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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Schnldtilgung, die ins Unendliche fortgesponnen werden kann; statt der fälligen
Interessen werden neue Metalliqnes angefertigt.

Welche Mühe sich anch die gouvernementalen Organe und ausgesandte Börsenmakler
geben, die Löcher des finanziellen Uebcrwnrss zu verdecken, und wie anch die sogenannten
liberalen Journale militärisch eingeschüchtert sind, die Blößen dieses Ausweises zu'
zeigen, so mußte doch die frühere Ueberzeugung fest gehalten werden, daß der einge¬
haltene Weg des Fiuauzmiuisterimnö nnr tiefer in den Wald führt. Die Bantdircction
repartirt so eben eine halbjährige Dividende von 58 Fi.; -- ein Journal bemerkt
hierzu, die 20 , welche das Volk an den Banknoten verliert, streichen die
Bankaetionäre als Gewinn ein. Die Baut, dieser Vampyr am Staate und am
Nationalvermögen, wird weiteren Gewinn ziehen ans dein anwachsenden Deficit
des Budgets; alle andern Institute, Grund und Boden, Industrie und Handel
siud fortgesetzten unberechenbaren Verlusten Preis gegeben. Em ministerielles Blatt
stellte schon den Salz auf, daß die geringere Eonsumtiou, also das Hungern ein
durch die Papierzettel erreichter Vortheil sei, eine Ersparnis;; es ivird aber bald
dahin kommen, daß auch der Soldat wird hungern müssen, da er mit dem fixirten,
in Papier ausbezahlten Sold die gesteigerten Preise der Lebensmittel nicht bestreiten
kann. Eine hungernde Armee von KW,M0 Mann ist die Aussicht, die Oestreich
bei Fortbestand der Finanzwirren bedroht.




A us H5 e se h.

Wenn man so von einem Archimedes'schen Punkte aus das Treiben dieser
Welt theilnahmslos betrachten könnte, wäre gewiß das Verhältniß unserer
Kriegsgötter zu dem Schwarzenberg-Bansi'chen Olympos einer der amüsantesten
Anblicke. Die Civilregiernng muß streben, doch einmal der Soldatenherrschast
ein Ende zu machen, und diese will überzeugt sein, daß die Völker Oestreichs
nnr mit dem Säbel regiert werden tonnen. Ein offener Bruch mit dem Militair
erscheint der Regierung selbst als sehr gefährlich, man sucht also dem allmächtigen
Adjutanten des jungen militairfreuildlichen Monarchen manchmal ein versäumtes
Stündlein abzulauschen, um dann eine Spanne groß Terrain zu gewinnen; aber
nicht lange darauf ermannt sich die Soldateska wieder, und wirft den sich sicher
glaubenden Negiernngömännern offen den Fehdehandschuh hin.

So hat Haynau diese Tage wieder ein Zeichen seiner gebietenden Allmacht
von sich gegeben, und zwar durch ein Decret gegen die -- Juden. Die Straf-
eontribntion und die Pnrificationsvervrdnnng für die emaneipütcn und gleich¬
berechtigten Jsraeliten Ungarns hat schon oft in diesem Jahre die Runde durch
die deutsche und ausländische Presse gemacht, und man glaubte, daß dieser Will-


Grcnzboten II. 18S0, 64

Schnldtilgung, die ins Unendliche fortgesponnen werden kann; statt der fälligen
Interessen werden neue Metalliqnes angefertigt.

Welche Mühe sich anch die gouvernementalen Organe und ausgesandte Börsenmakler
geben, die Löcher des finanziellen Uebcrwnrss zu verdecken, und wie anch die sogenannten
liberalen Journale militärisch eingeschüchtert sind, die Blößen dieses Ausweises zu'
zeigen, so mußte doch die frühere Ueberzeugung fest gehalten werden, daß der einge¬
haltene Weg des Fiuauzmiuisterimnö nnr tiefer in den Wald führt. Die Bantdircction
repartirt so eben eine halbjährige Dividende von 58 Fi.; — ein Journal bemerkt
hierzu, die 20 , welche das Volk an den Banknoten verliert, streichen die
Bankaetionäre als Gewinn ein. Die Baut, dieser Vampyr am Staate und am
Nationalvermögen, wird weiteren Gewinn ziehen ans dein anwachsenden Deficit
des Budgets; alle andern Institute, Grund und Boden, Industrie und Handel
siud fortgesetzten unberechenbaren Verlusten Preis gegeben. Em ministerielles Blatt
stellte schon den Salz auf, daß die geringere Eonsumtiou, also das Hungern ein
durch die Papierzettel erreichter Vortheil sei, eine Ersparnis;; es ivird aber bald
dahin kommen, daß auch der Soldat wird hungern müssen, da er mit dem fixirten,
in Papier ausbezahlten Sold die gesteigerten Preise der Lebensmittel nicht bestreiten
kann. Eine hungernde Armee von KW,M0 Mann ist die Aussicht, die Oestreich
bei Fortbestand der Finanzwirren bedroht.




A us H5 e se h.

Wenn man so von einem Archimedes'schen Punkte aus das Treiben dieser
Welt theilnahmslos betrachten könnte, wäre gewiß das Verhältniß unserer
Kriegsgötter zu dem Schwarzenberg-Bansi'chen Olympos einer der amüsantesten
Anblicke. Die Civilregiernng muß streben, doch einmal der Soldatenherrschast
ein Ende zu machen, und diese will überzeugt sein, daß die Völker Oestreichs
nnr mit dem Säbel regiert werden tonnen. Ein offener Bruch mit dem Militair
erscheint der Regierung selbst als sehr gefährlich, man sucht also dem allmächtigen
Adjutanten des jungen militairfreuildlichen Monarchen manchmal ein versäumtes
Stündlein abzulauschen, um dann eine Spanne groß Terrain zu gewinnen; aber
nicht lange darauf ermannt sich die Soldateska wieder, und wirft den sich sicher
glaubenden Negiernngömännern offen den Fehdehandschuh hin.

So hat Haynau diese Tage wieder ein Zeichen seiner gebietenden Allmacht
von sich gegeben, und zwar durch ein Decret gegen die — Juden. Die Straf-
eontribntion und die Pnrificationsvervrdnnng für die emaneipütcn und gleich¬
berechtigten Jsraeliten Ungarns hat schon oft in diesem Jahre die Runde durch
die deutsche und ausländische Presse gemacht, und man glaubte, daß dieser Will-


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[0513] Schnldtilgung, die ins Unendliche fortgesponnen werden kann; statt der fälligen Interessen werden neue Metalliqnes angefertigt. Welche Mühe sich anch die gouvernementalen Organe und ausgesandte Börsenmakler geben, die Löcher des finanziellen Uebcrwnrss zu verdecken, und wie anch die sogenannten liberalen Journale militärisch eingeschüchtert sind, die Blößen dieses Ausweises zu' zeigen, so mußte doch die frühere Ueberzeugung fest gehalten werden, daß der einge¬ haltene Weg des Fiuauzmiuisterimnö nnr tiefer in den Wald führt. Die Bantdircction repartirt so eben eine halbjährige Dividende von 58 Fi.; — ein Journal bemerkt hierzu, die 20 , welche das Volk an den Banknoten verliert, streichen die Bankaetionäre als Gewinn ein. Die Baut, dieser Vampyr am Staate und am Nationalvermögen, wird weiteren Gewinn ziehen ans dein anwachsenden Deficit des Budgets; alle andern Institute, Grund und Boden, Industrie und Handel siud fortgesetzten unberechenbaren Verlusten Preis gegeben. Em ministerielles Blatt stellte schon den Salz auf, daß die geringere Eonsumtiou, also das Hungern ein durch die Papierzettel erreichter Vortheil sei, eine Ersparnis;; es ivird aber bald dahin kommen, daß auch der Soldat wird hungern müssen, da er mit dem fixirten, in Papier ausbezahlten Sold die gesteigerten Preise der Lebensmittel nicht bestreiten kann. Eine hungernde Armee von KW,M0 Mann ist die Aussicht, die Oestreich bei Fortbestand der Finanzwirren bedroht. A us H5 e se h. Wenn man so von einem Archimedes'schen Punkte aus das Treiben dieser Welt theilnahmslos betrachten könnte, wäre gewiß das Verhältniß unserer Kriegsgötter zu dem Schwarzenberg-Bansi'chen Olympos einer der amüsantesten Anblicke. Die Civilregiernng muß streben, doch einmal der Soldatenherrschast ein Ende zu machen, und diese will überzeugt sein, daß die Völker Oestreichs nnr mit dem Säbel regiert werden tonnen. Ein offener Bruch mit dem Militair erscheint der Regierung selbst als sehr gefährlich, man sucht also dem allmächtigen Adjutanten des jungen militairfreuildlichen Monarchen manchmal ein versäumtes Stündlein abzulauschen, um dann eine Spanne groß Terrain zu gewinnen; aber nicht lange darauf ermannt sich die Soldateska wieder, und wirft den sich sicher glaubenden Negiernngömännern offen den Fehdehandschuh hin. So hat Haynau diese Tage wieder ein Zeichen seiner gebietenden Allmacht von sich gegeben, und zwar durch ein Decret gegen die — Juden. Die Straf- eontribntion und die Pnrificationsvervrdnnng für die emaneipütcn und gleich¬ berechtigten Jsraeliten Ungarns hat schon oft in diesem Jahre die Runde durch die deutsche und ausländische Presse gemacht, und man glaubte, daß dieser Will- Grcnzboten II. 18S0, 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/513>, abgerufen am 03.07.2024.