Denn seit dem Bauern¬
aufstand bis jetzt hat die Regierung, eine kurze Zeit uuter Stadion ausgenommen,
noch nicht verstanden mit Energie und imponirender Kraft das wichtigste Recht
im ganzen Staatsleben, das Eigenthumsrecht des Ackerbodens, zu schützen. Noch
heut herrscht eine Verwirrung und Unsicherheit fast wie vor fünf Jahren, und das
Verhältniß zwischen Bauer und Edelmann ist noch heut so unsicher, unklar und
rechtlich ungeordnet, daß gar nicht abzusehen ist, welche Folgen für Galizien und
den Kaiserstaat daraus noch erwachsen können. Gestatten Sie mir in meinem
nächsten Briefe in das Detail einzugehen.




Wiener Zeitungen und Zeitungshelden



1. Der Lloyd und Mr. Warrens.

In der guten alten Zeit gründete die Gesellschaft des „östreichischen Lloyd"
in Triest ein Blatt gleiches Namens, welches verständig und eifrig vom dortigen
Freihafenstandpunkt die Interessen des östreichischen Handels besprach und geachtet
war zu Wasser und zu Lande. Als im Sommer 48 das Wiener Zeitungsleben
in so fabelhaften Flor kam, daß die Publizisten vom Stephansplatz und Graben
nicht nur das Wiener Ministerium beherrschten, sondern auf Deutschland herab¬
sahen, wie ein Redacteur des Pariser National aus die französischen Provinzen,
beschlossen die Actionäre des östreichischen Lloyd, ihre Zeitung nach der Kaiserstadt
übersiedeln zu lassen und in ein rein politisches Tageblatt zu verwandeln. Der
Gedanke war löblich, das Volk in Wien, dem seine junge Souveränität wie ein
gmnpvldskirchner „Heuriger" zu Kopfe stieg, konnte ein paar kühlende Eisnm-
schläge wohl vertragen; und da Zang's „Presse" das einzige Organ war, welches
gegen den Schwarm ultrademokratischer Blätter und Blättchen Opposition machte,
wurde der östreichische Lloyd eine erwünschte Verstärkung der liberalen Partei und
blieb, unter der Leitung Bodenstedt's, des bekannten Kaukasnsreisenden, bis Ende
October das Panier der Wenigen, welche noch wach und nüchtern genug waren,
um zu wissen, daß sie nicht fliegen konnten. Welche Fortschritte die Preßfreiheit
in Oestreich gemacht hat! Derselbe „östreichische Lloyd", welcher damals von den
Tauseuaus schwarzgelb gescholten wurde, müßte heute von Melden wenigstens
„Kloake des Radikalismus und Republikanismus" geschimpft und sein Redacteur durch
zarte Anspielungen auf Schanzarbeit und Stockprügel zur schleunigsten Besserung
ermahnt werden.


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[0162] welche ihre Vettern und Brüder erschlagen worden sind, freilich in beständigem Kampf mit den ungeregelten Verhältnissen des Landes. — Denn seit dem Bauern¬ aufstand bis jetzt hat die Regierung, eine kurze Zeit uuter Stadion ausgenommen, noch nicht verstanden mit Energie und imponirender Kraft das wichtigste Recht im ganzen Staatsleben, das Eigenthumsrecht des Ackerbodens, zu schützen. Noch heut herrscht eine Verwirrung und Unsicherheit fast wie vor fünf Jahren, und das Verhältniß zwischen Bauer und Edelmann ist noch heut so unsicher, unklar und rechtlich ungeordnet, daß gar nicht abzusehen ist, welche Folgen für Galizien und den Kaiserstaat daraus noch erwachsen können. Gestatten Sie mir in meinem nächsten Briefe in das Detail einzugehen. Wiener Zeitungen und Zeitungshelden 1. Der Lloyd und Mr. Warrens. In der guten alten Zeit gründete die Gesellschaft des „östreichischen Lloyd" in Triest ein Blatt gleiches Namens, welches verständig und eifrig vom dortigen Freihafenstandpunkt die Interessen des östreichischen Handels besprach und geachtet war zu Wasser und zu Lande. Als im Sommer 48 das Wiener Zeitungsleben in so fabelhaften Flor kam, daß die Publizisten vom Stephansplatz und Graben nicht nur das Wiener Ministerium beherrschten, sondern auf Deutschland herab¬ sahen, wie ein Redacteur des Pariser National aus die französischen Provinzen, beschlossen die Actionäre des östreichischen Lloyd, ihre Zeitung nach der Kaiserstadt übersiedeln zu lassen und in ein rein politisches Tageblatt zu verwandeln. Der Gedanke war löblich, das Volk in Wien, dem seine junge Souveränität wie ein gmnpvldskirchner „Heuriger" zu Kopfe stieg, konnte ein paar kühlende Eisnm- schläge wohl vertragen; und da Zang's „Presse" das einzige Organ war, welches gegen den Schwarm ultrademokratischer Blätter und Blättchen Opposition machte, wurde der östreichische Lloyd eine erwünschte Verstärkung der liberalen Partei und blieb, unter der Leitung Bodenstedt's, des bekannten Kaukasnsreisenden, bis Ende October das Panier der Wenigen, welche noch wach und nüchtern genug waren, um zu wissen, daß sie nicht fliegen konnten. Welche Fortschritte die Preßfreiheit in Oestreich gemacht hat! Derselbe „östreichische Lloyd", welcher damals von den Tauseuaus schwarzgelb gescholten wurde, müßte heute von Melden wenigstens „Kloake des Radikalismus und Republikanismus" geschimpft und sein Redacteur durch zarte Anspielungen auf Schanzarbeit und Stockprügel zur schleunigsten Besserung ermahnt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/162>, abgerufen am 27.06.2024.